dbb magazin 1-2/2024

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz (KMK) hat am 8. Dezember 2023 ihre Empfehlungen zur „Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht“ vorgestellt. Der Deutsche Philologenverband (DPhV) reagiert positiv – auch vor dem Hintergrund, dass kein „duales Lehramtsstudium“ empfohlen wird und die zuletzt vorgeschlagenen Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Lehramtsausbildung Mathematik im Gutachten kaum Widerhall finden. DPhV-Chefin Susanne LinKlitzing: „Es gibt einen deutlichen Qualitätsunterschied zwischen der ersten Ad-hoc-Stellungnahme der SWK zu Beginn dieses Jahres zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels und nun den profunden Empfehlungen im heute vorgestellten Gutachten der SWK. Damals dominierten unter Zeitdruck entstandene, eher politisch kurzfristig angeregte Zusammenstellungen. Dazu gehörte der Vorschlag für eine generelle Aufstockung des Stundendeputats von Teilzeitlehrkräften, dessen Grundlage unter anderem auch eine fehlerhafte Addition von Referendaren in die Gruppe der Teilzeitlehrkräfte war und den wir als Zumutung kritisierten. Jetzt nehmen wir reflektierte, wissenschaftlich solide Empfehlungen der SWK als Schritte in die richtige Richtung für eine verbesserte Personalplanung sowie ein umfassendes und strukturiertes Konzept für die Lehrkräftebildung und für die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte wahr.“ Der DPhV unterstütze bis auf einige Abstriche die SWK-Empfehlungen für die erste Phase der Lehrkräftebildung an der Universität, für die zweite, am Studienseminar zu erhaltende Phase und neu für ein qualifiziertes Mentoring in der Berufseinstiegsphase. Die vorgestellten Empfehlungen kommentiert der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand: „Die Maßnahmen zielen auf eine hohe, und insbesondere für die bisher nicht angemessen qualifizierten Personen steigende, Qualifikation ab. Das ist eine beeindruckend klare Position, die sich gegen den Trend der Deprofessionalisierung stellt. Die Reaktion der Kultusministerinnen und Kultusminister in der Pressekonferenz lässt aber zweifeln, ob die Empfehlungen tatsächlich umgesetzt werden. Mit Verweis auf die Realität an den Schulen wird argumentiert, dass die Empfehlungen nicht oder nur teilweise umsetzbar sind. So bekommt man den Eindruck, dass das Gutachten eine Kröte ist, die nicht alle schlucken möchten. Aber die KMK hat mit dem Gutachten die Büchse der Pandora geöffnet und wird sich nun daran messen lassen müssen, wie ernst sie die Stimme der Wissenschaft nimmt.“ Generell müsse darauf geachtet werden, dass Menschen prioritär für das klassische Lehramtsstudium gewonnen werden sollten. Die Realität des immensen Lehrkräftemangels zwinge aber zur Einstellung von Menschen im Seiten- und Quereinstieg. Diese werden oft nicht angemessen vorqualifiziert und auch nicht ausreichend berufsbegleitend weiterqualifiziert. Die SWK schlägt weiter vor, dass Studenten, die schon in der Schule unterrichten, diese Zeit auf ihre Ausbildung anrechnen können. So würde die Zeit für das Referendariat auf zwölf Monate verkürzt. Der VBE-Bundesvorsitzende sieht dies kritisch: „In der zweiten Phase der Ausbildung würden dann Studierende ohne und mit Praxiserfahrung angemessen begleitet werden müssen. Das ist organisatorisch schlicht nicht leistbar.“ Auch aus Sicht des Verbandes Deutscher Realschullehrer (VDR) enthalten die SWK-Empfehlungen einige zielführende Maßnahmen, um die Qualität der Lehrkräfteausbildung für die Zukunft zu sichern und gleichzeitig wieder mehr junge Menschen für das Lehramtsstudium zu motivieren. Damit das gelinge, bedürfe es allerdings einiger Weichenstellungen. Der VDR-Bundesvorsitzende Ralf Neugschwender sagte: „Die Anfang dieses Jahres verkündeten Vorschläge für kurzfristige ‚Notmaßnahmen‘ der SWK zum Umgang mit dem Lehrkräftemangel wie die Begrenzung von Teilzeitmöglichkeiten oder die Weiterbeschäftigung von Ruheständlern haben viel Vertrauen bei der Schulfamilie zerstört. Daher sind wir zunächst erleichtert, dass die SWK im aktuellen Gutachten nun zu Empfehlungen übergeht, die auf professionell ausgebildete Lehrkräfte, eine bessere Verzahnung von erster, zweiter und dritter Phase des Lehramtsstudiums sowie auf eine bessere Planbarkeit beim Lehrkräftebedarf abzielen.“ Angesichts der Herausforderungen der gestiegenen Migration, der fortschreitenden Digitalisierung und der Tatsache, dass Demokratie immer mehr unter Druck gerate, müsse alles getan werden, damit die Schulen nicht nur eine auf Kante genähte Versorgung mit Lehrkräften erhalten. Neugschwender: „Die genannten Zukunftsaufgaben erfordern eine Versorgung mit 100 Prozent plus einem großen X. Entscheidend dabei ist, dass das ohnehin am Limit agierende Bestandspersonal an den Schulen nicht zusätzlich belastet wird. Daher ist es absolut richtig und wichtig, wenn die SWK jetzt alle Bundesländer auffordert, endlich vergleichbare und verlässliche Prognosen zum Lehrkräftebedarf aufzustellen. Diese Kennzahlen bei Studienanfängerzahlen oder bei der Zu- und Abwanderung in einem Bundesland sind zwingend auch regelmäßig einem Update zu unterziehen, ohne ein neues Bürokratiemonster an den Schulen zu etablieren. Der sogenannte ,Schweine-Zyklus‘ aus zu viel oder zu wenig Angebot an Stellen muss der Vergangenheit angehören.“ dbb Bildungsgewerkschaften Empfehlungen zur Lehrkräftegewinnung vorgestellt Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des DPhV Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des VBE Ralf Neugschwender, Bundesvorsitzender des VDR 46 KOMPAKT dbb magazin | Januar/Februar 2024

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