dbb magazin 7-8/2019

blickpunkt mäß von den Vertretern der beiden Oppositionsparteien im Bundestag. Während Mar­ kus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) ähnlich wie Oellers „überhaupt keinen Sinn“ in der im Koalitionsvertrag formu­ lierten Strategie erkennt und ein bürokratisches Ungetüm auf die Arbeitgeber zukom­ men sieht („Man könnte mei­ nen, ‚Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht‘, ist der Wahlspruch der Groko“, unkte Kurth), warnte Till Mansmann (FDP) vor einem „Schönwetter- Gesetz“: In Zeiten, in denen es aufgrund der konjunkturellen Entwicklung nahezu Vollbe­ schäftigung gebe, seien Befris­ tungen naturgemäß kein Per­ sonalinstrument. „Wenn die Konjunktur aber schlechter wird, und das tut sie gerade, braucht die Wirtschaft eine sozialpolitisch sinnvolle Opti­ on, umMenschen wenigstens befristet statt gar nicht zu be­ schäftigten.“ Als zielführender nannten die beiden Abgeord­ neten eine inhaltliche Überar­ beitung der Befristungsgründe und eine klare Absichtsdefini­ tion für das Gesetz. „Mit Ihrem Vorhaben verhindern Sie näm­ lich nicht eine einzige Ketten­ befristung“, stellte Till Mans­ mann Richtung Koalition klar. Kurth ergänzte, dass viel mehr „Ausweichmanöver der Arbeit­ geber“ zu erwarten seien, um die „ohnehin vollkommen willkürlichen Schwellenwerte“ der bislang formulierten Be­ fristungsbeendigung zu um­ gehen. Dass die Diskussion um Befris­ tungen – mit und ohne Sach­ grund, Kettenbefristungen et cetera – vielschichtig ist, zeigte auch eine weitere Wortmel­ dung aus dem Publikum. << Nicht nur der Zeitplan bleibt unklar Christina Dahlhaus, Bundesvor­ sitzende der Kommunikations- gewerkschaft DPV (DPVKOM), berichtete etwa vom „Entfris­ tungsprogramm“ der Deutschen Post: Wer zwei Jahre sachgrund­ los befristet angestellt war, kann hier unbefristet angestellt werden – vorausgesetzt, in der Zeit hat man nicht mehr als zwei Arbeitsunfälle mit einem bestimmten Schadenswert ver­ ursacht und war nicht mehr als 20 Tage krank. „Hier hätte ich mir von der Politik eine nach­ haltige Kritik an einer solch ge­ sundheitsgefährdenden Unter­ nehmenspraxis gewünscht“, so Dahlhaus. Auch die Frage nach der Mitbestimmung durch die Betriebs- oder Personalräte sei aktuell in den Koalitionsplänen noch völlig unklar. Über den weiteren Gesetzge­ bungsprozess wussten die bei­ den Vertreter der Koalitions­ parteien lediglich zu berichten, dass derzeit im Bundesministe­ rium für Arbeit und Soziales ein Referentenentwurf entste­ he. Eigentlich solle das Geset­ zesvorhaben noch in diesem Jahr abgeschlossen werden, so die SPD-Abgeordnete Hiller- Ohm. Doch die Vorstellungen gingen wohl noch sehr weit auseinander, räumte sie ein. Die Erkenntnisse aus der Dis­ kussion mit dbb und Gesamt­ metall wollen Hiller-Ohm und Wilfried Oellers jedenfalls mit­ nehmen und in die Entwurfs­ arbeit einbringen. Vor diesem Hintergrund bilan­ zierte Oliver Zander, Haupt­ geschäftsführer bei Gesamt­ metall, dass die Diskussionsver- anstaltung gerade zur rechten Zeit stattgefunden habe – auch wenn einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich mit Blick auf die tatsächliche Ausgestal­ tung des Gesetzes gerade von den Koalitionsvertretern mehr „Butter bei die Fische“ (so der Zweite dbb Vorsitzende Fried­ helm Schäfer) gewünscht hät­ ten. Der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach resümierte: „Das Ziel aller Arbeitgeber, ob öffentlich oder privat, muss sein, Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. Hierfür brau­ chen wir eine gut durchdachte, handhabbare Reform des Teil­ zeit- und Befristungsgesetzes. Dem Staat stünde es dabei gut zu Gesicht, im eigenen Laden mit gutem Beispiel voranzuge­ hen. Die Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag werden diesem Anspruch aber noch in keiner Weise gerecht.“ ef/iba << Christina Dahlhaus << Oliver Zander << Podiumsdiskussion: Ulrich Silberbach, Rainer Dulger, Till Mansmann, Moderatorin Juliane Hielscher, Gabriele Hiller- Ohm, Markus Kurth und Wilfried Oellers (von links) 10 dbb > dbb magazin | Juli/August 2019

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