dbb magazin 12/2025

Fandrejewski: Natürlich sind Frauen heute deutlich gleichberechtigter als damals. Dennoch sind Frauen, die Kinder bekommen, weiterhin im Berufsleben und bei der Rente benachteiligt. Die Politik müsste bei der Wehrpflicht für Frauen also entsprechend nachsteuern, damit sich diese Ungleichheiten nicht weiter verstärken. Ist die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht vielleicht die bessere Alternative zur Wiedereinführung der Wehrpflicht? Klitzing: Nein, nicht aus meiner Sicht, denn das löst das Problem der notwendigen Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit nicht. Man sollte politisch parallel vorgehen: Wehrpflicht ja, aber wenn die aus individuellen Gründen nicht möglich ist, dann allgemeiner sozialer Dienst in angemessenem Umfang. Fandrejewski: Mit einem Wehrdienst muss aus meiner Sicht die Freiwilligkeit einhergehen. Wichtig ist mir auch zu betonen, dass die oft als „faul“ verschrienen jungen Menschen, insbesondere die der Gen Z, nicht zu einem Gesellschaftsjahr verpflichtet werden müssen. Bereits heute engagieren sich sehr viele Junge ehrenamtlich: in Vereinen, in der Politik oder in Gewerkschaften – und das mit großem Einsatz und viel Leidenschaft. Sollte es aus Gründen der Generationengerechtigkeit nicht auch eine Dienstpflicht für die Alten geben? Die Jungen von heute würden in einigen Jahrzehnten ja ebenfalls ein zweites Mal herangezogen. Klitzing: Dieser Vorschlag soll meines Erachtens nur von einer notwendigen, aber kontrovers diskutierten Entscheidung ablenken. Fandrejewski: Wir sollten uns von der Vorstellung lösen, dass zivilgesellschaftliches Engagement an ein bestimmtes Alter gekoppelt ist. Jung und Alt engagieren sich bereits umfassend. Es ergibt keinen Sinn, die Altersgruppen gegeneinander auszuspielen. Und im Kern geht es doch darum, dass die Bundeswehr zu wenige Leute hat und um die Jungen wirbt. Da geht es auch um die Frage, was für diejenigen gelten soll, die den Kriegsdienst verweigern. Es wäre unfair, wenn die einen „zum Bund“ gehen und die anderen nichts machen – deshalb diskutieren wir über die allgemeine Dienstpflicht. Welche Bildungs- und Karrierevorteile könnten die Attraktivität einer Dienstpflicht erhöhen? Klitzing: Nur bei Wehrpflicht: Ausbildungsabschlussangebote bis hin zur Möglichkeit eines Studiums bei der Bundeswehr bei entsprechend langfristiger Verpflichtung. Bei einer Dienstpflicht sollte der Einsatz im Gemeinwesen einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit sein. Fandrejewski: Die Idee einer allgemeinen Dienstpflicht bietet den Vorteil, dass sie nicht nur auf militärischen Dienst ausgerichtet ist, sondern auch soziale, gesundheitliche, politische oder kulturelle Bereiche umfassen kann. Kann ein solcher Dienst junge Menschen langfristig für soziale und handwerkliche Berufe gewinnen? Klitzing: Das ist denkbar und möglich, aber sicher nicht planbar. Fandrejewski: Da muss ich aus gewerkschaftlicher Sicht klarstellen: Zweck eines verpflichtenden Dienstjahres soll nicht primär sein, den Fachkräftemangel zu kompensieren! Wenn sich für den einen oder anderen herausstellt, dass eine Tätigkeit den eigenen Berufswünschen entspricht, dann ist das natürlich kein Problem, ganz im Gegenteil. Welche Vor- und Nachteile können mit einem sozialen Pflichtjahr einhergehen? Klitzing: Die Vorteile sehe ich im Kennenlernen von Schwierigkeiten jener Menschen, die auf gesellschaftliche Hilfe angewiesen sind, aber nicht so im Medienfokus stehen oder im Median gesellschaftlichen Lebens. Ein Nachteil wäre die möglicherweise entstehende Konkurrenz zwischen (kostenfreien) Dienstleistenden und regulär Beschäftigten. Wenn die aus Jobs verdrängt würden, fände ich das als Gewerkschafter fatal. Fandrejewski: Junge Menschen leben in einer Realität, in der sie mit unendlich vielen Möglichkeiten konfrontiert sind. Die Horizonterweiterung, die ein Pflichtjahr mit sich bringen würde, ist ein großes Plus. Es darf aber kein Nachteil für das spätere Leben entstehen, etwa weil es weniger Rente gibt. Die Fragen stellten Christoph Dierking und Anke Adamik. _ Matthäus Fandrejewski © Alex Habenicht FOKUS 19 dbb magazin | Dezember 2025

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