dbb magazin 7-8/2022

habe ich einen Tritt in die Hüfte bekommen und bin mit der anderen Hüfte auf den Bordstein gefallen.“ Wenn man nichts sehe und noch einen Tritt abbekomme, dann werde einem schon anders, sagt Jan Quente. Doch da war noch die umgerannte Kollegin, die schreit. „Ich habe mich aufgerappelt, habe sie am Kragen gepackt und zur Seite gezogen.“ In Sicherheit. Wer beim Staat arbeitet, kann jeden Tag zum Opfer verletzender Gewalt werden Die Stuttgarter City ist an diesem Tag Schlachtfeld – so wie eine Amtstube zum Tatort, eine Amtshandlung zumMordmotiv werden kann. Wer beim Staat arbeitet, muss sich heute klar sein: Jeden Tag kann sie oder er Opfer verletzender, gelegentlich tödlicher Gewalt werden. Manchmal kommt der Mörder auch nach Hause. In den letzten zehn Jahren ist die Liste der schweren Straftaten lang geworden. In einem Haus am Kanalweg in Karlsruhe tötet ein 53-Jähriger einen Gerichtsvollzieher, einen Schlosser, einen Wohnungskäufer, die eigene Lebensgefährtin und begeht Suizid. Der Gerichtsvollzieher wollte die Pfändung der Räume durchsetzen. In Schleswig stirbt die Sachbearbeiterin der Führerscheinstelle, die einem Lkw-Fahrer die Fahrerlaubnis verweigert hatte. Ein 74-Jähriger bringt den Landrat von Hameln um und dann sich selbst. Ein „Reichsbürger“ trifft im bayerischen Georgsgmünd mit seiner Waffe einen Polizeibeamten tödlich und verletzt zwei schwer. Ein Finanzbeamter in Rendsburg erliegt den Schüssen aus der Pistole eines überschuldeten Lokalpolitikers. Die 32-jährige Mitarbeiterin des Jobcenters im rheinischen Neuß überlebt den Angriff nicht, als sie ein Kunde in blinder Wut ersticht. „Selbst schuld“, hat der Täter noch gerufen. Kurze Zeit darauf in Rothenburg ob der Tauber: wieder Jobcenter. Wieder Messer. Keine Überlebenschance. Unter dem Eindruck solch massierter Kriminalität hat die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Jahrestagung des Deutschen Beamtenbundes in Köln 2017 Alarm geschlagen: Die Opfer aus dem Staatsdienst seien „mit Haß konfrontiert. Sie werden bedroht. Die gesamte Gesellschaft muss dagegen aufstehen. Davon hängt unsere Lebensqualität ab.“ Zeigte der Kanzlerin-Appell irgendwann Wirkung? Sind seither die Jobs beim Staat sicherer geworden? Wurde weniger getrampelt, gestochen, geschossen, geschlagen und, ja, auch bespuckt und gepöbelt? Fakten sprechen gegen eine erhoffte Kehrtwende. Zwischen 2012 und 2020 stieg die Zahl der Angriffe alleine gegen Polizeibeamte um 42 Prozent. Noch vor wenigen Monaten kostete im Saarland eine Verkehrskontrolle einer 24-jährigen Polizeischülerin und ihrem 29-jährigen Kollegen das Leben. Ein Fahrer hat sie gezielt erschossen. „Sie hat für den Beruf gebrannt“, sagte der Chef der Polizeischule im Nachruf über die Tote. Und 2020 machte eine Juninacht jungen Polizisten – wieder in Stuttgart – klar, dass das Straßenklima ins Raue gekippt ist. Nach der Drogenkontrolle bei „Er hat die Tür festgehalten und uns bedrängt. Dabei mussten wir uns doch um unseren Patienten kümmern. Wir haben uns im Fahrzeug verbarrikadiert und die Polizei alarmiert.“ Tobias Kleinod, Berufsfeuerwehrmann Münster © Charlotte Beck (2) FOKUS 19 dbb magazin | Juli/August 2022

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