dbb magazin 9/2021

bundestagswahl 2021 cken im Angesicht autoritärer Mächte. Deshalb muss die EU mehr globale Gestaltungskraft entwickeln und darf sich nicht aufs reine Reagieren beschrän­ ken. Zum dritten fordern die rechtsnationalen Regierungen Polens und Ungarns mit ihrer autoritären Rechtsstaatspraxis den inneren Zusammenhalt der EU heraus. Auf Grundrechte darf es keinen regionalen „Rabatt“ geben. Der Rechtsstaatsmecha­ nismus der EUmuss sich jetzt in der Praxis bewähren. Die EU muss effizienter und handlungsfähiger werden, damit sie diese Herausforderungen und viele weitere wie den Klimawan­ del, den gewaltigen Migrationsdruck, aber auch politischen Ex­ tremismus, meistern kann. Sie sollte eine größere strategische Souveränität anstreben, damit sie in Zukunft ihre eigenen Inter­ essen besser durchsetzen und in wichtigen Bereichen wie zum Beispiel Energieversorgung, Rohstoffimporte und digitale Tech­ nologie weniger abhängig und verwundbar ist. Dieser Schritt darf jedoch nicht zu Protektionismus oder zu einer Selbstisolation führen, sondern sollte das Gewicht der EU ver­ größern. < Andrej Hunko, Die Linke Zwei der größten Herausforde­ rungen für Europa sind zugleich auch globale Fragen: die der enormen und wachsenden sozialen Ungleichheit und die Lösung der Klimakrise. Hinzu kommt meines Erachtens die zunehmende Konfrontation auf internationaler Ebene, vor allem gegenüber Russland und China. Dadurch wächst einerseits die Kriegsgefahr. Andererseits er­ schwert sie aber auch unge­ mein die notwendige Suche nach gemeinsamen Lösungen auf internationaler Ebene. Die EU hat seit Jahrzehnten den neoliberalen Umbau von Wirt­ schaft und Staat gefördert und gemeinsammit nationalen Eliten Druck auf die sozialen Sicherungssysteme gemacht. Statt diesen Kurs fortzusetzen, muss sie endlich für die Menschen spürbaren sozialen Fortschritt generieren. Die soziale Frage stellt sich konkret beim sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft, also beim Green Deal der EU. Die darin formulierten Ziele sind nicht ausreichend und die Maßnahmen nicht geeignet, um den notwendigen Umbau zu erreichen. Die soziale Absicherung ist völlig unzureichend. Ohne eine gerechte Verteilung der Lasten und eine grundsätzliche soziale Sicherung der Menschen wird die politische Zustimmung nicht erreicht wer­ den können. Die ökologische, soziale und politische Krise der EU könnte sich dann vertiefen. Die Linke fordert eine gerechte Besteuerung und Umverteilung in der gesamten EU, ein sozial-ökologisches Wirtschaftsprogramm mit einer echten Industriestrategie. Wir wollen die Stärkung sozi­ aler Rechte, gerechte Mindestlöhne und soziale Mindeststan­ dards. < Franziska Brantner, Bündnis 90/Die Grünen Wir müssen erstens gemeinsam klimagerechten Wohlstand in Europa schaffen. Dafür müssen wir den Green Deal ambitio­ niert umsetzen. Dafür hat die EU-Kommission mit dem „Fit­ for55“-Paket nun einen wich­ tigen Schritt gemacht, wenn auch an ihrem Vorschlag vieles zu kritisieren ist. Die Mitglied­ staaten sollten jetzt schnell da­ rauf reagieren, um das Pariser Abkommen und die europäi­ schen Klimaziele einzuhalten und vor demWeltklimagipfel ein wichtiges Zeichen zu setzen. Die EU kann als Vorreiterin neue Märkte erschließen und neue Jobs schaffen sowie mit Drittstaa­ ten in Klimapartnerschaften bei Forschung, Technologie und der Förderung erneuerbarer Energien zusammenarbeiten. Klima­ schutz kann so zum europäischen Exportschlager werden. Zweitens wollen antiliberale Kräfte und Parteien den Rechtsstaat und die Demokratie aushöhlen und die europäische Integration rückabwickeln. Die EU muss dem Einhalt gebieten und darauf be­ stehen, dass Demokratiezerstörer keine EU-Gelder mehr erhalten und alle Länder der EU mit der Europäischen Staatsanwaltschaft kooperieren. Europäische Werte, wie sie unter anderem in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Europäischen Sozialcharta niedergelegt sind, müssen gelebt, nach innen und außen verteidigt werden. Diese Grundrechte müssen auch national einklagbar sein, damit sich alle EU-Bürger*innen darauf berufen können. Nur mit einem starken Fundament können wir die vielen großen Aufgaben gemeinsam bewältigen: Demografie, Migration, Digitalisierung. Die vollständigen, aus drei Fragen bestehenden Interviews mit den europapolitischen Sprecherinnen und Sprechern der Bundestagsfraktionen online in Ausgabe 5 der dbb Europa­ themen. https://t1p.de/r0qg < In eigener Sache Damit alle europapolitischen Sprecherinnen und Sprecher der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien eine Möglichkeit haben, ihre Posi­ tionen zu verdeutlichen, wurden die Fragen des dbb auch Prof. Dr. Harald Weyel von der AfD übersandt. Harald Weyel hat auf die An­ frage jedoch nicht reagiert. © Andreas Schöttke © Florian Freundt © Micheal Link 20 dbb > dbb magazin | September 2021

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