dbb magazin 11/2022

Das Problem ist, dass auch im öffentlichen Dienst die Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer noch ein Hindernis ist. Viele Frauen arbeiten Teilzeit, das darf aber nicht länger ein Karrierehemmnis sein. Wir brauchen daher eine faire Verteilung von Sorgearbeit, und dafür müssen wir die Rahmenbedingungen schaffen. Klar ist: Immer mehr Frauen wollen Familie und Karriere. Sie wollen Verantwortung für ihre Kinder und im Beruf übernehmen. Nur elf Prozent der Führungskräfte im höheren Dienst arbeiten aktuell in Teilzeit, 73 Prozent davon sind Frauen. Führen in Teilzeit ist im öffentlichen Dienst genauso wie in der freien Wirtschaft noch die Ausnahme. Gemeinsammit der dbb bundesfrauenvertretung wollen wir das mit demModellprojekt „Führen in Teilzeit“ ändern. Ziel ist es, Teilzeitmodelle als Standardarbeitsverhältnisse anzuerkennen, beginnen wollen wir mit den obersten Bundesbehörden. Mein Ministerium nimmt da übrigens eine Vorreiterrolle ein: Es hat von allen Ressorts den höchsten Frauenanteil an allen Leitungsfunktionen: 62 Prozent. In 20 der 23 obersten Bundesbehörden sind aber immer noch weniger Frauen als Männer in Führungspositionen beschäftigt. Das zeigt: Der Weg ist noch lang. Es heißt, die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf sei gerade für junge Menschen wichtig, außerdem suchen viele von ihnen nach einem sinnstiftenden Job mit gesellschaftlichem Mehrwert. In diesen Bereichen kann der öffentliche Dienst punkten. Aber reicht das, um den Nachwuchsmangel im Staatsdienst zu bewältigen? Ich freue mich, dass das Bundesfamilienministerium und seine Behörden attraktive Arbeitgeber sind. Dabei spielt neben der Sicherheit des öffentlichen Dienstes auch eine Rolle, dass die Beschäftigten sich in unsere gesellschaftspolitischen Aufgaben einbringen wollen. Ob Demokratieförderung oder Gleichstellung, Familien- oder Jugendpolitik, unsere Themen sind ganz nah dran an den Menschen in unserem Land. Daneben ist aber auch wichtig, dass wir imMinisterium selbst leben, was wir für richtig halten: Schon seit Jahren – und nicht erst seit der Pandemie – bieten wir viele individuell zugeschnittene Modelle flexibler und mobiler Arbeit. Allerdings gibt es auch bei uns Bereiche, in denen uns die Gewinnung qualifizierter Beschäftigter immer schwerer fällt, etwa in der IT. Ein weiterer Aspekt zum Thema „Vereinbarkeit“: Der von IhremMinisterium eingesetzte unabhängige Beirat für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, dem auch der dbb angehört, hat ein Konzept zur Ausgestaltung einer steuerfinanzierten Entgeltersatzleistung für pflegende Angehörige erarbeitet. Gibt es schon konkrete Pläne, wann und wie das Vorhaben umgesetzt wird? Die Weiterentwicklung der Familienpflegezeit und die Einführung eines Familienpflegegeldes sind von größter Bedeutung und haben eine gesamtgesellschaftliche Dimension. Wir wollen hier einen sozialpolitischen Paradigmenwechsel herbeiführen. In meinemMinisterium wird deshalb mit Hochdruck an der Umsetzung gearbeitet. Ein erstes Eckpunktepapier zum künftigen Familienpflegezeitgesetz wird gerade erarbeitet. Ein funktionierende Kitalandschaft ist nicht nur wichtig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung in den ersten Lebensjahren sind vor allem entscheidend für die spätere Entwicklung der Kinder. Die Bundesregierung will deshalb eine Gesamtstrategie gegen den Fachkräftemangel in Erziehungsberufen entwickeln. Welche Bausteine sind dafür aus Ihrer Sicht zentral? Und welche konkreten Schritte sind geplant, um nicht nur den Umfang, sondern auch die Qualität der frühkindlichen Bildung sicherzustellen? Gut ausgebildete und motivierte Erzieherinnen und Erzieher sind Garanten dafür, dass Kitas auch ihre Aufgabe als frühkindliche Bildungsstätten erfüllen. Allerdings fehlt in vielen Kitas Personal, deshalb entwickelt der Bund gemeinsammit den Ländern und weiteren Akteuren eine Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung in den Erziehungsberufen. Damit wollen wir die Aus- und Weiterbildung stärken, Karrierechancen schaffen, finanzielle Hürden in der Ausbildung abbauen und die Arbeitsbedingungen verbessern. Mit dem Kita-Qualitätsgesetz stellen wir außerdem 2023 und 2024 insgesamt vier Milliarden Euro zur Verfügung. Damit können die Länder die Rahmenbedingungen für die Fachkräfte und die Qualität der Angebote verbessern, zum Beispiel mit besseren Personalschlüsseln oder der Qualifizierung von Fachkräften. Das nächste Ziel ist dann ein Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards für die Kindertagesbetreuung. Chancengerechtigkeit beginnt mit qualitativ guter frühkindlicher Bildung und darf nicht vomWohnort abhängig sein. In Deutschland setzen sich jährlich etwa 31 Millionen Menschen ehrenamtlich für die Gesellschaft ein, auch zum Beispiel in Gewerkschaften. Haben Sie Pläne, dieses Engagement zu unterstützen, etwa mit einem gesetzlichen Anspruch auf Sonderurlaub beziehungsweise Dienst-/Arbeitsbefreiung für ehrenamtliche Tätigkeiten? Und wie kann sichergestellt werden, dass die dort erworbenen vielfältigen Fähigkeiten im Beruf auch Anerkennung finden? Ich finde es großartig, dass sich in unserem Land so viele Menschen freiwillig engagieren und für andere einsetzen, ob im Sportverein, in der Nachbarschaftshilfe oder bei der Unterstützung von Geflüchteten. Mein Ministerium fördert das ehrenamtliche Engagement und will auch Menschen, die einer Beschäftigung nachgehen, für eine ehrenamtliche Tätigkeit begeistern. Für die Bundesbeschäftigten haben wir zum Beispiel gute Regelungen, die die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten durch Gewährung von Sonderurlaub oder Arbeitsbefreiung unterstützen und anerkennen. Vergleichbare Vereinbarungen durch die Tarifpartner wären passgenauer, als es eine allgemeine gesetzliche Regelung sein könnte. ■ Auch im öffentlichen Dienst ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer noch ein Hindernis. Wir brauchen eine faire Verteilung von Sorgearbeit. FOKUS 17 dbb magazin | November 2022

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