dbb magazin 6/2021

europa Europäische Gesundheitspolitik Auf demWeg zur Gesundheitsunion Die COVID-19-Pandemie hat die Gesundheitssysteme in der gesamten EU auf die Probe gestellt. Von der Kapazität der Krankenhausbetten über den Zugang zu medizinischer Ausrüstung bis hin zur Sicherstellung zuverlässiger Lieferketten für lebensrettende Behandlungen kamen durch die Pandemie langjährige Schwächen der Gesundheitspolitiken und -systeme zum Vorschein. Wenngleich die Krise offenbart hat, wie sehr sich die Mitglied­ staaten in ihren Strategien der Masken- und Testpolitik unter­ scheiden können und es zu an­ haltenden Streitigkeiten um die Koordinierung der natio­ nalen Abriegelungen und ein­ seitigen Entscheidungen über Grenzschließungen kam, hat sich die Europäische Kommis­ sion bemüht, eine vereinende und zentrale Rolle bei der Be­ schaffung von Impfstoffen, Medikamenten und medizini­ scher Ausrüstung zu überneh­ men. Ohne die EU hätten die Pharmaunternehmen eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber den einzelnen Mit­ gliedstaaten gehabt. Impfstof­ fe wären teurer und unsicherer gewesen, insbesondere für die kleineren und ärmeren Mit­ gliedstaaten. Wirtschaftlich starke Staaten wie Deutsch­ land wären heute vermutlich in einer besseren Ausgangsla­ ge, wenn sie mit den Pharma­ unternehmen alleine verhan­ delt hätten. Allerdings hätten sie hiermit auch das Solidari­ tätsprinzip der Europäischen Union untergraben. Der Stär­ kere hätte sich durchgesetzt, der Schwächere hätte sich hintanstellen müssen. Verbesserung der euro­ päischen Koordination im Gesundheitswesen Dass die europäische Impfstra­ tegie erhebliche Startschwie­ rigkeiten hatte und Länder wie die USA und Israel deutlich an der EU vorbeigezogen sind, steht außer Frage. Eine der Lektionen, die aus der Pande­ mie folglich gezogen werden kann, ist, dass die europäische Koordination im Gesundheits­ wesen verbessert und ver­ stärkt werden muss. So wird inzwischen die Forderung laut, dass die EU angesichts globaler Bedrohungen gemeinsame eu­ ropäische Antworten in Form einer gemeinsamen Gesund­ heitsunion benötigt. „Das Ziel der Europäischen Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern“, sagte der WHO-Sonderbeauftragte für die Europäische Region, Vytenis Andriukaitis, unter Berufung auf Artikel 2 des Vertrags von Lissabon hierzu. Er betonte, dass es kein Wohl­ befinden ohne Gesundheit gibt und dass die EU eine mo­ ralische Verantwortung dafür habe, dass alle ihre Bürgerin­ nen und Bürger das gleiche Recht auf Gesundheit haben. Die jüngsten Ergebnisse einer Eurobarometer-Umfrage ver­ stärken seine Aussage. Aus die­ sen ergibt sich, dass die Euro­ päerinnen und Europäer der Gesundheit durchweg Priorität einräumen und eine größere Rolle der EU in Gesundheits­ fragen unterstützen. Erste Schritte wurden bereits eingeleitet Die ersten konkreten Schritte zum Aufbau einer Europäi­ schen Gesundheitsunion und zur Ermöglichung einer effekti­ veren grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesund­ heitsbereich wurden im ver­ gangenen Herbst unternom­ men. Im November 2020 legte die Europäische Kommission eine Reihe verschiedener Legis­ lativvorschläge vor, darunter die Neugestaltung des gel­ tenden Rechtsrahmens für Model Foto: Nonnakrit/Colourbox.de 34 > dbb magazin | Juni 2021

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==