dbb magazin 1-2/2023

EUROPA EU-Sanktionen gegen Russland Keine Kontrolle ohne Verwaltung Sanktionen gegen Drittstaaten, Einzelpersonen oder Organisationen sind ein diplomatisches Zwangsmittel. Sie werden eingesetzt, um Abweichungen von internationalen Regeln und Usancen zu bestrafen. Dabei geht es zumeist umWirtschafts- und Finanzbeziehungen. Im Idealfall führen Sanktionen zu einer Verhaltenskorrektur. Im Fachjargon werden Sanktionen als restriktive Maßnahmen bezeichnet. Für die Überwachung dieser Maßnahmen und die Ahndung von Verstößen sind unter anderem die mitgliedstaatlichen Behörden zuständig. Da restriktive Maßnahmen zumeist auch die Handels- und die Zollpolitik betreffen – für beide Politikfelder ist Brüssel zuständig –, werden Sanktionen nicht mehr auf nationaler Ebene verhängt, sondern gemeinsam auf der europäischen. Die EU hat die dafür notwendigen Rechtsgrundlagen in ihren Verträgen geschaffen. Dies ist auch im Sinne der Wirksamkeit ihrer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, wobei die Mitgliedstaaten dort nach wie vor das Sagen haben. Der Krieg, den Russland mit seinem Überfall auf die Ukraine vom Zaun gebrochen hat, war auch insofern eine Zeitenwende, als Sanktionen gegen einen Drittstaat lange nicht mehr so viel Aufmerksamkeit fanden. Was Wunder, sind doch deren Folgen aufgrund der fatalen Rohstoffabhängigkeit vieler EU-Staaten und besonders Deutschlands von Russland auch innerhalb der EU sehr hoch. Die nach 2014 verhängten restriktiven EU-Maßnahmen gegen Russland waren noch recht zahnlos. Sie folgten auf die widerrechtliche russische Annexion der Krim und Moskaus Unterstützung von Separatisten im Donbass. Sie hatten noch keine großen Auswirkungen, weder in Russland noch in Europa. Die in Europa Verantwortlichen, besonders auch die deutsche Bundesregierung, verkannten die Dimension der Putin’schen Politik und die damit einhergehende Bedrohung. Mit Beginn des massiven russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 ist das anders geworden. Die Europäer verabschiedeten seither eine ganze Reihe von Sanktionspaketen, die nicht nur Einzelpersonen, sondern die russische Wirtschaft insgesamt erheblich treffen sollen. Ob das so ist beziehungsweise in welchemMaße das in welchen Zeiträumen wirksam geschieht, bleibt umstritten, denn Russland verzeichnet auch dank der explodierten Rohstoffpreise weiterhin hohe Einnahmen, auch aus EU-Staaten. Große Konsequenz bei den Sanktionen zeigen EUMitglieder wie Polen und die baltischen Staaten, während andere weiterhin bestimmte Rohstoffe aus Russland beziehen. Die Frage der Wirksamkeit der beschlossenen Sanktionen stellt sich aber auch in anderer Hinsicht. Denn deren Durchsetzung hängt nicht zuletzt davon ab, wie ernsthaft sie von staatlichen und nicht staatlichen Akteuren in den Mitgliedstaaten eingehalten werden. Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass es zu vielfachen Verstößen kommt, die kaum geahndet werden. Der Rat der Europäischen Union hat sich darauf verständigt, dass dies nicht so Foto: Vichaya Kiatying-Angsulee/Colourbox.de 32 INTERN dbb magazin | Januar/Februar 2023

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