dbb magazin 7-8/2021

dbb forum spricht. Niemand geht gerne freiwillig mit brisanten Interna an die Öffentlichkeit“, betonte Herold und zitierte Studien, nach denen Missstände in weit über 80 Prozent der Fälle, sogar bei Aussicht auf eine hohe Be­ lohnung, erst intern angespro­ chen worden seien. Nur in je­ nen Situationen, in denen intern keine Lösung gefunden werden konnte und der Whistle­ blower am Ende alleine dage­ standen und sich gegebenen­ falls durch Repressalien in die Ecke gedrängt gefühlt habe, sei es dann zur sprichwörtlichen „Flucht in die Öffentlichkeit“ gekommen, weil keine andere Möglichkeit mehr gesehen worden sei. „Externes Whistleblowing ist immer das Resultat eines feh­ lerhaften internen Umgangs mit demMissstand – das be­ legt die Forschung eindeutig“, so Herold. Der Rechtsexperte wies darauf hin, dass man sich aktuell als Beamtin oder als Be­ amter nicht auf EU-Richtlinie zumWhistleblowing berufen könne, weil sie zunächst grund­ sätzlich vom deutschen Ge­ setzgeber in nationales Recht umgesetzt werden müsse. Die Frist hierfür laufe bis zum 17. Dezember 2021. Dombek: Hinweisgebende besser schützen Thomas Dombek war bis zu seiner Pensionierung am 1. Juli 2021 Erster Kriminalhauptkom­ missar beim Landeskriminalamt Niedersachsen und in dieser Funktion in der Korruptionsbe­ kämpfung tätig. Bereits seit dem Jahr 2003 gibt es in Nie­ dersachsen ein anonymes Hin­ weisgebersystem, das online erreichbar ist und wo im Durch­ schnitt täglich eine Meldung eingeht. „Wenn die Hinweisge­ ber nicht selbst Fehler bei der Meldung begehen, kann für Whistleblower eine hundert­ prozentige Anonymität ge­ währleistet werden“, so der Kommissar a. D. „Das LKA will vom Hinweisgeber vor allem die Informationen abschöpfen. Alle Fakten werden dann durch eigene Nachforschungen bei uns auf Anhaltspunkte für eine Straftat hin untersucht. Der Hinweisgeber soll nicht selbst ermitteln, das ist unser Job.“ Allerdings gab Dombek zu bedenken, dass nicht jeder Whistleblower mit seiner Mel­ dung „unbedingt hehre Absich­ ten“ verfolge. Im Einzelfall kön­ ne es auch umMotivationen wie Eifersucht oder Neid ge­ hen, die zu einer Meldung ech­ ter oder vermeintlicher Miss­ stände führten. „Auch darauf können unsere Ermittlungen Hinweise ergeben.“ Nach Dom­ beks Auffassung muss ein idea­ les Whistleblower-Gesetz den Schutz der einzelnen Hinweis­ gebenden sicherstellen und stärken. „Gleichzeitig müsste ein solches Gesetz auch die Auswirkungen abbilden und berücksichtigen, die vor Ort in den betroffenen Dienststellen oder privatwirtschaftlich ent­ stehen“, so Dombek. Giegold: EU-Richtlinie schnell umsetzen „Die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern geht auf eine Initiative der Grünen im EU-Parlament zurück“, erläu­ terte der Sprecher der deut­ schen Grünen im Europaparla­ ment, Sven Giegold. „Anlass war, dass wir vermehrt beob­ achten konnten, dass ganze Staaten daran scheiterten, kri­ minelle Taten aufzudecken oder auch nur lang anhalten­ der verfestigter struktureller Kriminalität wirksam zu be­ gegnen. Wenn etwas aufge­ klärt werden konnte, waren häufig Whistleblower beteiligt. Diese Personen müssen ge­ schützt werden und nicht we­ gen ihres Handelns auch noch Nachteile in Kauf nehmen.“ Für europäische Verhältnisse sei die Erarbeitung und Verab­ schiedung der Richtlinie sehr schnell erfolgt, so Giegold weiter. „Deshalb finde ich es sehr schade, dass die GroKo es wohl nicht mehr schaffen wird, die Richtlinie fristgerecht bis zum Ende des Jahres um­ zusetzen.“ Mit Blick auf den deutschen Rechtskreis erläuterte der Eu­ ropapolitiker: „Aus Sicht des Europarechts gilt bei der Um­ setzung in deutsches Recht die Regel, dass europäisches Recht nationales Recht bricht.“ Gie­ gold gratulierte dem Land Nie­ dersachsen für sein Hinweisge­ berportal und mutmaßte, dass Deutschland die Umsetzung der europäischen Richtlinie vielleicht erspart geblieben wäre, wenn andere Bundeslän­ der vergleichbare Angebote eingerichtet hätten. Für ein eigenständiges deutsches Whistleblower-Gesetz regte der Grünen-Politiker zudem an, einen Nachteilsausgleichs­ fonds einzurichten, durch den Hinweisgeber, etwa beim Ver­ lust ihrer Arbeitsverhältnisse oder anderen Problemen, fi­ nanziell unterstützt werden könnten. Jetzt aber sei es zu­ nächst wichtig, „dass die Um­ setzung der Richtlinie endlich kommt und wir in Deutschland gutes europäisches Recht nicht länger blockieren“. cri, dro, iba, zit < dbb Vize Friedhelm Schäfer und Moderatorin Ines Arland im Gespräch mit den digital zugeschalteten Experten © Jan Brenner © Romain V/Unsplash.com 11 dbb > dbb magazin | Juli/August 2021

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