dbb magazin 12/2021

Onlinezugangsgesetz & Co. Wie smart ist der Staat? Eigentlich verpflichtet das 2017 verabschiedete Onlinezugangsgesetz (OZG) den Bund, die Länder und die Gemeinden, bis Ende des Jahres 2022 insgesamt 575 Verwaltungsleistungen – von A wie Abfallentsorgung bis Z wie Zweitwohnungssteuer – elektronisch über Verwaltungsportale anzu- bieten. Die Umsetzung bleibt aber deutlich hinter den Erwartungen zurück. D as war eine 5 minus auf der offiziellen Schulnotenska­ la, die der Normenkontrollrat der Verwaltungsdigitali­ sierung in Deutschland Anfang September bescheinig­ te: „Von 575 OZG-Leistungsbündeln werden derzeit 381 aktiv bearbeitet. Von diesen 381 befinden sich 139 in der Planungs- und 188 in der Umsetzungsphase. 54 Einzelleistungen sind mindestens in einer Kommune online, 16 davon flächen­ deckend, das heißt in mindestens der Hälfte der Bundesländer. Von den 16 sind 14 Bundes- und zwei Landesleistungen. Formal ist das OZG dann umgesetzt, wenn aus die- sen 16 Leistungen 575 ge­ worden sind. Dies ist bis Ende 2022 nicht mehr zu schaffen“, lautete die nüch­ terne Zusammenfassung im 6. „Monitor Digitale Ver­ waltung“ – nach vier Jahren Umsetzungsarbeit. Trotz dieser verheerenden Bestandsaufnahme wurde es keine glatte 6 – der Nor­ menkontrollrat mühte sich, auch die positiven Effekte des Unterfangens festzuhalten: Das OZG und die rechtliche Vorgabe, bis Ende 2022 alle relevanten Verwaltungsleistungen deutschlandweit digital anzubieten, hät­ ten zu einer erheblichen Dynamik beigetragen: Gestützt durch den erkennbaren Willen des Bundes und der Länder, Verwal­ tungsdigitalisierung zu einer Priorität zu machen, wurde konst­ ruktiv zusammengearbeitet, wurden gemeinsame Umsetzungs­ strukturen geschaffen und erhebliche Mittel investiert. Messbare Ergebnisse bleiben hinter den Erwartungen „Hier hat sich vieles bewegt“, so der Normenkontrollrat, „allein die messbaren Ergebnisse in der Fläche bleiben hinter den Erwartungen zurück.“ Was empfehlen die Expertinnen und Experten also? Die OZG-Ziele und die Ausgestaltung ihrer Umsetzung sollten abgewandelt, aber nicht aufgegeben werden – es brauche weiterhin einen gesetzlich festgelegten Gradmesser für die Verwaltungsdigitalisierung. Die vielen im Umsetzungsprozess aufgeworfenen Fragen und Herausforderungen gelte es nun kon­ zeptionell zu klären und zu bearbeiten: Wie weit soll die Digitali­ sierung vom Front- auch in die Backend-Systeme der Verwaltung reichen? Welche Komponenten sollen zentral, welche dezentral entwickelt werden? Wie kann ein Höchstmaß an Transparenz über Entwicklungsstände erreicht, wie können Einer-für-Alle-Lösungen (EfA) in der Fläche nachgenutzt und Beschaffungsprozesse verein­ facht werden? Wo überall besteht Standardisierungsbedarf? Wel­ che gesetzlichen Vereinfachungsbedarfe gibt es und wie lassen sie sich zügig umsetzen? Hinzu kämen die Ertüchtigung des öffent­ lichen Datenmanagements und die Registermodernisie­ rung. Die Hoffnungen des Ex­ pert(inn)engremiums ruhen nun auf der neuen Bundes­ regierung: „Die kommende Legislaturperiode bietet die Chance, Strategien und Strukturen anzupassen und – wo nötig – neu auszurich­ ten. Eines Digitalisierungs­ ministeriums bedarf es dafür nicht. Stattdessen braucht es an den richtigen Stellen eine neue Radikalität im Denken und Entscheiden – und in jedem Fall mehr Konsequenz und Verbindlichkeit, um bei der Verwaltungsdigitalisierung einfa­ cher, schneller und nachhaltiger zu werden.“ Berufsnachwuchs: Schluss mit dem Schneckentempo „Bei der Digitalisierung seiner Verwaltung hängt Deutschland de­ finitiv hinterher“, bestätigt auch Karoline Herrmann, Vorsitzende der dbb jugend. „War es uns vor Jahren lediglich ein bisschen peinlich, in den internationalen Statistiken dazu regelmäßig auf den hinteren Rängen zu landen, ist unser Digitalisierungsrück­ stand mittlerweile zu einer existenziellen Herausforderung ge­ worden, die wir dringend angehen müssen“, warnt Herrmann. „Der digitale Staat ist eine drängende Pflichtaufgabe, von deren erfolgreicher Bewältigung die Handlungsfähigkeit der Verwal­ tung und die Zukunftsfestigkeit des öffentlichen Dienstes abhän­ gen, da gibt es gar kein Vertun.“ Spätestens mit der Corona-Krise wäre jedem klar geworden, dass ein moderner Staat digitale Ver­ waltungsleistungen anbieten, seine internen Prozesse digital­ tauglich gestalten und den Datenaustausch über Fachgrenzen und Verwaltungsebenen hinweg verbessern muss, so Herrmann. „Unser Staat wird seinem Anspruch nicht gerecht und verliert an „Die jungen Beschäftigten im öffentlichen Dienst bringen als ‚Digital Natives‘ viele Kompetenzen, die die Digitalisierung erfor- dert, bereits mit und arbeiten intuitiv und selbstverständlich mit modernster Technik. Dieses natürliche Expertenwissen junger Beschäftigter muss anerkannt und gemein- sammit dem Erfahrungswissen der Älteren verknüpft und aktiv genutzt werden.“ Karoline Herrmann, Vorsitzende der dbb jugend bund dbb magazin | Dezember 2021 26 INTERN JUGEND

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