dbb magazin 6/2021

hintergrund Begleitgesetz mit 428 Ja-Stim­ men gegen 162 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen. Am 7. Juli stimmte auch der Bun­ desrat der Reformmit 62 von 69 Stimmen zu. Mecklenburg- Vorpommern lehnte das Geset­ zespaket ab, und Schleswig-Hol­ stein enthielt sich der Stimme. Die Föderalismusreformwurde durch den Bundespräsidenten am 28. August 2006 ausgefer­ tigt, am 31. August 2006 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am 1. September 2006 in Kraft. Die Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern wurde in einem zweiten Schritt den veränderten Rahmenbedin­ gungen inner- und außerhalb Deutschlands angepasst und im Dezember 2006 durch den Bundestag beschlossen. < Beamten- und Hochschulrecht Kernpunkte der Föderalismus­ reform waren unter anderem die Verlagerung von Hoch­ schul- und Beamtenrecht vom Bund auf die Länder. Beim Hochschulrecht waren davon die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse aus­ genommen, die der Bund wei­ terhin bundeseinheitlich re­ gelt. Allerdings können die Länder hier von den Vorgaben des Bundes abweichen. Die bis­ herige Gemeinschaftsaufgabe für den Ausbau und den Neu­ bau von Hochschulen und Hochschulkliniken wurde ab­ geschafft. Dafür erhielten die nunmehr allein verantwort­ lichen Länder vom Bund bis 2013 rund eine Milliarde Euro Ausgleichszahlungen jährlich. Für die Zeit von 2014 bis 2019 prüften Bund und Länder ge­ meinsam, inwieweit die Mittel noch erforderlich waren. Au­ ßerdem wurden Teile der ehe­ maligen Gemeinschaftsaufga­ be Hochschulbau in der neu ausgestalteten Gemeinschafts­ aufgabe Forschungsförderung fortgeführt. Auch in Zukunft sollten Bund und Länder bei der Forschungsförderung an und außerhalb von Hochschu­ len in Fällen überregionaler Bedeutung zusammenwirken. Im Beamtenrecht wurde die Zu­ ständigkeit für Besoldung, Ver­ sorgung und Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeam­ ten und Landesrichter in die Kompetenz der einzelnen Bun­ desländer gegeben. Die Länder sollten gestärkt werden, weil deren Personalausgaben im Durchschnitt mehr als 40 Pro­ zent der Landeshaushalte aus­ machten. „Deshalb und weil die Bestimmung über das Recht der eigenen Beamten eigentlich Sa­ che der Länder ist, werden die Länder hier gestärkt. Sie regeln nunmehr die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Landes- und Kommunalbeamten und Landesrichter einschließlich des Laufbahnrechts“, so die Bundes­ regierung. Zur Sicherstellung der Mobilität regelt der Bund aber weiterhin die Statusrechte und -pflichten aller Beamten in Deutschland einheitlich, und die verfassungsrechtliche Ga­ rantie des Berufsbeamtentums blieb davon unberührt. < Kritik der Gewerkschaften In einer gemeinsamen Erklä­ rung kritisierten dbb und DGB die Föderalismusreform I Ende Juni 2006 vor den abschließen­ den Beratungen als „Akt der Entsolidarisierung zwischen den einzelnen Bundesländern“. Die damaligen Vorsitzenden des dbb, Peter Heesen, und des DGB, Michael Sommer, erklär­ ten: „Wir sind grundsätzlich für eine Föderalismusreform, aber eine Reform, durch die es den Menschen besser geht und nicht schlechter.“ Die Reform „wird zu Konkurrenz zwischen den Ländern führen. Dadurch rücken die vom Grundgesetz gewollten einheitlichen Le­ bensverhältnisse in unserem Land in weite Ferne.“ Wichtige öffentliche Dienstleistungen wie Innere Sicherheit und Bil­ dung dürften sich nicht nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage richten. Die Leistungsfähigkeit des öffentli­ chen Sektors dürfe nicht von der Finanzkraft eines einzelnen Bundeslandes abhängig ge­ macht werden. „Die Abschaffung bundesein­ heitlicher Einkommens- und Be­ schäftigungsbedingungen wird einen verheerenden Dumping- Wettbewerb insbesondere zwi­ schen den Bundesländern zur Folge haben. Dieser geht voll zulasten der Beschäftigten und führt zu gravierenden Quali­ tätsverlusten bei sämtlichen öffentlichen Dienstleistungen. Zudem schaffen 17 verschiede­ ne Dienstrechtsmodelle in Bund und Ländern mehr Personalbe­ darf und Bürokratie. Darauf ha­ ben auch die Experten bei den Anhörungen im Bundestag hin­ gewiesen. Wir entlassen die Bundestagsabgeordneten nicht aus ihrer Verantwortung und fordern sie auf: Haben Sie den Mut, mit uns gemeinsam für einen leistungsfähigen öffentli­ chen Dienst einzutreten“, hieß es in der Erklärung weiter. < Föderalismusreform II In der zweiten Stufe der Föde­ ralsmusreform stand die Re­ form der staatlichen Finanz­ beziehungen im Vordergrund. Die Zustimmung der FDP zu den Ergebnissen der Föderalis­ musreform I von 2006, deren Stimmen für eine bei Grundge­ setzänderungen vorgeschrie­ bene Zweidrittelmehrheit not­ wendig waren, war daran geknüpft, dass entsprechende Schritte für eine nachhaltige Entwicklung der öffentlichen Haushalte in Bund und Län­ dern unternommen werden. Zudem lag die letzte Finanzre­ form beinahe 40 Jahre zurück. Mitte Dezember 2006 setzten Bundestag und Bundesrat die „Kommission zur Modernisie­ rung der Bund-Länder-Finanz­ beziehungen“ ein, um die Föderalismusreform II auszu­ arbeiten. Vorsitzende der ent­ sprechenden Kommission wa­ ren Peter Struck (SPD) für den Bundestag und der damalige baden-württembergische Mi­ nisterpräsident Günther Oet­ tinger (CDU) für den Bundesrat. Die Kommission konstituierte sich am 8. März 2007 und hatte den Auftrag, die Bund-Länder- Finanzbeziehungen mit dem Ziel zu reformieren, diese den veränderten Rahmenbedingun­ gen innerhalb und außerhalb Deutschlands, insbesondere für Wachstums- und Beschäf­ tigungspolitik, anzupassen. Neben umfangreichen Finanz­ reformen war ein Punkt auf der „offenen Themenliste“ der Kommission „Entbürokratisie­ rung und Effizienzsteigerung“, worunter die Aufgabenent­ flechtungen im Bereich der öffentlichen Verwaltung, die ebenenübergreifende Bün­ delung von Verwaltungsauf­ gaben, die Einführung von IT-Standards und -Systemen sowie die Vereinfachung län­ derübergreifender Regelungen subsumiert wurden. Es kristallisierte sich schnell heraus, dass sich der Schwer­ punkt der Reform auf Regeln zur Neuverschuldung konzen­ trieren sollte – die Staatsschul­ den betrugen zum Zeitpunkt der Verhandlungen rund 1,5 Billionen Euro. Zur Verhand­ lung kam der Vorschlag, die jährliche strukturelle Neuver­ schuldung auf 0,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) zu begrenzen, wobei dem Bund als Neuverschuldungsspiel­ raum 0,35 Prozent zustehen sollte und den Ländern 0,15 Prozent. Daneben sollten eine konjunkturelle Verschuldungs­ komponente und eine Ausnah­ meregelung für Katastrophen erlaubt sein. Nach kontroversen Verhand­ lungen unter Einbeziehung verschiedener Arbeitsgruppen lagen die Ergebnisse erst im März 2009 vor: Von einem „be­ achtlichen Wurf“ und einem „großen Durchbruch“ sprachen die beiden Vorsitzenden der Kommission, Günther Oettin­ ger und Peter Struck, nach Ende der letzten Kommissionssitzung am 5. März 2009 im Bundesrat. Mit den Vorschlägen der Kom­ 11 dbb > dbb magazin | Juni 2021

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