dbb magazin 11/2022

len Studiengang „Digitale Verwaltung“ – „dass die Nachbarn im Freistaat das nicht lustig finden, versteht sich“, meint Fandrejewski. „Diese Effekte sehen wir generell, insbesondere seitdem die Bezahlungsniveaus im öffentlichen Dienst wegen unterschiedlicher Rechts- und Tarifkreise auseinanderdriften. Natürlich gewinnen zahlungs- kräftigere Dienst- und Arbeitgebende leichter Personal als andere. Im IT-Sektor verschärft sich das unter dem enormen Konkurrenzdruck der Privatwirtschaft noch einmal“, sagt er und warnt: „Es liegt auf der Hand, dass das nicht ohne Folgen für die strukturelle Leistungsfähigkeit und das jeweilige Niveau der Daseinsvorsorge von Bund, Ländern und Kommunen bleiben wird – all das steht und fällt in den kommenden Jahren mit der Qualität der Digitalisierungskompetenz.“ Arbeitgebermarke schaffen, Digitalausbildung generalisieren und optimieren Wie also kommt der öffentliche Dienst raus aus dem „verrückten Labyrinth“ und möglichst zügig zu digitalkompetent ausgebildetem Nachwuchs in ausreichender Zahl? „Für die gezielte Ansprache junger Talente brauchen wir endlich eine einheitliche Arbeitgebermarke ‚Öffentlicher Dienst‘. Alle Gebietskörperschaften, Dienst- und Arbeitgebenden müssen hier an einem Strang ziehen und ihre Karriereangebote zentral und smart zugänglich machen“, fordert der dbb jugend-Vorsitzende. „Erforderlich sind eine gezielte Ansprache und lückenlose Navigation bis hin zum Dienstverhältnis oder Arbeitsvertrag für Interessierte. Wer den Nachwuchs von heute im Karrierelabyrinth des Staatsdienstes alleinlässt, darf sich nicht wundern, wenn der schreiend Richtung Privatwirtschaft davonläuft. Gewinnt der Staat jetzt nicht zügig junge Menschen, droht nicht nur der Daseinsvorsorge ein Kollaps. Ein schwächelnder Standortfaktor öffentlicher Dienst ohne ausreichende Digitalisierungsfertigkeiten ist Gift für die Wirtschaft, zumal in Zeiten, in denen uns eine handfeste Rezession droht“, mahnt Fandrejewski. Flankierend zur Rekrutierung müssten digitale Aspekte generell Einzug in die Verwaltungsausbildung halten. Idealerweise könne man sich bundesweit auf einheitliche Standards bei Digitalisierungs- und IT-Kompetenzen einigen, regt Fandrejewski an und kritisiert: „Es kann doch nicht angehen, dass in den Verwaltungsstudiengängen drei EDV-Zeitstunden in drei Jahren und der Umgang mit einer Word-Datei das höchste der Gefühle sind – da wiehert der Amtsschimmel!“ In der Ausbildung müsse sich niederschlagen, dass „ohne digital nichts mehr geht“. Digitalisierung sei eine Querschnittskompetenz, die „schon im Grundstudium prüfungsrelevant vermittelt werden muss. Punkt“. Auch die Ausbildungsbedingungen beim Staat bräuchten ein flächendeckendes Digital-Update: „Bei großen Supermarktketten bekommen alle Azubis einen eigenen Laptop, Internet-Flat und digitale Ausbildungsunterlagen inklusive. Warum nicht bei Vater Staat?“, fragt Fandrejewski. „Je nach Kassenlage gibt es das schon hier und da, aber selbst an der Hochschule des Bundes mussten sich die Studierenden bis vor Kurzem noch WLAN-Karten à 200 MB beschaffen und um jede Online-Lizenz für die vom ersten Tag an zwingend erforderlichen Rechtsportale wie Beck oder juris feilschen. Oder kiloweise Papier mit sich schleppen“, berichtet der dbb jugend-Vorsitzende. Was bleibt? Resilienz und Hilfe zur Selbsthilfe Bis sich die Zustände und vor allem die Digitalisierungsperformance der Verwaltung bessern, bleiben dem öffentlichen Dienst und seinen Beschäftigten also weiterhin vor allem das Üben in Resilienz und, natürlich, Hilfe zur Selbsthilfe. Immerhin kann auch bei Letzteremmittlerweile auf ein wachsendes Angebot zurückgegriffen werden: Die Digitalakademie – 2021 gegründet als Teil der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BaköV) im heutigen Bundesministerium des Innern und für Heimat – unterstützt die Verwaltungen „in ihrer digitalen Transformation mit modernsten Qualifizierungsmaßnahmen“. Digitalisierung, Big Data, E-Beschaffung, Führung, NewWork und Change finden sich in der Lernwelt „für ein behördenübergreifendes Lernen und Vernetzen“. Doch merke: „Das Fortbildungsportal ist nur über die Netze des Bundes erreichbar und nur für Bundesbedienstete nutzbar.“ Alle anderen Weiterbildungswilligen können sich wenigstens den OnlineLernreisen der Akademie anschließen – kurzweilige Videoclips, die Digitalisierung erklären und Aspekte moderner Verwaltung skizzieren. Nicht ganz so zugangsbeschränkt ist die Online-Bildungsplattform eGov-Campus, ein vom IT-Planungsrat gefördertes Projekt. Hier finden Interessierte kostenlose digitale Lernmodule und Ringvorlesungen auf Hochschulniveau rund um das Thema E-Government und Verwaltungsinformatik. Auch ein Überblick über das E-Government-Studienangebot an deutschen Hochschulen ist in Arbeit. Britta Ibald 46 600 IT-Fachkräfte zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) Im öffentlichen Dienst von Bund, Ländern und Kommunen fehlen Zehntausende IT-Fachkräfte. Allein für die Entwicklung digitaler Prozesse, deren Implementierung und Pflege im Zuge des Onlinezugangsgesetzes (OZG) werden Experten zufolge rund 46600 ITler*innen benötigt, rechnete eine Projektgruppe von MBA-Studierenden der European School of Management and Technology (ESMT), dem Institut für den öffentlichen Sektor und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG Ende 2020 aus. Gesucht Bei großen Supermarktketten bekommen alle Azubis einen eigenen Laptop, InternetFlat und digitale Ausbildungsunterlagen inklusive. Warum nicht bei Vater Staat? FOKUS 25 dbb magazin | November 2022

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==