dbb magazin 5/2020

Die Wissenschaftlerinnen Josefine Koebe, Claire Samt­ leben, Annekatrin Schrenker und Aline Zucco kommen zu dem Ergebnis, dass die Diskre- panz zwischen gesellschaftli- cher Unverzichtbarkeit und tatsächlicher Entlohnung – gemessen am Stundenlohn und beruflichen Prestige – in Krisenzeiten besonders offen- sichtlich wird: „Deshalb sollten auf kollektive Dankbarkeit konkrete Maßnahmen folgen, beispielsweise eine höhere Entlohnung sowie breitere tarifvertragliche Absicherung. Das würde dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen und Attraktivität der systemrele- vanten Berufe erheblich zu ver- bessern.“ Gleichzeitig könne damit auch der Gender Pay Gap, also die Verdienstlücke zwischen Frauen und Män- nern, reduziert werden. hintergrund Das sei insbesondere wichtig, weil die systemrelevanten Be- rufe von schützenden Maß- nahmen, die für andere Be- schäftigte in der Corona-Krise gelten, ausgenommen seien. Das Spektrum der Berufe, die als unverzichtbar für den Erhalt kritischer Infrastruktur einge- ordnet werden, gehe zudem weit über die häufig im Fokus stehenden Berufe im Gesund- heitssektor hinaus und reiche von Erziehungs- über Reini- gungsberufe bis hin zu Berufen im Polizei- und Justizbereich. << Geringe Wertschätzung Die Autorinnen haben mittels der speziell für Deutschland entwickelten „Magnitude Prestige Skala“ (MPS) gemes- sen, dass das gesellschaftliche Ansehen der verschiedenen systemrelevanten Berufsgrup- pen außerhalb von Krisenzei- ten überwiegend unterdurch- schnittlich ist. Die Skala beruht auf repräsentativen Befragun- gen und misst, welches gesell- schaftliche Ansehen Menschen in diesen Berufen genießen. Das Ergebnis: Zusammen be- trachtet weisen die system­ relevanten Berufsgruppen ein um rund fünf Punkte geringe- res Prestige auf als der Ge- samtdurchschnitt aller Berufe, der bei 63 von 200 maximal möglichen Punkten liegt. Besonders aufgefallen ist den Autorinnen das geringe Anse- hen für Reinigungsberufe, aber auch für Berufe im Bereich Post und Zustellung sowie für Fahrzeugführer(innen) im Stra- ßenverkehr. Überdurchschnitt- lich angesehen sind hingegen Human- und Zahnmedizi­ ner(innen), die mit 194 Prestige­ punkten fast das Maximum der Skala erreichen. Ebenfalls ein überdurchschnittliches Prestige erfahren pharmazeu- tische Berufe und Berufe der IT-Infrastruktur sowie Berufe, die im technischen Betrieb des Eisenbahn-, Luft- und Schiffs- verkehrs angesiedelt sind. Da- bei machen diese Untergrup- pen mit sehr hohem Ansehen aber einerseits nur einen sehr geringen Teil von weniger als fünf Prozent aller Personen in systemrelevanten Berufen aus. Andererseits fällt auf, dass sich das hohe Ansehen nicht aus- schließlich mit dem jeweiligen Systemrelevante Berufe Dringend gebraucht, gering geschätzt In der Krise zeigt sich, welche Berufsgruppen un- abdingbar für die Aufrechterhaltung des öffentli- chen und sozialen Lebens sind. Als systemrelevant werden zum Beispiel das Gesundheitswesen, die innere Sicherheit, die Grund- und Lebensmittel­ versorgung, Kindernotbetreuung oder Bereiche der Verkehrs- und IT-Infrastruktur eingeordnet. Ausgerechnet die Beschäftigten in diesen Sparten sind es aber, die außerhalb von Krisenzeiten ein geringes gesellschaftliches Ansehen genießen und eine unterdurchschnittliche Bezahlung erhalten. Darüber hinaus arbeiten besonders oft Frauen in systemrelevanten Berufen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie des Deutschen Insti- tuts für Wirtschaftsforschung (DIW). © Kzenon / Colourbox 17 > dbb magazin | Mai 2020 dbb

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