dbb magazin 12/2019

frauen Parität in den Parlamenten Frauen machen den Unterschied Wie kann es gelingen, den Frauenanteil in den Länderparlamenten und im Bundestag zu erhö- hen? Diese Frage wird in Deutschland derzeit in- tensiv diskutiert. Einige Bundesländer gehen mit ersten gesetzlichen Regelungen voran. Die dbb bundesfrauenvertretung wirft einen Blick auf die aktuelle Situation und stellt klar, warum Parität in der Politik so wichtig für unsere Demokratie ist. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist im Grund ­ gesetz Art. 3 klar geregelt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichbe- rechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Doch durch das bloße Bekenntnis zur Gleichstellung ist die gleiche Teilhabe von Männern und Frauen längst nicht geregelt. Im Jahr 2019 ist die Gleich­ stellung nicht nur nicht voll- ständig umgesetzt. Der un­ vollständige Status quo steht, 100 Jahre nachdem Frauen das aktive und passive Wahl- recht erhalten haben, auf der Kippe. Neben geschlechterbe- dingten Verdienstunterschie- den und einem Überhang an männlichen Führungskräften ist auch die Beteiligung von Frauen an politischen Füh- rungspositionen in Bund und Ländern nach wie vor ungleich verteilt. Zudem ist der Anteil weiblicher Abgeordneter im Bundestag und den Länder- parlamenten erstmals seit vielen Jahren rückläufig. Nach den Bundestagswahlen 2017 lag der Anteil an weiblichen Bundestagsabgeordneten bei 30,7 Prozent (aktuell 31,3 Pro- zent) und damit auf dem nied- rigsten Stand seit 1998. << Woran liegt’s? Einen Grund für die abnehmen- de Zahl an Parlamentarierinnen sieht Prof. Dr. Silke Ruth Laskow­ ski, die Parteien und Landesre- gierungen in Sachen Parität be- rät, in der sich verändernden Parteienlandschaft: „Seit 1998 finden wir regelmäßig drei Par- teien mit einem relativ hohen Frauenanteil im Bundestag, weil diese Parteien in ihrem Sat- zungsrecht, also in dem internen Recht der Parteien, für die Listen- nominierung paritätische Rege- lungen vorgeben. Das sind die Parteien Bündnis 90/Die Grü- nen, Die Linke und im Kern auch die SPD, die für jedes Geschlecht einen Nominierungsanteil von mindestens 40 Prozent auf der Liste vorgibt.“ Mit der Rückkehr der FDP und dem Einzug der AfD in den Bundestag sei der Anteil an Parteien gestiegen, die deut- lich männlich dominiert sind und zum Zeitpunkt der Wahlen über keine Quotenregelung verfüg- ten. Dies wirke sich wiederum negativ auf den Frauenanteil im Bundestag aus. Hinzu komme die stark selektierende Wirkung von Direktmandaten: „Bei den Direktkandidaturen überwiegen die von Männern überall ganz deutlich, denn es fehlen in allen Parteien paritätische Satzungs- regelungen für die Direktkandi- daturen. Und das wirkt sich so- fort nachteilig für die Frauen- kandidaturen aus“, so Laskowski. Ähnliches gilt für den An- teil an Frauen in den Länder- parlamenten. „Hier befinden wir uns gerade sogar in einem ,Rollback‘“, betont Laskowski. Das zeigten die aktuellen Er- gebnisse der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, Nie- dersachsen, Baden-Württem- berg und Bayern: Dort liegt der Frauenanteil momentan unter 30 Prozent. Am niedrigsten ist die Anzahl an weiblichen Vertreterinnen übrigens in der Kommunalver- sammlung. Ihr Anteil liegt dort bei 24 Prozent. Dabei gilt: Je kleiner die Gemeinde, desto niedriger ist auch der Frauenan- teil im Stadt- oder Gemeinderat. << Was wird diskutiert? ImWesentlichen konzentriert sich die verfassungsrechtliche Auseinandersetzung auf die Fra- ge, ob und in welchem Umfang gesetzliche Vorgaben zur Parität in die Wahlrechtsgrundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen (Art. 38 Abs. 1 GG) so- wie in die Parteienfreiheit (Art. 21 Abs. 1 GG) eingreifen. Des Weiteren wird diskutiert, inwiefern mögliche Eingriffe durch das Gleichberechtigungs- gebot von Art. 3 Abs. 2 GG und seine 1994 erfolgte Ergänzung zu rechtfertigen sind. Mit der Verabschiedung des ersten Paritätsgesetzes in Brandenburg hat die Debatte weiter an Fahrt aufgenommen. Gleichzeitig wird der Ton in der Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit rauer. Von der NPD und der Piratenpartei wurde Klage gegen das Bran- denburgische Paritätsgesetz eingereicht. Auch in Thüringen, das im Juli 2019 als zweites Bundesland ein Paritätsgesetz für die Landtagswahlen verab- schiedete, hat die AfD ein Gut- achten erstellen lassen, das verfassungsrechtliche Beden- ken an dem Gesetz einräumt. << Warum ist Parität in den Parlamenten so wichtig? Die Durchsetzung des Gleich- stellungsgrundsatzes ist hier wichtigstes Argument, stellt auch die dbb bundesfrauenver- tretung heraus. „So lange Frau- en in Entscheidungspositionen fehlen, fehlt auch die weibliche Perspektive in beinahe allen ge- sellschaftlichen Bereichen. Das gilt nicht nur für die Politik, son- dern auch für die Wirtschaft, den öffentlichen Dienst und die Gesetzgebung. Erst wenn Frau- en so selbstverständlich wie Männer in den Parlamenten ver- treten sind und partei- und frak- tionsübergreifend zusammenar- beiten, können entscheidende Fortschritte für die Gleichstel- lung erzielt werden“, betont He- lene Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung. Frauen verfügten über andere Lebenserfahrungen und seien bis heute anders sozialisiert als Männer. Damit brächten sie an- dere Perspektiven in den politi- schen Diskurs ein. „Frauen lenken den politischen Fokus automatisch auf Berei- che, die vor allem Frauen und damit sie selbst betreffen. Fra- gen wie etwa die gleichwertige Bezahlung bei gleichwertiger Arbeit oder die Verbesserung © Colourbox.de/ Kulchytska 26 dbb > dbb magazin | Dezember 2019

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