dbb magazin 11/2023

ger. Das sind gewonnene Jahre. Wir sehen, dass die Lebensqualität älterer Menschen steigt, wenn sie sich einbringen können.“ Deswegen bemühe sich die Bundespolitik unter anderem um mehr Begegnungsangebote, zum Beispiel im Zukunftsprojekt „Kommunen im Wandel“, das attraktivere Kommunen für Menschen in allen Lebensphasen schaffen soll, und durch die Förderung von Initiativen gegen Einsamkeit, die vorwiegend ältere Menschen betreffe. „Wir müssen die gesellschaftliche Teilhabe aus- und Barrieren abbauen.“ Auch um eine bessere Pflege bemühe sich die Bundesregierung: „Über drei Millionen Pflegebedürftige werden zu Hause durch ihre Angehörigen versorgt. Wir müssen daher eine bessere Vereinbarkeit zwischen Beruf und Pflege schaffen. Mit einer groß angelegten Entgeltreform wollen wir pflegende Angehörige finanziell entlasten. Gleichzeitig müssen wir mehr Menschen für die professionelle Pflege gewinnen. Wir fordern daher, dass das Pflegestudium vergütet wird. Zudem wollen wir die Einstellung ausländischer Pflegekräfte erleichtern“, so Lehmann. Rothermund: Mut und große Klappe In seinem Festvortrag „Altersbilder, Altersnormen, Altersgrenzen – wie unsere Vorstellungen vom Alter soziale Teilhabe im Alter beeinflussen“ beschrieb Prof. Dr. Klaus Rothermund sowohl die Vor- als auch die Nachteile, die die Teilhabe für die Akteure und Akteurinnen mit sich bringen kann. Der Altersforscher, der nicht nur Professor für Psychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, sondern auch stellvertretender Vorsitzender der 9. Altersberichtskommission ist, zeigte sich davon überzeugt, dass Partizipation stets intrinsisch motiviert sein solle. Es gehe im Kern um Selbstbestimmung. „Die Person muss teilnehmen wollen.“ So sei es legitim, wenn Menschen entschieden, sich aus einem Bereich zurückzuziehen. Wer sich etwa beruflich ein Zubrot zur Rente verdienen oder für Angehörige Pflegeleistungen erbringen müsse, sei zu Partizipation gezwungen und vielleicht überfordert. Häufig genug betreffe dies Frauen. „Erzwungene Partizipation muss durch staatliche Angebote überflüssig gemacht werden“, forderte er. Zudem sollten Barrieren und Diskriminierungen abgebaut werden. Beispielsweise dürfe die Digitalisierung nicht zum Zwang werden; die Vielfalt der Angebote solle erhalten bleiben. Rothermund machte sich außerdem für die Abschaffung starrer Altersgrenzen beim Berufsausstieg, aber auch in Ehrenämtern stark. Mögliche Gründe für Altersdiskriminierung sieht der Psychologe in fest gefügten Altersbildern: So wehrten sich Ältere kaum, weil sie die diskriminierende Behandlung für normal hielten und sie sie, getreu dem Motto „Alter ist eine Tatsache!“, kaum erkennen könnten. Auf diese Weise werde das Alter auf biologische Veränderungen reduziert. „Der Mammutanteil des Alterns ist eine soziale und individuelle Konstruktion. Und die können wir ändern! Das Leben ist im Alter genauso viel wert, wie in jedem anderen Lebensabschnitt!“ Rothermund schlug vor, zunächst ein Bewusstsein für Altersdiskriminierung zu schaffen. Diskriminierungsfälle sollten überall systematisch registriert und auch ausgeräumt werden. Jede öffentliche Einrichtung solle ein Label „altersfairer Betrieb“ ins Repertoire aufnehmen müssen. Er rief die Betroffenen dazu auf, selbst aktiv zu werden: „Wir brauchen Leute mit Mut und großer Klappe! Jeder ist gefragt, sich mit den eigenen Altersstereotypen auseinanderzusetzen und sie auch aufzubrechen. Doch schauen Sie nicht nur auf die Aktivitäten! Zum Alter gehört auch Rückzug, Weisheit, Kontemplation und das Nachdenken über die wichtigen Dinge im Leben.“ ada Die neue Geschäftsführung der dbb Senioren: Max Schindlbeck, Norbert Lütke, Horst Günther Klitzing, Anke Schwitzer und Thomas Krupp (von links). Sven Lehmann Klaus Rothermund 26 INTERN dbb magazin | November 2023

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==