dbb magazin 12/2022

Der öffentliche Dienst wird auch weiterhin ein sicherer und attraktiver Arbeitgeber bleiben. In Ihrem direkten Einflussbereich, dem Dienstrecht des Bundes, gibt es hinsichtlich der Attraktivität des Staatsdienstes noch einige andere offene Baustellen: Die Bundesbesoldung an die verfassungsrechtlichen Vorgaben anpassen, die Weiterentwicklung der Familienbesoldung prüfen, die Wegstreckenentschädigung aktualisieren, die Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage einführen und nicht zuletzt die überfällige Absenkung der Wochenarbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes. Warum gibt es hier allenfalls überschaubare Fortschritte? Die erforderliche Anpassung der Bundesbesoldung an die Beschlüsse des BVerfG vom 4. Mai 2020 ist eine Herausforderung, der wir uns stellen. Allerdings gilt gerade hier: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in den vergangenen Jahren in verschiedenen Entscheidungen eingehend mit der Frage der Amtsangemessenheit der Alimentation befasst. Es geht also nicht nur um die Umsetzung der Beschlüsse vom 4. Mai 2020, sondern um ein in sich stimmiges Gesamtkonzept. Ein solches Konzept wirft eine Reihe dienstrechtspolitischer wie verfassungsrechtlicher Fragen auf, die zunächst abschließend zu klären sind. Daneben sind natürlich immer auch haushälterische Gesichtspunkte mit in den Blick zu nehmen. Die erforderlichen Vorabstimmungen, auch mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium der Justiz, sind inzwischen weit fortgeschritten, sodass ein entsprechender Gesetzentwurf, mit dem auch die Prüfergebnisse zur Familienalimentation umgesetzt werden, hoffentlich bald auch den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften im Rahmen ihrer Beteiligungsrechte übermittelt werden kann. Zur Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage habe ich bereits Ende April dieses Jahres einen Gesetzentwurf auf Basis der Vereinbarung des Koalitionsvertrages vorgelegt. Das Vorhaben ist mir persönlich ein sehr wichtiges Anliegen. Ich werde mich weiterhin für diesen Gesetzentwurf einsetzen. Die Bundesregierung hat im Klimaschutzprogramm 2030 eine höhere Wegstreckenentschädigung für die Nutzung privater Pkw ausgeschlossen, um auch bei Dienstreisen die wichtigen Aspekte Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit im Sinne der Klimaschutzziele zu stärken. Stattdessen werden nunmehr Kosten, die durch umweltverträgliches und nachhaltiges Reisen – wie etwa die Bahnnutzung – zusätzlich entstehen, vollständig erstattet. Die Frage der Wochenarbeitszeit muss aus meiner Sicht im Kontext der aktuellen Lage diskutiert werden. Als Bundesverwaltung liegt unser Fokus derzeit auf der Bewältigung der aktuellen Krisen und der Herausforderungen der Zukunft. Ich möchte beispielhaft die Pandemie, die Energieversorgungssicherheit nach dem russischen Angriffskrieg, die Digitalisierung und den ökologischen Umbau der Verwaltung anführen. Dafür braucht es einen leistungsstarken öffentlichen Dienst. Angesichts dieser ressourcenintensiven Aufgaben, der nach wie vor bestehenden hohen Arbeitsbelastung bei gleichzeitigem Fachkräftemangel in vielen Bereichen und der angespannten Haushaltslage sehe ich imMoment keinen Spielraum, die wöchentliche Arbeitszeit abzusenken. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, gerade auch mit Blick auf die Pflege, wird immer bedeutsamer. Und damit auch flexible Arbeitsformen und bedarfsgerechte Arbeitszeitmodelle, sowohl für die Bestandsbeschäftigten als auch für die Gewinnung von Nachwuchskräften. Wie wollen Sie diese Themen angehen? Gerade auch hinsichtlich Führungspositionen? Als öffentlicher Dienst möchten wir unseren Beschäftigten Arbeitsbedingungen anbieten, die zu ihrem persönlichen Lebensentwurf passen sowie Betreuungs- und Pflegeaufgaben berücksichtigen. Nach meiner Erfahrung ist dabei zentral, dass die Beschäftigten ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort in einem vorgegebenen Rahmen flexibel gestalten können. In der Bundesverwaltung sind wir in diesem Bereich bereits sehr gut aufgestellt: Arbeitsmodelle wie die Teilzeit, Gleitzeit oder das erweiterte Angebot für mobiles Arbeiten ermöglichen es, die Beschäftigungsbedingungen an die individuelle Lebenssituation anzupassen. Das gilt auch für unsere Führungskräfte. Nicht zuletzt durch die Coronapandemie haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Flexibilisierungsinstrumente in der Praxis sehr gut funktionieren und deren Inanspruchnahme weiterhin gefördert werden sollte. Neben dem Fachkräftemangel ist die Digitalisierung der Verwaltung ein Megathema – beide Herausforderungen hängen natürlich auch unmittelbar zusammen. Wann haben Sie das letzte Mal eine digitale Behördenleistung in Anspruch genommen und welche war das? Ich finde es gut, dass Sie den Zusammenhang zwischen Fachkräftemangel und Verwaltungsdigitalisierung so klar benennen. Nur eine Verwaltung, die die digitalen Möglichkeiten ausschöpft, die einen modernen Arbeitsplatz anbietet, ist auch auf Dauer attraktiv für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Verwaltungsdigitalisierung – man sollte wohl sagen -modernisierung – ist hier ein ganz wichtiger Attraktivitätsfaktor. Menschen, die beim Staat arbeiten, erwarten eine sichere Arbeitsperspektive, aber auch Sinnhaftigkeit in ihrer Tätigkeit. Das geht auf Dauer nur, wenn das Arbeiten selbst modern gestaltet ist. Also ohne Fax und Papierberge, dafür etwa mit modernen digitalen Kooperationsmöglichkeiten – auch auf Augenhöhe und als Partner von Bürgern und Unternehmen. Weil Sie so konkret danach fragen: Es gibt die Online-Ausweisfunktion, mit der man zahlreiche Behördengänge vermeiden kann. Ich habe das schon genutzt. Im Großen und Ganzen sieht es jedoch so aus: Das Ziel vom Onlinezugangsgesetz, bis Ende des Jahres 575 Verwaltungsleistungen auch digital über Verwaltungsportale anzubieten, Die Frage der Wochenarbeitszeit muss aus meiner Sicht im Kontext der aktuellen Lage diskutiert werden. Als Bundesverwaltung liegt unser Fokus derzeit auf der Bewältigung der aktuellen Krisen und der Herausforderungen der Zukunft. AKTUELL 9 dbb magazin | Dezember 2022

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