dbb magazin 10/2021

nachrichten „Zukunftskongress Staat & Verwaltung“ Schleppende Digitalisierung ist Wettbewerbsnachteil dbb Chef Silberbach fordert mehr Tempo und flächendeckendes Engagement der Politik in Sachen Digitalisierung der Verwaltung. Auf dem „Zukunftskongress Staat & Verwaltung“ warnte er vor massiven Wettbewerbsnachteilen und präsentierte einen Forderungskatalog zur Beschleunigung der Digitalisierung. „Es kann nicht angehen, dass es eine der stärksten Industriena­ tionen der Welt nicht schafft, ihre öffentliche Verwaltung end­ lich zu digitalisieren. Weder die Bürgerinnen und Bürger, noch die Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, haben Verständnis dafür, dass es auf dieser ewigen Baustelle seit Jahrzehnten nicht vorangeht“, kritisierte der dbb Bundesvor­ sitzende Ulrich Silberbach zum Auftakt des „Zukunftskongres­ ses Staat & Verwaltung“ am 31. August 2021 in Berlin. „Wenn das Klein-Klein aus politischen Couleur-Spielchen, Ressort-Hickhack und Zustän­ digkeitsfragen so weitergeht, steht nicht weniger als die Hand­ lungs- und Leistungsfähigkeit eines wesentlichen Standort­ faktors unserer Volkswirtschaft und unseres Gemeinwesens auf dem Spiel“, warnte der dbb Chef eindringlich. Mit einem funktionierenden öffentlichen Dienst stehe oder falle die wirt­ schaftliche Wettbewerbsfähig­ keit Deutschlands – „von der frühkindlichen Betreuung und Bildung über Ausbildung, sozia­ le Sicherung, innere Sicherheit, verlässliche Finanzverwaltung und Gesundheitssystem bis hin zur Infrastruktur: Ohne den öffentlichen Dienst geht gar nichts. Kein sozialer Frieden, keine Konjunktur, kein Wohl­ stand.“ Als eine wesentliche Ursache für die mangelhafte Digita­ lisierung der Verwaltung in Deutschland sieht der dbb den dramatischen Personal- und Ausstattungsmangel in sämt­ lichen Bereichen des öffent­ lichen Dienstes. „Aktuell feh­ len dem Staat fast 330000 Mitarbeiterinnen und Mitar­ beiter, insbesondere natürlich im IT-Bereich. Damit sind wir bei der digitalen Transformati­ on meilenweit zurückgewor­ fen“, so Silberbach, der demo­ grafische Wandel verschärfe dieses Problem zusätzlich. „Wir brauchen Menschen, die die Digitalisierung umsetzen. Bei allen geplanten Maßnahmen müssen sie imMittelpunkt stehen. Ihre Ideen und Erfah­ rungen sind unabdingbar, um Reformprozesse erfolgreich umzusetzen“, betonte der dbb Chef und benannte einen kon­ kreten Forderungskatalog. < Hintergrund Beim „Zukunftskongress Staat & Verwaltung“, einer Leitver­ anstaltung des Public Sectors für Digitalen Wandel, disku­ tierten am 31. August 2021 in einer SPEZIAL-Ausgabe Exper­ tinnen und Experten in Berlin die Herausforderungen, die Politik mit Blick auf Digitalisie­ rung künftig lösen muss, unter demMotto „Deutschland 2025: Ein serviceorientierter Staat mit einer leistungsstar­ ken digitalen Verwaltung?“. Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach sprach auf dem Podium unter anderem mit dem rheinland-pfälzischen Minister für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisie­ rung, Alexander Schweitzer, Markus Richter, IT-Beauftrag­ ter der Bundesregierung (CIO Bund), und Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Jens Bormann, Präsident der Bun­ desnotarkammer und MdB Konstantin von Notz, stell­ vertretender Fraktionsvor­ sitzender von Bündnis 90/ Die Grünen im Bundestag. < dbb Forderungskatalog Mehr Tempo bei der Verwaltungdigitalisierung n Es müssen mehr IT-Fachkräfte für den Staat ausgebildet wer­ den. Dafür sollten weitere Ausbildungskapazitäten in Bund, Ländern und Kommunen geschaffen und innovative Angebote ausgebaut werden. Der vom IT-Planungsrat initiierte E-Govern­ ment-Campus als erste webbasierte, bundesweit verfügbare Bildungs- und Weiterbildungsplattformmit Online-Kursen zu aktuellen Themen der Digitalisierung im öffentlichen Sektor ist ein Schritt in die richtige Richtung. n Die Beschäftigten müssen systematisch durch passgenaue Fort- und Weiterbildungen fit für das digitale Zeitalter gemacht werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die dieses Jahr gegründete Digitalakademie für den Bund – davon braucht es mehr, insbe­ sondere auch in den Ländern und Kommunen. n Der öffentliche Dienst muss attraktiver für qualifizierte Nachwuchskräfte werden. Hierzu gehören eine zeitgemäße technische Ausstattung, flexible Arbeitszeitmodelle und eine moderne und innovative Verwaltungskultur ebenso wie eine wettbewerbsfähige Bezahlung und berufliche Perspektiven. n Die ebenenübergreifende Zusammenarbeit in Digitalisierungs­ fragen muss optimiert werden – vorzugsweise durch eine wie bereits vom Normenkontrollrat vorgeschlagene schlagkräftige Digitalisierungsagentur nach internationalem Vorbild. Die Kompetenzen und Durchgriffsrechte einer solchen Digitalisie­ rungsagentur müssten in einem Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern festgelegt werden. n Weniger Perfektionismus: In Deutschland setzen wir digitale Tools meist erst ein, wenn sie zu 110 Prozent geprüft sind. In der Zwischenzeit kommen von allen möglichen Seiten Wün­ sche, was das Instrument unbedingt noch können muss oder keinesfalls darf. Bis es dann wirklich startet, ist es meist tech­ nisch schon veraltet oder so überfrachtet, dass es gar nicht richtig funktioniert. Estland und Dänemark starten dagegen, wenn das IT-Projekt zu 60 bis 70 Prozent fertig ist, der Rest ist „learning by doing“. n Digital-Check für Gesetze: Bundesregierung und Bundestag tun zu wenig dafür, dass die Gesetze, die sie machen, auch zeitnah umsetzbar sind und die Verwaltung, Bürgerinnen und Bürger nicht frustriert zurücklassen. Zu oft werden kom­ plizierte Regelungen ohne gute digitale Umsetzbarkeit ver­ abschiedet. n Eine aufgabengerechte und zukunftsfeste Neujustierung der föderalen Zuständigkeiten, insbesondere mit Blick auf den Ka­ tastrophen- und Gesundheitsschutz, Digitalisierung, Bildungs­ standards und Innere Sicherheit, wären als zentralere Regelun­ gen wünschenswert. Foto: Colourbox.de 9 > dbb magazin | Oktober 2021 dbb

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