dbb magazin 10/2019

vorgestellt Steuerpolitik Solidaritätszuschlag: Der Anfang vom Ende? Die Bundesregierung macht ernst: Der bei vielen Bürgerinnen und Bürgern unbeliebte Solidaritäts­ zuschlag soll weitgehend abgeschafft werden. Das hat das Kabinett im August beschlossen. Das dbb magazin beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den „Soli“ … Was ist der Solidaritäts­ zuschlag eigentlich? Der „Soli“ ist eine sogenannte Ergänzungsabgabe und damit – wie der Name schon sagt – ein Zuschlag, und zwar in Höhe von 5,5 Prozent des Steu­ erbetrags aus Einkommen-, Kapitalertrag- und Körper­ schaftsteuer. Die Einnahmen (fast 19 Milliarden Euro in 2018) stehen dem Bund zu, über die entsprechende Ge­ setzgebung entscheidet allei­ ne der Bundestag. Seit wann gibt es den „Soli“? Seit 1991. In den Jahren 1993 und 1994 wurde die Erhebung ausgesetzt. Seit 1998 gibt es den „Soli“ in seiner heutigen Form. Wofür ist der „Soli“ da? Ursprünglich wurde die Ein­ führung nicht nur mit den Kos­ ten für die deutsche Einheit begründet, sondern auch mit den Ausgaben für den Zweiten Golfkrieg (auch Erster Irak­ krieg, 1990/1991) – ein Um­ stand, der heute fast in Ver­ gessenheit geraten ist. Bei der Entfristung der eigentlich zeitlich begrenzten Erhebung wurden dann die Kosten der Wiedervereinigung in den Vor­ dergrund gerückt. Tatsächlich sind die Mittel aber – wie jede Steuer – gesetzlich nicht zweckgebunden. Was hat das mit dem Solidarpakt zu tun? Solidarpakt und Solidaritätszu­ schlag werden immer noch oft verwechselt, obwohl sie grund­ verschieden sind. Der Solidari­ tätszuschlag ist, wie oben be­ schrieben, eine Ergänzungs- abgabe zur Einkommensteuer, Kapitalertragsteuer und Kör­ perschaftsteuer für alle Steuer­ pflichtigen. Der Solidarpakt II regelt hingegen die Zahlungen des Bundes an die ostdeut­ schen Länder im Rahmen des Länderfinanzausgleichs. Aller­ dings läuft der Solidarpakt II im Jahr 2019 aus. Bund und Länder haben sich auf eine grundle­ gende Reform ihrer Finanzbe­ ziehungen geeinigt. Mit der Förderung strukturschwacher Regionen – unabhängig von der Himmelsrichtung – hat der Solidaritätszuschlag also nur noch sehr bedingt zu tun. Was hat das Bundeskabinett nun genau beschlossen? Ab 2021 entfällt der Zuschlag für etwa 90 Pro­ zent der Steu­ erpflichtigen vollständig. Für weitere 6,5 Prozent entfällt der Zuschlag zumindest in Teilen, teilt das Bundesfinanzministeriummit. Insgesamt würden damit also 96,5 Prozent der Steuerzahle­ rinnen und Steuerzahler ent­ lastet, alleine im Jahr 2021 um einen Betrag von zehn Milliar­ den Euro. Steuertechnisch handelt es sich bei der „Abschaffung“ um eine Anhebung der entsprechenden Freigrenzen. Beispielsweise müssen Alleinstehende mit einem Bruttojahreslohn von bis zu 73874 Euro damit keinen Solidaritätszuschlag mehr ent­ richten. Werden die Freigren­ zen überschritten, gibt es eine „Milderungszone“, in der der Solidaritätszuschlag nicht so­ fort in voller Höhe erhoben wird (betrifft die oben genann­ ten 6,5 Prozent der Bürgerin­ nen und Bürger). Ist das die endgültige Regelung? „Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist“, hat der 2012 verstorbene SPD-Poli­ tiker Peter Struck einst gesagt. Und Potenzial für Streit gibt es im Bundestag allemal: Teile der CDU, so auch Bundeswirt­ schaftsminister Peter Altmaier, würden den „Soli“ lieber heute als morgen komplett abschaf­ fen. Die oppositionelle FDP hat aufgrund der nur teilweisen Abschaffung sogar verfas­ sungsrechtliche Bedenken an­ gemeldet. Bundesfinanzminis­ ter Olaf Scholz (SPD) sieht das naturgemäß anders und sagte nach dem Kabinettsbeschluss: „Die wenigen auch nach Aus­ laufen des Solidarpaktes zum Jahresende verbleibenden Kosten werden zukünftig von denen geschultert, die mehr haben als andere. Das ist fair und wird auch einer verfas­ sungsrechtlichen Prüfung standhalten.“ Was sagt der Experte? Thomas Eigenthaler, dbb Vize und Chef der Deutschen Steuer- Gewerkschaft (DSTG), unter­ stützt die Pläne der „Groko“ als „Schritt in die richtige Richtung“. Der Solidaritätszuschlag sei „psychologisch verbraucht“ und die Ergänzungsabgabe finde 25 Jahre nach ihrer Einführung bei Steuerzahlerinnen und Steu­ erzahlern keine Akzeptanz mehr. Dies müsse ein Gesetzgeber berücksichtigen, so Eigenthaler gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Eine vollständige Abschaffung sei vielleicht wün­ schenswert, aber angesichts von Haushaltsrisiken und Schulden­ bremse nicht sofort umsetzbar. „Ich empfehle aber einen Plan, der die vollständige Abschaf­ fung für alle Steuerzahler im Zeitkorridor von drei bis fünf Jahren vorsieht“, sagte Eigen­ thaler. Das Grundgesetz kenne zwar keine speziellen Vorausset­ zungen für eine Ergänzungsab­ gabe. Aber schon der Ausdruck („Ergänzungsabgabe“) zeige, dass man eine solche Steuer nicht bis zum „Sankt-Nimmer­ leins-Tag“ weiterführen könne. Im Rahmen der parlamentari­ schen Beratungen müsse zudem geprüft werden, ob man die Ent­ lastung nicht ein Jahr früher, nämlich ab 2020, ansetzen müs­ se. „Dies wäre angesichts der ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung ein „kleines ‚Kon­ junkturprogramm‘“, so der stell­ vertretende dbb Bundesvorsit­ zende mit Blick auf die mögli- chen positiven Auswirkungen auf die Binnenkonjunktur durch dann höhere Nettolöhne. ef © Colourbox.de 21 dbb > dbb magazin | Oktober 2019

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