dbb magazin 3/2021

online Personendaten gespeichert sind, gebündelt werden kön­ nen. < Steuer-ID als Basis Konkret müssen Bürgerinnen und Bürger beim Kontakt mit der Verwaltung nicht immer wieder die gleichen Daten an­ geben, obwohl sie bei einer an­ deren Stelle in der Verwaltung bereits bekannt sind. Eine we­ sentliche Voraussetzung für die nutzerfreundliche Digitali­ sierung von Verwaltungsleis­ tungen in Deutschland fehlt jedoch bislang: Da­ ten und Nachweise können bisher nicht elektronisch über­ mittelt werden, weil Bürgerinnen und Bürger bei der Erbringung von Leistungen nach dem On­ linezugangs­ gesetz nicht eindeutig identifiziert werden kön­ nen. Das soll jetzt durch eine verfas­ sungs- und da­ tenschutzkon­ forme Lösung realisiert werden, die auf bestehen­ den Strukturen auf­ setzt. Die Steueriden­ tifikationsnummer wird bereits heute in einer Vielzahl von Registern ge­ speichert, sodass sie sich als Identifikator besonders gut eignet. Die Steueridentifikati­ onsnummer ist eine sogenann­ te „nicht sprechende“ Identi­ fikationsnummer. Sie wird zufällig erzeugt, enthält selbst keine Informationen über den Bürger und lässt aus sich her­ aus auch keine Rückschlüsse auf diesen zu. Das Aufsetzen auf der Steueridentifikations­ nummer bedeutet zudem kei­ nen Zugriff auf Steuerdaten. Künftig soll es durch diese Maßnahmen möglich sein, Nachweise wie Geburtsurkun­ den oder einen Auszug aus demMelderegister mit dem Einverständnis der betroffenen Person bei der Behörde anzu­ fordern, die sie bereits hat. Das soll unter anderem Bearbei­ tungszeiten deutlich verkürzen. Zudem sollen die Maßnahmen und Dienstleistungen des Re­ gistermodernisierungsgesetzes die Bereitstellung von Verwal­ tungsleistungen nach dem On­ linezugangsgesetz deutlich ver­ bessern. Europäische Vorgaben – insbesondere die „Single Digi­ tal Gateway-Verordnung“ – verpflichten die deutsche Ver­ waltung zur Umsetzung dieses sogenannten „Once-Only- Prinzips“, das besagt, dass Bür­ gerdaten nur einmal angege­ ben werden müssen. Zudem sieht das Gesetz Änderungen der Abgabenordnung sowie weiterer Fachgesetze zur Ver­ arbeitung der Identifikations­ nummer zur Erbringung von Verwaltungsleistungen nach dem Onlinezugangsgesetz vor. < Kritik von Datenschützern Obwohl die Digitalisierung der Verwaltung und der damit verbundenen Dienstleistun­ gen dringend nötig ist, regt sich Kritik am Registermoder­ nisierungsgesetz in seiner jetzt beschlossenen Form. Der Bundesbeauftragte für Daten­ schutz, Ulrich Kelber, zum Bei­ spiel hält das Gesetz für nicht mit dem Datenschutzgesetz vereinbar und für nicht verfas­ sungsfest. Der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) sagte Kelber am 18. Januar 2021, dass die geplanten Maß­ nahmen zur technischen Absi­ cherung keinen ausreichenden Schutz vor Missbrauch böten. Kelber sei sich nicht sicher, ob das Gesetz letztlich vor dem Bundesverfassungsgericht lande. Ebenso zweifelt der Wissen­ schaftliche Dienst des Deut­ schen Bundestages Recherchen der WAZ zufolge an der Verfas­ sungskonformität. Dort sieht man zum Beispiel die Gefahr, dass über eine einheitliche Per­ sonenkennziffer unbefugte Profilbildung möglich werde. Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informati­ onsfreiheit Mecklenburg-Vor­ pommern, Heinz Müller, sieht die Bundesrepublik gar auf demWeg zum „Gläsernen Bürger“, denn aussagekräftige Informationen wie Gesund­ heitsdaten, Daten aus dem Schuldnerverzeichnis, Daten zu Hartz-IV-Ansprüchen, Informa­ tionen über Vorstrafen sowie Informationen zu Verwandt­ schaftsverhältnissen könnten auf diese Weise zu einem Profil zusammengefasst werden. Die Konferenz der Daten­ schutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) habe wiederholt vor der Einführung eines solchen einheitlichen Personenkennzeichens ge­ warnt, weil jene diesem Ge­ setz zugrunde liegende Archi­ tektur dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestim­ mung zuwiderlaufe. Stattdes­ sen habe die DSK „sektorspe­ zifische“ Personenkennziffern gefordert. Damit könnte eine natürliche Person eindeutig identifiziert, der einseitige und umfassende staatliche Abgleich jedoch deutlich er­ schwert werden. Wenig Verständnis für die Kritik der Datenschützer hat dagegen der NKR-Vorsitzende Johannes Ludewig. Für ihn steht und fällt die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes mit dem Erfolg des Register­ modernisierungsgesetzes. Auch Gerd Landsberg, Haupt­ geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, hält die Bedenken für „schwer nachvollziehbar“, wie er gegen­ über der WAZ zu Protokoll gab. Zur Beschleunigung von Pro­ zessen und Bearbeitungszeiten gehöre eine klare ID-Strategie. Daher sei das Gesetz „ein wich­ tiger Baustein für eine erfolg­ reiche Digitalisierung in Deutschland“. br < Kommentar Ohne Daten kein Service Sobald es in Deutschland um Datenschutz geht, scheint die Vernunft auszu­ setzen. Auf der einen Seite beschweren sich Bürgerin­ nen und Bürger zu Recht, dass es trotz Internet 2.0 so gut wie keine digitalen Bürgerservices gibt. Das Herunterladen von Formu­ laren ist hier zumeist der Gipfel der Modernisierung. Dabei liegen mit der Bürger- ID in Kombination mit den digitalen Möglichkeiten des Personalausweises die Instrumente vor, um unser Bürokratieleben angeneh­ mer zu machen und um überlastete Ämter endlich zu entlasten. Trotzdem schwingt bei vielen Bundesbürgern eine latente Angst mit, der Staat könnte zu viele sensible Daten über sie sammeln. Es geht dabei um Daten, die dem Staat ohnehin bekannt sind. Sie müssen nur gebün­ delt und behördenübergrei­ fend nutzbar gemacht wer­ den. Für viele scheint das der Knackpunkt zu sein. Dass auf der anderen Seite aber bereitwillig weitaus mehr Daten an Konzerne wie Amazon, Facebook, Microsoft, Google und Apple weitergereicht wer­ den, mit denen alles andere als zimperlich umgegangen wird, was deren Auswer­ tung und Verknüpfung an­ geht, scheint viel weniger beunruhigend zu sein. Ver­ kehrte Welt. Ohne ein digi­ tales Register wird es keine Online-Behördendienstleis­ tungen geben. Jetzt gilt es, das Registermodernisie­ rungsgesetz zu überprüfen, um es rechtssicher auszuge­ stalten und um das Vertrau­ en der Bevölkerung zu ge­ winnen. Nur dann können wie geplant bis 2022 mehr als 500 Behördendienstleis­ tungen online gehen. br 41 dbb > dbb magazin | März 2021

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