dbb magazin 7-8/2019

europa Neues EU-Förderprogramm für Forschung und Innovation Horizon Europe Mit demmehrjährigen Finanzrahmen laufen Ende 2020 auch die Förderprogramme der Europäischen Union aus – darunter das Programm für Forschung und Innovation „Horizon 2020“. Das neue Programm „Horizon Europe“ soll an die Erfolge des Vorgängers anknüpfen und die Rahmenbedingungen für wettbewerbsfähige For­ schung und Innovation in Europa weiter verbessern. Die Bedeutung freier, politisch unabhängiger Forschung lässt sich vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse in Un­ garn gar nicht genug hervorhe­ ben: Während in Ungarn ganze Forschungsbereiche, die der po­ litischen Führung nicht genehm sind, einfach verboten werden, versucht die Europäische Union, mit ihrem Vorschlag über „das ambitionierteste europäische Forschungs- und Innovations­ programm aller Zeiten“ die langfristige Innovationsfähig­ keit der Europäischen Union durch die Unterstützung einer freien Wissenschaft zu sichern. Das Programm soll die europäi­ sche Wirtschaft stark, nach­ haltig und wettbewerbsfähig machen. Das Forschungsprogramm trägt den Namen „Horizon Eu­ rope“ und soll auf den Erfolgen und Programmlinien des Vor­ gängermodells „Horizon 2020“ aufbauen. Im April 2019 haben die europäischen Institutionen eine politische Einigung über die inhaltliche Ausrichtung des Programms erzielt. Finanziell soll „Horizon Europe“ nach Vorschlag der Kommission mit 100 Milliarden Euro ausgestat­ tet werden. Das Budget hängt aber mit der Entscheidung über den gesamten mehrjährigen Finanzrahmen für die nächsten sieben Jahre, also dem Haus­ halt der Europäischen Union, zusammen. Deshalb scheint es eher wahrscheinlich, dass an dieser Summe im Laufe der Verhandlungen, die voraus­ sichtlich nicht vor 2020 zum Abschluss kommen, noch ein­ mal gedreht wird. << Inhaltliche Ausrichtung und Neuerungen „Horizon Europe“ soll die Kon­ tinuität wahren und gliedert sich deswegen ebenfalls in drei Säulen. Die Exzellenz steht nach wie vor imMittelpunkt, und auch bewährte Finanzie­ rungsregeln und -verfahren bleiben bestehen. Hinzu kom­ men einige Neuerungen, die insbesondere darauf abzielen, eine spürbare Wirkung für die Gesellschaft zu entfalten. In der ersten Säule „Offene Wissenschaft“ sollen die Arbeiten des Europäischen Forschungsrats (ERC) und der Marie-Sklodowska-Curie-Maß­ nahmen wie bisher weiterge­ führt werden, wodurch inter­ national und sektorübergrei- fend die Karrieren von Wissen­ schaftlern gefördert werden. Für die zweite Säule „Globale Herausforderungen und indus­ trielle Wettbewerbsfähigkeit“ sind fünf Cluster vorgesehen, die die Themenbereiche Ge­ sundheit, inklusive und sichere Gesellschaften, Digitales und Industrie, Klima, Energie und Mobilität sowie Nahrungsmit­ tel und natürliche Ressourcen umfassen. Innerhalb dieser Themen sollen sogenannte „Missionen“ für globale Herausforderungen möglich sein, die konkrete Ziele adressieren. Mit den Arbeiten an fünf großen Missionen möchte die Europäische Kommission bereits beginnen. Das wurde Anfang Juli 2019 auf dem Infor­ mellen Rat der Forschungsmi­ nister in Helsinki beschlossen. Bis Ende 2019 werden für die Missionen zu den Themen Kli­ mawandel, Krebs, plastikfreie Ozeane, klimaneutrale Städte sowie Bodengesundheit und Ernährung konkrete Ziele und Zeitpläne festgelegt. Zudem wird für jede der fünf Missio­ nen ein Missionsausschuss mit 15 Experten aus Akademikern, Innovatoren, Zivilgesellschaft, Industrie, Finanzen und Endver­ brauchern gewählt. In der dritten Säule „Offene In­ novation“ sollen marktschaf­ fende und hoch risikoreiche Innovationen gefördert wer­ den, die über konkrete Instru­ mente schnell zu marktfähigen Produkten transferiert werden sollen. Neben dem bereits bestehen­ den Europäischen Forschungs­ rat soll zusätzlich in der dritten Säule ein Europäischer Innova­ tionsrat (EIC) geschaffen wer­ den. Er soll dazu beitragen, schnell veränderliche, riskante Innovationen, die über ein gro­ ßes Potenzial zur Schaffung neuer Märkte ver­ fügen, zu ermitteln und zu fi­ nanzieren. Über zwei Finanzie­ rungsinstrumente soll dieser Innovationsrat Innovatoren di­ rekt unterstützen – einerseits in einer frühen Entwicklungs­ phase, andererseits in der Ent­ wicklung und Markteinfüh­ rung. Der Innovationsrat soll zu einer zentralen Anlaufstelle für Unternehmen und Start- ups werden und eng mit dem Europäischen Innovations- und Technologieinstitut (EIT) zusammenarbeiten. Inwieweit Antragsverfahren und Beteiligungsregeln fort­ bestehen, bleibt abzuwarten. Zentral förderfähig soll aber weiterhin die Verbundfor­ schung sein, wobei in einigen Forschungsbereichen auch einzelnen Forschenden und Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt werden soll, För­ dermittel zu beantragen. Offen sind außerdem noch die Fra­ gen nach Assoziierung und Drittstaatenbeteiligung. Auch wenn das Programm – wie zu erwarten – mit weniger Bud­ get startet als bisher vorgese­ hen, bleibt es ein Bekenntnis zur freien und politisch un­ abhängigen Forschung in Europa. ifs © Europäische Kommission 26 dbb > dbb magazin | Juli/August 2019

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