dbb magazin 10/2019

hintergrund Unterschiede zwischen Ost und West Abgehängter Osten, starker Westen? Die neuen Bundesländer sind strukturschwach und arm, während die alten Bundesländer durch wirtschaftliche Stärke glänzen. 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung stimmen diese Ste­ reotypen so pauschal nicht mehr. Aktuelle Unter­ suchungen machen zwar deutlich, dass es trotz aller Angleichung nach wie vor Unterschiede bei Einkommen, Infrastruktur und allgemeinen Le­ bensbedingungen zwischen Ost und West gibt. Die regionale Verteilung zeichnet aber kein ein­ heitliches Bild mehr. Die neue Veröffentlichung des Leibniz-Instituts für Wirt­ schaftsforschung Halle (IWH) mit dem Titel „Vereintes Land – drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall“ zeigt mit Karten und Grafiken, wie sich die Bun­ desrepublik im internationalen Vergleich entwickelt hat und wie es um die innere Einheit steht. Neue Befunde liefert die Publikation unter anderem zur Produktivität in Ost und West, zur Entwicklung von Stadt und Land sowie zur Fachkräftesitu­ ation. „Diese Publikation hilft dabei, die regionalen Unterschiede im heutigen Deutschland zu ver­ stehen“, sagt IWH-Präsident Reint Gropp. „Wir wollen damit auch die Politik ermutigen: Wenn sie die strukturellen Pro­ bleme in Gesamtdeutschland angeht, kann sich auch der Os­ ten gut entwickeln.“ Dazu ge­ höre es, Dienstleistungen als wichtigen Wachstumsmotor zu begreifen. „Wir sollten in Bildung und Wissenschaft in­ vestieren und dadurch Produk­ tivitätspotenziale heben. Und wir sollten unsere Städte als Orte der Innovation und für qualifizierte Zuwanderung attraktiver machen.“ Zwar habe sich Deutschland in den 30 Jahren nach demMau­ erfall im internationalen Ver­ gleich gut entwickelt, konsta­ tieren die IWH-Forscher. Aber die Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen des Landes sind zum Teil immer noch er­ heblich. Ob Wirtschaftsleis­ tung, Löhne, Zuwanderung oder Bildung: Einige Indikato­ ren zeichnen nach wie vor die einstige Teilung zwischen DDR und alter Bundesrepublik nach. Festmachen lässt sich das an drei zentralen Befunden der IWH-Studie. << Mangelnde Produktivität im Osten Die Wirtschaft im Osten Deutschlands ist weniger pro­ duktiv als imWesten. Das liegt nicht nur an fehlenden Kon­ zernzentralen – 464 der 500 größten deutschen Unterneh­ men haben ihren Sitz imWes­ ten der Republik. Das sind rund 93 Prozent. In Ostdeutschland ist eine geringere Produktivität zu verzeichnen, weil Produkti­ vität generell mit der Betriebs­ größe steigt. Selbst wenn die unterschiedlichen Betriebs­ merkmale berücksichtigt wer­ den, haben ostdeutsche Betrie­ be in jeder Größenklasse eine ummindestens 20 Prozent niedrigere Produktivität. Dass Potenziale für Produktivitäts­ steigerungen in Ostdeutsch­ land noch nicht ausgeschöpft werden, hat nach Einschätzung der IWH-Ökonomen auch mit staatlichen Subventionen zu tun: Sind diese an die Bedin­ gung geknüpft, Arbeitsplätze zu erhalten oder zu schaffen, 12 dbb > dbb magazin | Oktober 2019

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