dbb magazin 12/2020

frauen Equal Pay Kann Entgeltgleichheit per Gesetz geregelt werden? An der Existenz geschlechterbedingter Verdienst­ unterschiede besteht seit Langem kein Zweifel mehr. Uneinigkeit aber herrscht darüber, was wirklich hilft, um den Gender Pay Gap zu schlie­ ßen. Neben Deutschland versuchen immer mehr Länder dem Problem per Gesetz zu begegnen. Aber funktioniert das? Geschlechterbedingte Ver­ dienstunterschiede sind auch im öffentlichen Dienst Fakt. Je nach Beschäftigungsbereich werden Frauen für den glei­ chen Job um bis zu 20 Prozent schlechter bezahlt als Männer. Die Konsequenzen dieses Miss­ stands reichen bis in den Ruhe­ stand hinein, wo Frauen eine deutlich niedrigere Rente be­ ziehen als Männer mit gleicher Qualifikation. „Um das zu än­ dern, müssen wir die Spielre­ geln ändern. Wir brauchen vor allemmehr männliche Vorbil­ der, die den Mut beweisen und Ungerechtigkeiten bei der Be­ zahlung von Männern und Frauen transparent machen – gerade auch im öffentlichen Dienst“, erklärte dbb frauen Chefin Milanie Kreutz am 2. November 2020 anlässlich der Kick-off-Veranstaltung zur Equal-Pay-Day-Kampagne 2021. Als Vorsitzende der dbb bun­ desfrauenvertretung unter­ stützt sie den Aufruf der Equal- Pay-Day-Initiative „Game Changer – Mach dich stark für equal pay!“. Gestärkt werden sollen Vorbilder aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissen­ schaft, Sport und Medien, die bereits einen Beitrag zu einer gleichberechtigteren Gesell­ schaft leisten. An ihnen sollen sich vor allem junge Menschen und ausdrücklich auch Männer orientieren. << Mehr Tempo mit Sanktionen Mit ihren Forderungen geht Kreutz aber noch einen Schritt weiter. Auch die Arbeitgeber, öffentliche wie privatwirt­ schaftliche, müssten die Ursa­ chen geschlechterbedingter Verdienstunterschiede ent­ schiedener als bisher angehen. „Neben der Aufwertung von Gesundheits- und Fürsorgebe­ rufen müssen Männern und Frauen gleiche Aufstiegschan­ cen gewährleistet werden. Im öffentlichen Dienst ist zudem die genderneutrale Leistungsbe­ wertung ein wichtiger Schlüssel­ faktor, um Entgeltgleichheit zu erreichen“, stellte Kreutz heraus. Aber auch eine gesetzliche Lösung, die jene sanktioniert, die sich nicht an den Equal-Pay- Grundsatz halten, gehöre aus Sicht der dbb frauen Chefin dazu. Das deutsche Entgelt­ transparenzgesetz, das sich bis­ her nur an große Unternehmen richtet und weitgehend auf Freiwilligkeit setzt, muss nach Ansicht Kreutz’ diesbezüglich weiterentwickelt werden. Ori­ entierung bieten Länder, die mit gesetzlichen Lösungen vor­ anschreiten wie etwa Island, Großbritannien, Frankreich oder Spanien. << Musterbeispiele aus Europa Island Ob paritätische Aufteilung der Elternzeit, flächendeckende Kinderbetreuung oder Gender Pay Gap als Unterrichtsfach in der Schule – Island ist in Sa­ chen Gleichstellung gut auf­ gestellt. Seit 2018 sind Unter­ nehmen ab einer Größe von 25 Beschäftigten zudem gesetzlich dazu verpflichtet nachzuweisen, dass sie ihre Beschäftigten geschlechterge­ recht bezahlen. Wer dies nicht tut, muss mit hohen Strafzah­ lungen rechnen. Großbritannien Auch in Großbritannien werden Unternehmen in die Schranken gewiesen, die Frauen schlechter bezahlen als Männer. Seit April 2018 müssen britische Unter­ nehmen mit mehr als 250 Be­ schäftigten den unternehmens­ internen Gender Pay Gap ermitteln und veröffentlichen: Nicht irgendwo versteckt in der Unternehmensbilanz, sondern auf der eigenenWebsite und auf der Internetseite der briti­ schen Regierung. Die veröffent­ lichten Daten zeigen nicht nur, dass sich bei einer gleichmäßi­ gen Verteilung von Männern und Frauen auf alle Karrierestu­ fen die Verdienstunterschiede verringern. Auch werden die Ur­ sachen für den Gender Pay Gap im jeweiligen Unternehmen sichtbar. Frankreich und Spanien Beide Länder haben sich Ent­ gelttransparenz sowie das Schließen der Lohnlücke zwi­ schen Frauen und Männern per Gesetz verordnet. In Frank­ reich müssen Unternehmen ab einer Größe von 50 Beschäf­ tigten eine spezielle Software nutzen, die direkt mit ihren Lohn- und Gehaltsabrech­ nungssystemen verknüpft wird und ungerechtfertigte Lohnunterschiede anzeigt. Zudemmüssen diese Unter­ nehmen jährlich sämtliche Kennzahlen mit Bezug auf un­ ternehmensinterne Lohnunter­ schiede zwischen Männern und Frauen veröffentlichen. In Spanien ist die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen seit Oktober dieses Jahres verboten. Dort sollen Firmen verpflichtet werden, ihre Gehaltstabellen offenzu­ legen und sie nach Geschlecht aufzuschlüsseln. Außerdem sollen Kriterien entwickelt werden, die verschiedene Tä­ tigkeiten vergleichbar macht. Wer gegen das neue Gesetz verstößt, muss mit Geldbußen in Höhe von bis zu 187000 Euro rechnen. Die Mischung aus nachvoll­ ziehbaren Regelungen, posi­ tiven Anreizen und gezielten Sanktionen führt zum Erfolg, ist sich die dbb frauen Chefin sicher. Denn bisher erweise sich die deutsche Lösung als Papiertiger. „Nach vier Jahren Entgelttransparenzgesetz ist die Bilanz ernüchternd. Jetzt muss nachgebessert werden. Deutschland, als eine der wich­ tigsten Wirtschaftsnationen, kann mit einer starken natio­ nalen Lösung selbst zum ‚Game Changer‘ in Europa werden“, so Kreutz. bas Foto: sabelskaya/Colourbox.de 30 dbb > dbb magazin | Dezember 2020

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