dbb magazin 9/2023

Medienvertrauen in Deutschland Stabil, aber nicht unerschütterlich In den vergangenen Jahren wurde vermehrt darüber diskutiert, ob und in welchem Ausmaß das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in mediale Berichterstattungen abgenommen hat. Begriffe wie „Lügenpresse“, grassierende Falschinformationen und die von vielen Beobachtern festgestellte gesellschaftliche Polarisierung verleiten zu dem Schluss, dass das Vertrauen in die etablierten Medien gesunken sein müsse. Aber lässt sich dies auch empirisch feststellen? Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hat die Mainzer Langzeitstudie zum Medienvertrauen in Deutschland in ihrer Schriftenreihe veröffentlicht. Dazu wurden über mehrere Jahre hinweg Daten erhoben und ausgewertet. Ihre Ergebnisse und Schlüsse zeichnen erstmals ein systematisches, auf repräsentativen Meinungsumfragen basierendes Stimmungsbild zur Einstellung der deutschen Bevölkerung zum Mediensystem und zur Berichterstattung für die Jahre 2015 bis 2020. Das Buch legt auch die Grundlagen der medialen Vertrauensforschung dar und ordnet die Befunde ein, die auch in über 60 Grafiken und Tabellen aufbereitet werden. Keine flächendeckende Erosion So lässt sich über den behandelten Zeitraum hinweg feststellen, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Medien stabil geblieben und im ersten Jahr der Coronapandemie sogar noch mal deutlich angestiegen ist. Eine Haupterkenntnis der repräsentativen Langzeitbefragung: Am Ende des Jahres 2020 stimmten 56 Prozent der Befragten der Aussage „Wenn es um wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale und Krisen –, kann man den Medien vertrauen“ zu. Am meisten Vertrauen genossen dabei öffentlich-rechtliche Medien und Lokalzeitungen. Nachrichten auf Social-MediaPlattformen erhielten hingegen die niedrigsten Vertrauenswerte. Eine flächendeckende Erosion des Medienvertrauens zeigt sich in Deutschland keineswegs, dennoch geben einige Befunde auch Anlass zur genaueren Beobachtung. So spiegelt sich die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung über die Jahre hinweg auch in der Verfestigung der Kluft zwischen denjenigen, die den Medien grundsätzlich Vertrauen entgegenbringen, und denjenigen mit medienzynischen Einstellungen, die den Medien in jeglicher Hinsicht misstrauen. Es zeigte sich auch, dass Menschen, die ein hohes Vertrauen in andere Institutionen des demokratischen Rechtsstaats haben, eindeutig auch zu einem höheren Medienvertrauen tendieren. Soziodemografische Merkmale spielten hingegen eine untergeordnete Rolle für das Medienvertrauen. Als viel wichtiger stellten sich politisch-weltanschauliche Einstellungsmuster, etwa die Zustimmung zu Verschwörungserzählungen, heraus. Medienbildung bleibt wichtig Die Autorinnen und Autoren leiten aus den Forschungsergebnissen Vorschläge ab, wie das Medienvertrauen künftig gestärkt beziehungsweise zurückgewonnen werden kann. Dazu gehören Transparenz und Selbstkritik, aber auch die Stärkung und Förderung von Medienvielfalt und Medienbildung. Die langfristig angelegte Studie zum Medienvertrauen basiert auf mehr als einem Jahrzehnt kommunikationswissenschaftlicher Vertrauensforschung am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Im Mittelpunkt stehen repräsentative Befragungen, die die Entwicklungen, Ursachen und Folgen des Vertrauens erheben. Die Durchführung der Studie wird seit 2022 von der bpb unterstützt. ■ Der 204 Seiten starke Band von den Autorinnen und Autoren Nikolaus Jackob, Tanjev Schultz, Ilka Jakobs, Oliver Quiring, Christian Schemer, Marc Ziegele und Christina Viehmann ist für eine Bereitstellungspauschale von 4,50 Euro exklusiv bei der bpb erhältlich: www.bpb.de/520602 © Roman Kraft/Unsplash.com 16 FOKUS dbb magazin | September 2023

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==