dbb magazin 6/2021

online kämpfung genauso wie bei der Verwaltungsdigitalisierung – in einer Komplexitätsfalle. Da hilft auch kein Aufbauteam aus Estland. Das nötige techni­ sche und fachliche Know-how existiert auch hierzulande, motiviertes Personal sowieso. Was schmerzt und woran auch Entwicklungshelfer aus Estland schnell verzweifeln würden, sind die komplizierten Abstim­ mungsmechanismen und auf­ wendigen Kooperationskons­ trukte zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Diese Kom­ plexität aufzulösen, muss das langfristige Ziel einer Digitali­ sierungs- und Modernisie­ rungsstrategie sein.“ < Zentralisierung richtig dosieren Dennoch warnt die Studie da­ vor, das „Kind mit dem Bade“ auszuschütten. Vereinheitli­ chung, Zentralisierung und Konsolidierung könnten an der richtigen Stelle und in der rich­ tigen Dosierung helfen, die Dinge zu vereinfachen. Eine nachhaltige Lösung seien sie aber nur dann, wenn Eigenver­ antwortung, Einfallsreichtum und Wettbewerb nicht auf der Strecke bleiben. Beispiel Kon­ taktnachverfolgung: Während der Ruf nach einem einheitli­ chen und flächendeckenden Einsatz der Software SORMAS verständlich sei, sei es genauso auch der Hinweis, dass viele Gesundheitsämter bereits gut funktionierende Systeme zur Kontaktnachverfolgung haben und es vielmehr auf die Ein­ heitlichkeit der Schnittstellen und Datenstandards ankom­ me. Gleiches zeige sich bei der Diskussion um die Luca-App: „Die Politik wünscht sich der Einfachheit halber eine einheit­ liche Lösung und nimmt in Kauf, dass damit gleichwer­ tigen Lösungen der Marktzu­ gang erschwert und innova­ tionsfördernder Wettbewerb eingeschränkt wird. Die Alter­ native bestünde in der einheit­ lichen und verbindlichen Defi­ nition von Schnittstellen und Austauschformaten, die Viel­ falt erlauben, ohne im Chaos zu versinken.“ Standards seien der Schlüssel zur Komplexitätsreduktion, „sie geben Orientierung und senken Transaktionskosten“. Damit Standardisierung funktioniere, müsse sie zügig erfolgen und verbindlich sein. Nötig seien schlanke Standardfestset­ zungsstrukturen sowie die konsequente Einbindung von Praktikern in die Erstellung und Anwendung. „Wir brauchen eine Standardisierungsplatt­ form, die – gerade im OZG-Kon­ text – alle Standardisierungs­ bemühungen bündelt und auf ein industrielles Niveau hebt. Die Deutsche Industrienorm DIN kann Vorbild sein. Denn im Industriebereich ist Deutsch­ land Standardisierungswelt­ meister“, konstatiert der NKR. < dbb fordert Investitionen Auch der dbb fordert, die Defi­ zite zügig und pragmatisch zu beheben. „Durch die Corona- Pandemie sind die schon län­ ger bestehenden Defizite bei der Digitalisierung der Verwal­ tung jetzt auch für jeden sicht­ bar geworden“, betonte dbb Chef Ulrich Silberbach am 5. Mai 2021. „Die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst leisten unter den gege­ benen Bedingungen und in die­ sen schweren Zeiten hervorra­ gende Arbeit – an ihnen liegt es nicht, dass wir bei der Digi­ talisierung nicht vorankom­ men.“ Ursache für die jetzt deutlich gewordenen digitalen Defizite sei, dass man über Jah­ re den öffentlichen Dienst ka­ puttgespart habe. Es wurde viel zu wenig in die digitale Infrastruktur, die technische Ausstattung und das Personal investiert. „Das hat uns bei der digitalen Transformation meilenweit zurückgeworfen“, sagte der dbb Bundesvorsit­ zende. Bezüglich des aktuellen Stan­ des der Umsetzung des Online­ zugangsgesetzes (OZG) be­ trachtete Silberbach dessen ungewisse Umsetzung als „Alarmsignal“. Die zuständige IT-Kooperation zwischen Bund und Ländern, kurz FITKO, sei unzureichend mit Personal ausgestattet. „Es kann nicht sein, dass in einer derart wich­ tigen Behörde so eklatant viele Stellen unbesetzt sind.“ Wenn die Bundesre­ publik nach Auffas­ sung des NKR bei der Digitalisierung aufgrund kom­ plizierter Abstimmungsrunden zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie fehlender Digitaltauglichkeit von Geset­ zen in der „Komplexitätsfalle“ sitze, müsse die Antwort sein, das Kompetenzwirrwarr zwi­ schen Bund und Ländern sowie verschiedenen Behörden zu beenden: „Die Politik tut au­ ßerdem zu wenig dafür, dass die Gesetze auch zeitnah um­ setzbar sind und Verwaltung, Bürgerinnen und Bürger nicht frustriert zurücklassen“, so der dbb Chef. „Es ist sehr bedauer­ lich, dass die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode von einer generellen Einführung eines Digitalchecks für Gesetze abgesehen hat.“ Der Monitor Digitale Verwal­ tung kann unter https://bit.ly/ 3woVO0z im PDF-Format heruntergeladen werden. < Zu viele Digitalisierungsverantwortliche und komplexe Umsetzungsstrukturen hemmen die Verwaltungsdigitali­ sierung in Deutschland. © NKR 41 > dbb magazin | Juni 2021 dbb

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