dbb magazin 1-2/2023

INTERVIEW Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender des dbb beamtenbund und tarifunion Uns stehen ein paar harte Kämpfe bevor dbb Chef Ulrich Silberbach gibt einen Ausblick auf die kommenden fünf Jahre und schwört die Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf Auseinandersetzungen mit der Politik ein, die großen Zusammenhalt erfordern werden. Herr Silberbach, beim Gewerkschaftstag im November 2022 und der Jahrestagung im Januar 2023 sind Sie hart mit der Politik ins Gericht gegangen. Ihr Ton ist da zuletzt deutlich schärfer geworden oder täuscht das? Das täuscht nicht. Der dbb hatte und hat immer noch das Selbstverständnis eines konstruktiven Partners der Politik. Aber wir leben in außergewöhnlichen Zeiten und stehen vor immensen Herausforderungen. Wer in diesen Tagen im Land unterwegs ist und mit den Menschen spricht, der merkt: Es ist etwas im Umbruch. Krieg, Energiekrise, Inflation, Fachkräftemangel, Klimawandel … es brennt an alle Ecken und Enden. Wir alle wissen, dass sich viele Dinge schnell verändern werden, ja, verändern müssen. Politik benennt zwar die Probleme, aber bietet viel zu wenige konkrete Lösungen – und damit meine ich Regierungs- und Oppositionsparteien in Bund und Ländern gleichermaßen. Politisches Klein-Klein statt Verantwortung fürs große Ganze. Den Frust darüber spürt man überall in der Republik, und das ist gefährlich. Sie haben seit der dbb Bürgerbefragung im letzten Jahr ja immer wieder betont, dass dadurch das Vertrauen in die Demokratie beschädigt wird. Nicht nur das. Ich rede auch von ganz konkreter Gefahr für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Sie bekommen doch bereits heute als erste zu spüren, wenn der Staat nicht funktioniert. Und da sind traurige Gewaltexzesse gegen Einsatzkräfte wie jetzt an Silvester nur die Spitze des Eisbergs. Der Frust entlädt sich jeden Tag in Form von Beschwerden, Beleidigungen über Tätlichkeiten bis eben hin zu gnadenloser Gewalt – wie gerade wieder die schreckliche und todbringende Attacke in einer Schule gezeigt hat. Beim Fahrpersonal, wenn Busse und Bahnen reihenweise ausfallen. Bei Erzieherinnen und Erziehern, wenn die Kita mal wieder vorzeitig schließen muss. Bei Pflegekräften, wenn sie die Menschen nur noch notdürftig versorgen können. Bei Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern in der Stadtverwaltung, wenn über einen Antrag monatelang nicht entschieden wird. Ganz abgesehen davon, dass solche Zustände natürlich auch Gift für die Arbeitsmoral der Kolleginnen und Kollegen sind. Stand heute sieht es auch nicht aus, als ob schnelle Besserung in Sicht wäre. Im Gegenteil: Durch die eben genannten Krisen droht unser Wohlstand erstmalig seit Ewigkeiten zu sinken. Das wird zu Verteilungskämpfen führen und die Gesellschaft in vielerlei Hinsicht auf die Probe stellen. Einen Vorgeschmack dürften da die beiden großen Einkommensrunden in diesem Jahr bieten, oder? Die erste Runde der Verhandlungen mit Bund und Kommunen wird vorbei sein, wenn dieses Interview erscheint, zwei weitere Folgen. Im Herbst startet dann die Einkommensrunde mit den Ländern. Definitiv. Das wird zäh. Aber wir werden ein anständiges Ergebnis erreichen, wenn wir alle zusammenhalten und genügend Druck auf die Straße bekommen. Und mein Gefühl bei den dbb Branchentagen zur Forderungsfindung war, dass die Kolleginnen und Kollegen sehr genau wissen, um was es geht. Die Lebenshaltungskosten haben sich dramatisch erhöht, und der größte Teil der Beschäftigten arbeitet im einfachen und mittleren Dienst und wird eben nicht wie ein Staatssekretär bezahlt. Ich vermute, dass die Bundesinnenministerin Nancy Faeser und die Präsidentin der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge, früher oder später eine relativ hohe einmalige Sonderzahlung anbieten werden. Die Bundesregierung ermöglicht hier ja steuer- und abgabenfreie Beträge bis 3000 Euro. Das ist kurzfristig sicherlich für viele Beschäftigte verlockend, aber wir sehen das kritisch. Erst mal brauchen wir einen langfristigen Inflationsausgleich durch eine angemessene lineare Erhöhung der Einkommenstabellen. Wenn die Arbeitgebenden dann on top Sonderzahlungen leisten wollen, wehren wir uns natürlich nicht. © Andreas Pein 20 FOKUS dbb magazin | Januar/Februar 2023

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