dbb magazin 4/2023

Fachkräftemangel in Europa. Wie gelingt die EU-Migrationspolitik? Die Europäische Union ist eine Rechts- und Wertegemeinschaft. Dennoch fällt es ihren Mitgliedstaaten schwer, sich auf eine menschenrechtsbasierte Asyl- und Migrationspolitik zu verständigen. Die Hilfsbereitschaft gegenüber den geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainern ist groß. Aktuell aber scheinen die Aufnahmebereitschaft und die Aufnahmefähigkeit vieler EU-Staaten nicht Schritt zu halten mit den durch den demografischen Wandel bedingten Erfordernissen. Der Fachkräftemangel und die Alterung in Europa bremsen das Wirtschaftswachstum und gefährden den sozialen Zusammenhalt. Beim 31. Europäischen Abend soll am 19. April 2023 im dbb forum berlin darüber gesprochen werden, welche Perspektiven die europäische Asyl- und Migrationspolitik hat. Der dbb lädt gemeinsammit der überparteilichen Europa-Union Deutschland und dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement zu dem hochkarätig besetzten Abend ins dbb forum berlin ein, unter anderemmit dem für Beschäftigung und soziale Rechte zuständigen EU-Kommissar Nicolas Schmit, Anton Hofreiter, MdB, Bündnis90/Die Grünen, und der Präsidentin der Europäischen Bewegung, Linn Selle. Das ausführliche Programm des Europäischen Abends findet sich auf der dbb Homepage. Anmeldungen sind über die Europa-Union möglich. 31. Europäischer Abend Mittwoch, 19. April 2023 Foto: dbb E U R O P Ä I S C H E R A B E N D Fachkräftemangel in Europa. Wie gelingt die EU-Migrationspolitik? © dbb Die übrigen Punkte des Migrations- und Asylpakets stocken jedoch, da innerhalb der EU-Mitgliedstaaten hierüber kein Konsens herrscht. Insbesondere die Verordnung über das Asyl- und Migrationsmanagement, die Verordnung zur Bewältigung von Migrationskrisen und Fällen höherer Gewalt und die Modernisierung der EU-Datenbanken kommen derzeit nicht voran. Gerade durch Letztere soll ein obligatorisches Screening vor der Einreise eingerichtet werden, das eine Identifizierung, Gesundheits- und Sicherheitsüberprüfungen, die Abnahme von Fingerabdrücken und die Registrierung in der Eurodac-Datenbank gewährleisten soll. Diese EU-Rechtsakte scheitern derzeit jedoch am fehlenden Konsens bezüglich der grundlegenden Akzeptanz einer europaweiten Verteilung von Fällen. Wie in Deutschland konzentriert sich die Debatte in vielen EU-Mitgliedstaaten daher auf die Frage des finanziellen Ausgleichs zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Dies löst jedoch keine Probleme der Migration in die EU, hängt aber zumindest eng mit der Frage nach einer menschenwürdigen Behandlung von Migranten und Flüchtlingen zusammen. Behandlung von Migranten und Flüchtlingen Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gibt EU-weit geltende Mindeststandards für die Behandlung aller Asylsuchenden und die Bearbeitung aller Asylanträge vor. Trotzdem setzen einige Länder auf eine harte Linie und verweigern Migranten und Flüchtlingen den Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und anderen sozialen Leistungen. Andere Länder setzen sich für eine menschlichere Behandlung ein und fordern, dass Migranten und Flüchtlinge dieselben Rechte wie EU-Bürger erhalten sollten. Gerichtsentscheidungen, nach denen Ausländerbehörden Personen aufgrund der dortigen schlechten humanitären Situation nicht in andere EU-Staaten zurückschicken, haben das DublinSystem zusätzlich ausgehebelt. Um hier ein einheitliches Schutzniveau zu erreichen, soll die Anerkennungsrichtlinie durch eine Verordnung ersetzt werden, die Schutzstandards und die Rechte der Asylsuchenden harmonisiert. Ebenso soll die Richtlinie über Aufnahmebedingungen reformiert werden, um sicherzustellen, dass Asylsuchenden harmonisierte und menschenwürdige Aufnahmestandards zuteilwerden. Letzten Endes hat sich die EU zum Ziel gesetzt, einen ständigen Neuansiedlungsrahmen zu schaffen. Obwohl diese Maßnahmen der EU richtig und auch im Rahmen des oben beschriebenen Spannungsfeldes ausgewogen sind, werden sie bei den Mitgliedstaaten nur Erfolg haben, wenn die Themen „Grenzsicherung“ und „Finanzierung“ stärker in die Rechtssetzung der EU einbezogen werden. Migration, Schutz und Sicherheit Der EU und den Mitgliedstaaten muss es gelingen, die vorgelegten Reformpakete zügig zu beschließen und umzusetzen. Für die Bereitschaft zu einer Lastenverteilung ist es für viele EUMitgliedstaaten wesentlich, dass die Außengrenzen der EU zugleich effektiv geschützt werden. Hier wird es trotz der Gefahr, dass die EU als Festung wahrgenommen wird, nicht ohne eine neue qualitative Grenzsicherung gehen. Deutlich gesagt werden muss, dass die EU ihre Landgrenzen mit festen Grenzschutzanlagen und hinreichend Personal sichern muss. Ihre maritimen Grenzen kann sie nur durch eine vorverlagerte Überwachung, insbesondere vor der nordafrikanischen Küste, erreichen. Entsprechende Missionen dienen in erster Linie auch dem Schutz von Bootsflüchtlingen und müssen militärisch abgesichert werden. Alle Aufgaben einer gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik werden aber nur einen Konsens finden, wenn ein erheblicher Teil der Kosten auch über den EU-Haushalt getragen wird. Dies bezieht die Unterstützung nordafrikanischer Staaten mit ein. Im Ergebnis darf in der aktuellen Debatte nicht die Chance verpasst werden, die EU-Asyl- und -Migrationspolitik auf ein neues rechtliches und tatsächliches Fundament zu stellen. Auch die Angst vor dem emotionsgeladenen Thema der Grenzsicherung darf einen Konsens nicht verhindern. Prof. Dr. Patrick Sensburg, Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) NRW Informationen in neuem Gewand Der Gastbeitrag von Patrick Sensburg wird auch in der neuen Ausgabe der dbb europathemen erscheinen, die einen Relaunch erfahren und sich mit neuer Internetseite präsentieren. Senden Sie einfach eine E-Mail an europathemen@dbb.de, um die dbb europathemen bereits jetzt kostenlos zu abonnieren. dbb europathemen 32 INTERN dbb magazin | April 2023

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