dbb magazin 7-8/2019

drei fragen . Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister für Forschung und Technologie a. D. Deutschland hat nach wie vor exzellente Ingenieure 1 In Ihre Amtszeit als Bun­ desminister für Forschung und Technologie fielen die ers­ ten Versuche, Windenergie kommerziell nutzbar zu ma­ chen. Heute gehören Wind­ parks zum Landschaftsbild. Worin sehen Sie die Zukunft der umweltfreundlichen Energiegewinnung? Windenergie haben wir in den 80er-Jahren zur Reife entwi­ ckelt – Mühlen mit fünf Flügeln, mit einem Flügel, mit drei Flü­ geln, Geräte mit senkrechter oder waagerechter Achse. Auf Pellworm haben wir sie gegen­ einander konkurrieren lassen, in Stürmen und Seeluft, in der Kattara-Senke in Ägypten und auf den indonesischen Inseln. Und als die Technik weitgehend gereift war, da haben wir be­ gonnen, sie über dieses 300- Megawatt-Windprogramm in den Markt einzuführen. An Son­ nenenergie haben wir gearbei­ tet, für Strom und für Warm­ wasser, im Null-Energie-Haus oder im Sonnendorf Lykovrissi in Griechenland. Heute sind die Techniken ver­ lässlich, und wirtschaftlich werden sie auch. Jetzt müssen wir sie zusammenführen zu Systemen, in Hochspannungs­ leitungen über Land, in intelli­ genten Verteilernetzen, aber auch über die einzelnen Sekto­ ren hinweg in einem Verbund von Strommärkten, Wärme­ märkten und Verkehr. Ent­ scheidend wird sein, dass die Zustimmung zu den neuen Energien als Antwort auf den Klimawandel sich auch aus­ wirkt vor Ort, wenn eine neue Windenergieanlage oder eine Stromtrasse gelegt wird. Und dann brauchen wir drin­ gend große Speicher. Das neue Projekt der Bundesregierung zur Batterieforschung, mit über 500 Millionen Euro ein­ gesetzten Geldes, muss einen wesentlichen Beitrag für neue Batterietechnik leisten. 2 Auch unsere Verkehrsinfra­ strukturen befinden sich in einem grundlegenden Wandel. Deutschland hat zwar viele Spitzentechnologien entwickelt, eingesetzt werden sie aber oft im Ausland. Ein Beispiel dafür ist die Magnetschwebebahn Transrapid, deren Technologie heute in Asien forciert wird. Verliert Deutschland seinen Glanz als Land der Ingenieure? In der Tat war Transrapid eine großartige Leistung deutscher Ingenieure – leise, schnell und technisch tüchtig. Jetzt läuft er in China. Wenn China sich zu einer neuen Technik entschlos­ sen hat, dann wird sie in be­ grenzter Zeit gebaut, und sie gelingt. Deutschland hat nach wie vor exzellente Ingenieure mit einer breiten und tief ge­ staffelten Ausbildung, mit Begeisterung für die Technik. Aber viele Bürger sind zufrie­ den mit der Welt, die sie ge­ wohnt sind und unsere Geneh­ migungsverfahren wollen alle etablierten Interessen berück­ sichtigen. Damit werden sie langwierig und kompliziert. Als die Deutsche Einheit vor 30 Jahren entstand, da haben wir für die neuen Länder Infra­ strukturen unter Sonderbedin­ gungen aufgebaut, für Verkehr, für Strom, für Telekomminika­ tion. Es ging schnell, weil das notwendig war. Wenn es uns gelingt, durch Gesetz und Regulierung, in Verwaltung und Gerichtsver­ fahren schneller zu entschei­ den, dann werden unsere In­ genieure auch für die Zukunft Techniken schaffen, die im Weltmarkt erfolgreich beste­ hen, von der künstlichen Intel­ ligenz, über die Autoindustrie bis zur Biotechnologie. 3 Ältere Menschen und Men­ schen mit Einschränkun­ gen kapitulieren allzu oft vor der Komplexität digitaler Kom­ munikation, weil sie ihnen zu kompliziert ist. Was müsste die Industrie tun, um Geräte und Infrastrukturen im Sinne von „Universal Design“ für alle in­ tuitiv nutzbar zu machen? Ein vielleicht entscheidender Punkt könnte die Steuerung durch das gesprochene Wort sein. Da wird die Industrie im­ mer besser – nicht nur im ge­ nauen Verstehen des Worts und der Wiedergabe in der Schrift, sondern auch im Ver­ ständnis komplexer oder auch ungeschickter Fragen. Wenn jemand mit Handy und PC aufwächst, ist eine Tastatur keine Hemmschwelle. Für älte­ re Leute, die nicht daran ge­ wöhnt sind, kann dies sehr wohl ein Hindernis sein. Aber Gespräche suchen sie gerne, und das hat die Industrie ver­ standen. ? ? ? drei fragen an ... << Heinz Riesenhuber leitete von Oktober 1982 bis Januar 1993 das Bundes­ ministerium für Forschung und Technologie und ist damit in der Geschichte der Bundesrepublik der am längsten amtierende Minister in diesem Ressort. In seine Amtszeit fielen unter anderem die Förderung der Magnetschwebe­ bahn „Transrapid“ und der ersten öffentlichen Windkraftanlage „Growian“, die – für lange Zeit als größte Windkraftanlage der Welt – zur Erprobung der Windkrafttechnologie im Sommer 1983 im Kaiser-Wilhelm-Koog an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste errichtet wurde. Der promovierte Naturwissenschaftler trat 1961 in die CDU ein und war von 1976 bis 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages (MdB). Mit mehr als 40 Jahren Parla­ mentszugehörigkeit steht der 1935 geborene Frankfurter nach Wolfgang Schäuble und Richard Stücklen an dritter Stelle der am längsten amtieren- den MdB. Als ältestes Mitglied im 17. (2009 bis 2013) und 18. Deutschen Bundestag (2013 bis 2017) fungierte Heinz Riesenhuber als Alterspräsident. © AG Melle CC-by-sa 4.0 19 dbb > dbb magazin | Juli/August 2019

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