ges Kontrollinstrument, das unter anderem allen Bürgerinnen und Bürgern sowie Parteien und der Presse offensteht. Die Verwaltung ist verpflichtet, diese Anfragen zu beantworten. Das ist allerdings schwierig, wenn Demokratiefeinde sie bewusst mit tausendfachen Anfragen überhäufen und lahmlegen. So paradox es ist, hier wird die Demokratie mit Mitteln angegriffen, die sie eigentlich schützen sollen. Aus der Perspektive der Verwaltung sind das Beispiele für externe Bedrohungen. Was ist mit internen? Aus unserer Sicht muss das Spannungsfeld zwischen parteipolitischer Neutralitätspflicht und Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in den Fokus rücken. Problematisch wäre – mit Blick auf interne Bedrohungen – zum Beispiel, wenn unter den Beschäftigten in der Verwaltung bei einer Richtlinie, die grundsätzlich für alle offen ist, nur noch bestimmte Parteimitglieder Anträge bewilligt bekommen würden. Oder bestimmte Gruppen oder Personen willkürlich vom Antragsrecht ausgeschlossen würden. Kritisch ist außerdem, wenn zum Beispiel unrechtmäßige Anweisungen umgesetzt werden. Es ist von enormer Bedeutung, das Bewusstsein für diese internen Bedrohungen zu schärfen. Seit dem Ende des Nationalsozialismus haben sich alle Parteien und ihre Mitglieder mit relevantem politischen Einfluss zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannt. An diesem gemeinsamen Einverständnis gibt es derzeit große Zweifel. Deshalb muss sich die Verwaltung wappnen. Was muss die Verwaltung dafür tun? Zunächst brauchen wir mehr wissenschaftliche Erkenntnisse zum Umgang mit Angriffen auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung von intern und extern in der Verwaltung. Wie ist der Status quo beziehungsweise das Lagebild in der Verwaltung? Nur eine fundierte Datengrundlage ermöglicht eine zielführende Diskussion. Einen Baustein zu dieser Datengrundlage wollen wir mit einer anonymen Plattform schaffen, auf der Verwaltungsmitarbeitende konkrete Alltagssituationen schildern und eine rechtliche Einordnung zu ihrem spezifischen Sachverhalt erhalten können. Zum einen schaffen wir durch den Austausch mehr Handlungssicherheit für den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin; zum anderen entsteht so perspektivisch eine Datenquelle für das Lagebild. Außerdem müssen wir über Sprache sprechen. Wir erleben die Umdeutung von Begriffen und Verschiebung von Diskursen. Ein aktuelles Beispiel: die Debatte über Bürokratieabbau. Wir sollten nicht vergessen, dass Bürokratie auch positive Seiten hat. Sie gewährleistet, dass Recht verlässlich umgesetzt wird. Die Frage ist: Wollen wir Bürokratie abbauen? Oder geht es nicht vielmehr um Ineffizienz? Bei Letzterem gehe ich mit. Auf Ihrer Website schreiben Sie, dass die Struktur, um die Verwaltung gegen Verfassungsfeinde zu schützen, durchaus vorhanden ist, aber die Kultur fehlt. Was meinen Sie damit? Unser Eindruck ist, dass bei Beschäftigten in der Verwaltung mitunter große Unsicherheiten bestehen: Durch die Verkürzung der parteipolitischen Neutralität zu einer grundsätzlichen Neutralität äußern Mitarbeitende sich nicht zum Schutz der Demokratie, entziehen sich dem Thema und verfallen in Passivität. Wichtig ist mir an dieser Stelle, dass dies nicht als Vorwurf gemeint ist, sondern als nüchterne Beschreibung eines Ist-Zustands – wie gesagt, bislang hatten Parteien, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeiten, keinen nennenswerten Einfluss. Es bestand lange kein Bedarf, sich in dem Maße mit dem Thema zu beschäftigen, wie es heute erforderlich ist. Ein bereits vorhandenes Werkzeug ist die Remonstrationspflicht. Das ist die Pflicht von Beamtinnen und Beamten, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Weisungen anzumelden – ein sehr mächtiges Werkzeug, um die Demokratie zu schützen! In der Praxis kommt es jedoch selten zur Anwendung. Dabei würde es dazu beitragen, eine andere Fehlerkultur im öffentlichen Dienst zu ermöglichen. Wie meinen Sie das? In den hierarchischen Strukturen der Verwaltung darf eine Remonstration nicht unerwünscht sein oder gar als Verrat abgetan werden. Wir sollten es als wertvolles Instrument der Selbstkontrolle verstehen. Alle Ebenen müssen gegebenenfalls Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns kundtun dürfen – natürlich auch unabhängig von einer Remonstration, die nur Beamtinnen und Beamten offensteht. Wie können Führungskräfte die Verwaltung resilienter machen? Welche Rolle fällt ihnen zu? Eine große, denn sie können die Fehlerkultur maßgeblich prägen. Mein Wunsch wäre, dass alle reflektieren und sich fragen: Wo habe ich in meinem Arbeitsalltag Berührungspunkte mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung? Es ist wichtig, konkrete Beispiele zu identifizieren. Diese Beispiele aus dem Arbeitsalltag mit dem eigenen Team zu reflektieren oder auch zu durchdenken, darauf kommt es an. Was ist zu tun, wenn eine Anweisung gegeben würde, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstößt? Dies sind erste, niedrigschwellige Schritte, die in Gesprächen und Teammeetings einfließen können. Unabhängig davon sind Weiterbildungen sinnvoll. Zum Beispiel zur Frage, wie Verwaltungshandeln es ermöglicht hat, die Ideologie der Nationalsozialisten umzusetzen. Das schafft mehr Sensibilität für das Thema. Angenommen, eine Person in der Verwaltung sieht sich mit Demokratiefeindlichkeit konfrontiert – welche Hilfe leisten Sie als Verein? Grundsätzlich stehen wir Betroffenen jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung und verstehen uns als Plattform für den Austausch. Konkret empfehlen wir, kurz innezuhalten und zu reflektieren, woher der Impuls kommt, dass mit einer Weisung oder einem Verwaltungsakt etwas nicht stimmt. Je besser sich das Problem beschreiben lässt, desto zielführender kann man ins Gespräch gehen und Lösungen finden. Unser Ziel ist es, perspektivisch Wissen zu erarbeiten, zu bündeln und zur Verfügung zu stellen – das Erste-Hilfe-Kit Demokratie für Verwaltungsmitarbeitende, das wir auf unserer Website veröffentlicht haben, ist ein Ergebnis dieser Arbeit. Die Fragen stellte Christoph Dierking. _ FOKUS 27 dbb magazin | Dezember 2025
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