dbb magazin 7-8/2022

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Tarifeinheitsgesetz bleibt Fall für die Gerichte Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 5. Juli 2022 seine Entscheidung zu Individualbeschwerden des dbb und weiterer Gewerkschaften gegen das Tarifeinheitsgesetz (TEG) veröffentlicht. Demnach liegt kein Verstoß gegen die Grundrechte auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit aus der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vor. Aus Sicht des dbb wird das TEG aber weiter für Unfrieden sorgen. Wir hätten uns eine klare Bestätigung unserer Rechtsauffassung gewünscht, denn das TEG ist unbestreitbar ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht auf die Koalitionsfreiheit einzelner Beschäftigter und in die Tarifautonomie“, sagte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach in einer ersten Reaktion auf die Entscheidung des EGMR. „Zudem sind die auch vom Bundesverfassungsgericht erkannten Schwierigkeiten der Ermittlung, wer wo die meisten Mitglieder hat, bis zum heutigen Tag nicht geklärt“, kritisierte Silberbach. „Die Gewerkschaften werden in Anbetracht der Rechtslage ihr Werben umMitglieder massiv verstärken und ausweiten. Das TEG sorgt in der Tariflandschaft also weiter für Unfrieden, Chaos und Ungerechtigkeit und bleibt ein Fall für die Gerichte. Das ist das Gegenteil von all dem, was der Gesetzgeber mit dieser überflüssigen Normierung der bislang funktionierenden Sozialpartnerschaft erreichen wollte. Vor diesem Hintergrund wäre es verantwortungsvoll, die Fehlentscheidung zu diesem Gesetz zu revidieren und es vernünftigerweise dorthin zu befördern, wo es hingehört: in den Papierkorb.“ Silberbach hob hervor, dass die Entscheidung des EGMR nicht einstimmig war und zwei Richter in einer gesonderten Stellungnahme ausführlich erläuterten, dass mit dem TEG durchaus unverhältnismäßig in Grundrechte Arbeitnehmender eingegriffen werde. „Wie die Sondervoten zweier Richter imUrteil des Bundesverfassungsgerichts, zeigt die Straßburger Stellungnahme, dass unsere Rechtsauffassung auch höchstrichterlich geteilt wird“, so Silberbach. Hintergrund Im Dezember 2017 hatte der dbb gegen das ursprüngliche Tarifeinheitsgesetz Beschwerde vor dem Straßburger Gerichtshof erhoben. Durch den Urteilsspruch des BVerfG am 11. Juli 2017 stand der Weg zum EGMR (Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte) offen. Die Individualbeschwerde richtet sich, wie auch zuvor die erste Verfassungsbeschwerde im Jahr 2015, gegen das im Juli 2015 in Kraft getretene Tarifeinheitsgesetz vom 3. Juli 2015. Nicht nur der dbb hatte diesen Rechtsweg beschritten, auch die im dbb organisierte Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und der Marburger Bund hatten Beschwerden gegen das TEG in Straßburg eingereicht. ■ „Der öffentliche Dienst muss Krisenmanager sein, nicht Krisenherd“, forderte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach anlässlich des „Zukunftskongress Staat & Verwaltung“ am 21. Juni 2022 in Berlin. „Egal wohin wir schauen – Personal, Ausstattung, Digitalisierung, Arbeitsprozesse: Es knirscht an allen Ecken und Enden und das seit Jahrzehnten“, kritisierte der dbb Chef. „Die Beschäftigten tun, was sie kön- nen, aber zaubern können auch sie nicht“, betonte Silberbach. „Deswegen brauchen wir jetzt umgehend einen Modernisierungs- und Investitionsschub, ein großer Teil davon muss im Feld Digitalisierung erfolgen.“ Der Vermutung, dass das Beamtenrecht in Deutschland ein Hemmschuh bei der Gewinnung insbesondere von IT-Fachkräften für den öffentlichen Dienst sein könnte, erteilte Friedhelm Schäfer, dbb Vize und Fachvorstand Beamtenpolitik, anlässlich des Zukunftskongresses eine klare Absage. „Mit der Schaffung geeigneter Laufbahnen wurden ausreichende Möglichkeiten geschaffen, IT-Fachkräfte in den attraktiven Beamtenstatus aufzunehmen.“ Zukunftskongress Der „Zukunftskongress Staat & Verwaltung“ ist eine jährlich stattfindende Leitveranstaltung des Public Sectors für Digitalen Wandel. Vom 20. bis 22. Juni 2022 diskutierten Expertinnen und Experten die Herausforderungen, die Politik mit Blick auf Digitalisierung und Verwaltung künftig lösen muss. Zukunftskongress: öffentlicher Dienst als Krisenmanager Foto: Proxima Studio/Colourbox.de AKTUELL 7 dbb magazin | Juli/August 2022

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