dbb magazin 12/2019

nachgefragt „Das ganze Programm“ Seit November 2018 arbeitet Berlin nach einem 5-Punkte-Plan gegen die organisierte Clankrimi- nalität in der Hauptstadt. Unter Federführung von Innensenator Andreas Geisel gehen Polizei, Ord- nungs-, Jugend-, Finanzämter, Energiebetriebe, Jobcenter und Zoll koordiniert und gemeinsam gegen die abgeschotteten Strukturen krimineller Großfamilien vor. Den Clans soll es schon beim Falschparken an den Kragen gehen. Herr Geisel, seit Monaten ist gefühlt „ständig Razzia“ in Berlin – Sie haben der Clan­ kriminalität den Kampf ange- sagt. Die Polizei setzt den or- ganisierten Verbrechern jetzt gezielt und Seite an Seite mit Justiz- und Finanzbehörden, Jobcentern und Bezirksämtern zu. Warum wurde diese Taktik der tausend Nadelstiche nicht schon viel früher praktiziert? Es wurde auch vor meinem 5-Punkte-Plan viel unternom- men. Polizei, Staatsanwalt- schaft und andere Behörden, wie beispielsweise das Bezirks­ amt Neukölln, haben schon früher Maßnahmen gegen die Clankriminalität ergriffen. Neu ist jetzt, dass dies jetzt mit ei- nem ressortübergreifenden Ansatz geschieht. Die verstärk- ten Kontrollen, der erhöhte Kontrolldruck erzielen jetzt eine andere und größere Inten- sität und Nachhaltigkeit. Es wird niedrigschwellig einge- griffen und wir gehen jetzt daran, wo es den Kriminellen besonders weh tut: An das kriminell erwirtschaftete Ver- mögen. Deshalb wurden auch die rechtlichen Möglichkeiten zur Vermögensabschöpfung intensiviert. Die Clans hatten jahrelang Zeit, sich dem Staat zu entziehen und Parallelregime aufzubauen. Wird es je gelingen, diese Strukturen nachhaltig zu zer- schlagen? Denn noch ist ja nicht einmal sicher, was am Ende des neuen Konzepts rechtlich kon- kret, also vor Gericht, über- haupt rauskommt … Ich bin in diesem Punkt sehr optimistisch. Ich habe immer gesagt, wir müssen ganzheit- lich ansetzen und ressortüber- greifend zusammenarbeiten. Einzelne kriminelle Angehörige dieser Clans stellen sich offen und provozierend gegen unse- re Rechtsordnung. Dem begeg- nen wir mit allen Mitteln des Rechtsstaates. Mein Eindruck ist, dass sich der erhöhte Kon­ trolldruck und das Zusammen- wirken unterschiedlicher Be- hörden und Verwaltungen bei den kriminellen Mitgliedern bemerkbar machen. Bis Ende Oktober dieses Jahres fanden 250 Einsatzmaßnahmen der Polizei Berlin statt, davon über 60 als Verbundeinsätze mit anderen Behörden. Neben der Polizei waren an diesen Einsät- zen unter anderem auch die Bezirksämter mit ihren Ord- nungs- und Jugendämtern, das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen, die Geldwäsche­ aufsicht der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Be- triebe und das Hauptzollamt Berlin beteiligt. Dabei wurden vor allem Gewerbeeinrichtun- gen und Lokale wie zum Bei- spiel Shisha-Bars, Spielhallen und Wettbüros kontrolliert. Das Spektrum der Kontrolle reicht von der Einhaltung des Jugendschutzes bis zur Gewer- be- und Abgabeordnung. Die Behörden und Verwaltungen haben Juweliere und Edelme- tallhändler aufgesucht und überprüft, ob die Bestimmun- gen des Geldwäschegesetzes eingehalten werden. Hinzu kommen regelmäßige Ver- kehrskontrollen, illegale Auto- rennen, Parken in der zweiten Reihe – das ganze Programm. Das Landeskriminalamt Berlin hat Ende April 2019 insgesamt 60 Beschlüsse zur Sicherung der Mieteinnahmen aus Immo- bilien vollzogen. Dabei handelt es sich um Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche. Auch die Beschlagnahme von 77 Immobilien und den damit verbundenen Mieteinnahmen waren wichtige Schritte. Sie sehen, unterschiedliche Behör- den und Verwaltungen arbei- ten intensiv daran. Es ist noch ein langer Weg, aber wir haben die richtigen ersten Schritte bereits gemacht. Klingt nach reichlich Sisyphus- arbeit in den kommenden Jah- ren. Wie sieht das Erwartungs- management bei den einge- setzten Kräften selbst aus – sind die Kolleginnen und Kolle- gen nicht jetzt schon frustriert? Nein, im Gegenteil, die Kolle- ginnen und Kollegen der Poli- zei, aber auch der anderen beteiligten Behörden und Ver- waltungen, sind mit einem ho- hen Engagement bei der Sache. Ich habe in der Vergangenheit viele Einsätze vor Ort begleitet. Dabei habe ich erlebt, dass die Polizei so vorgeht, wie ich mir das vorstelle: gut vorbereitet, besonnen, verantwortungsbe- wusst und konsequent. Leider kommt es immer wieder vor, dass Polizistinnen und Polizis- ten bei ihrer Arbeit beschimpft und auch tätlich angegriffen werden. Die Einsatzkräfte han- ? nachgefragt bei ... ... Innensenator Andreas Geisel zu Berlins Strategie im Kampf gegen Clankriminalität: << Andreas Geisel ist seit Dezem- ber 2016 Sena- tor für Inneres und Sport in Berlin. © SenInnDS 18 dbb > dbb magazin | Dezember 2019

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