dbb magazin 12/2019

europa Zur Lage der Grundrechte in der EU Enge Zusammenarbeit aller EU-Akteure dringend erforderlich Die Europäische Union fußt auf gemeinsamen Werten: Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte, die für alle Men- schen, die in der Union leben, gelten – einschließ- lich Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind primärrechtlich in den EU-Verträgen und der EU-Grundrechtecharta verankert – doch das reicht nicht aus. Sie müssen auch konsequent und durchgängig im Sekundärrecht und bei Um- setzung von EU-Recht durch die Mitgliedstaaten geltend gemacht werden. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte – kurz FRA – wurde im Jahr 2007 als EU-Agentur mit Sitz in Wien gegründet, um den Institutio- nen und Mitgliedstaaten der EU „unabhängige faktenge- stützte Grundrechtsberatung“ zu bieten. Zu den 100 Mitar- beiterinnen und Mitarbeitern der FRA zählen Juristen, Sozial- und Politikwissenschaftler, Statistiker sowie Kommunika- tionsexperten. Beaufsichtigt wird die Arbeit der FRA von ei- nem Verwaltungsrat, der sich aus von den Mitgliedstaaten berufenen unabhängigen Ex- perten sowie Vertretern des Europarats und der EU-Kom- mission zusammensetzt. Zentral in der Arbeit der FRA ist ihr jährlicher Grundrechtebe- richt. Er bringt auf den Punkt, was sich in den Mitgliedstaa- ten und in der EU in Sachen Grundrechte getan hat. Dabei stützt er sich auf Informatio- nen des Forschungsnetzwerks der FRA in den EU-Mitglied- staaten. In Deutschland gehört hierzu zum Beispiel das Deut- sche Institut für Menschen- rechte. Wie die vielen weiteren FRA-Berichte und Daten zu spezifischen Themen ist der Grundrechtebericht über die Internetseite www.fra.europa . eu zugänglich – teilweise auch auf Deutsch. << Herausforderungen Das Jahr 2018 brachte in Bezug auf den Schutz der Grundrech- te in der EU Fortschritte, aber auch Rückschritte. Zunächst möchte ich diesbezüglich eini- ge Herausforderungen erwäh- nen, die besonderer Aufmerk- samkeit bedürfen: 1. Antisemitismus Eine Studie der FRA machte 2018 deutlich, dass Antisemitis- mus in der EU ein gravierendes Problem ist. Nicht zuletzt die Ereignisse von Halle haben uns die aktuelle Gefahr von Hasskri- minalität gegen Jüdinnen und Juden vor Augen geführt. Viele erfahren alltäglichen Antise­ mitismus und dies in zuneh- mendemMaße online. Dies führt dazu, dass ein alarmie- rend großer Anteil der jüdi- schen Gemeinschaft – näm- lich 44 Prozent der Befragten in Deutschland (38 Prozent in den zwölf Mitgliedstaaten, die an der Studie teilgenommen ha- ben) – erwägt, Europa zu verlas- sen. Insgesamt glauben 74 Pro- zent der befragten Juden in Deutschland (70 Prozent in den zwölf EU-Mitgliedstaaten), dass die Mitgliedstaaten nicht genug tun, um Antisemitismus zu be- kämpfen. Deshalb unterstützt die FRA die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten dabei, um- setzbare Strategien zu erarbei- ten, um Antisemitismus vorzu- beugen und entgegenzuwirken. 2. Diskriminierung von Musliminnen und Muslimen Musliminnen und Muslime sind ebenso wie die jüdische Bevöl- kerung häufig Ziel von Hass und Diskriminierung. Die FRA sammelt Daten über gegen Muslime gerichtete Vorkomm- nisse, damit EU-Akteure und Mitgliedstaaten gezielter dar- auf reagieren können. So zei- gen spezifische Daten über die Diskriminierungserfahrungen muslimischer Frauen, wie wich- tig es ist, das Gleichgewicht zwischen Religions- und Glau- bensfreiheit (Art. 10 der EU- Grundrechtecharta) und ande- ren legitimen Zielen einer demokratischen Gesellschaft zu wahren, wenn etwa die Ver- wendung religiöser Symbole in der Öffentlichkeit gesetzlich eingeschränkt werden soll. << Der irische Menschenrechtsanwalt Michael O’Flaherty ist seit Septem- ber 2015 Direktor der EU-Agentur für Grundrechte (European Union Agency for Fundamental Rights FRA). Zuvor wirkte er als Professor für Menschenrechte an der britischen Universität Nottingham und der Iri- schen Nationalen Universität Galway, wo er Direktor des irischen Zen­ trums für Menschenrechte und Leiter der Menschenrechtekommission für Nordirland war. Bei den Vereinten Nationen war er unter anderem am Aufbau der UNO-Menschenrechtsmissionen in Bosnien-Herzegowi- na und Sierra Leone beteiligt. Von 2004 bis 2012 gehörte er dem UNO- Komitee für Menschenrechte an und war zuletzt stellvertretender Vor- sitzender. Derzeit ist Michael O’Flaherty zudem Gastprofessor für Rechtswissenschaft an der Irischen Nationalen Universität Maynooth. © FRA/Vagus 34 dbb > dbb magazin | Dezember 2019

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