dbb magazin 12/2025

Streitgespräch zur allgemeinen Dienstpflicht Deutschland braucht dich! In der Diskussion um die Steigerung der Verteidigungsfähigkeit des Landes stehen zahlreiche Vorschläge im Raum: Freiwilligenarmee, Rückkehr zur Wehrpflicht oder ein soziales Jahr für alle. Das dbb-Seniorenmagazin Aktiv im Ruhestand und die Jugend-Website staatklar.org haben gemeinsam bei Matthäus Fandrejewski, Vorsitzender der Bundesjugendleitung, und Horst Günther Klitzing, Vorsitzender der dbb bundesseniorenvertretung, nachgefragt. Um das gleich zu Beginn zu fragen: Haben Sie gedient oder ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert? Horst Günther Klitzing: Ja, 18 Monate Bundeswehr mit freiwilliger Verpflichtung auf zwei Jahre. Mein letzter Dienstgrad war Leutnant der Reserve. Matthäus Fandrejewski: Nein, das habe ich nicht. Ich habe nach der Schule erst eine Berufsausbildung gemacht. Im Anschluss, 2011, musste ich zur Musterung – als einer der Letzten, die überhaupt gemustert wurden. Wenige Wochen später hat der Bundestag die Wehrpflicht ausgesetzt. Deshalb musste ich nicht zum Bund und auch keinen Zivildienst leisten. Welche Erinnerungen verbinden sich für Sie mit dieser Zeit? Klitzing: Gemischte – interessante Begegnungen mit Personen, mit für einen Abiturienten fremden beruflichen und persönlichen Erfahrungen; das war hilfreich bei meiner Entscheidung über die Studienwahl. Auf der anderen Seite viel zeitliche „Gammelei“ im Normaldienst jenseits der Lehrgänge. Fandrejewski: In meinem Umfeld gab es viele, die sich nach der Schule zivilgesellschaftlich im In- und Ausland engagiert haben, im Rahmen des Zivildienstes, eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder des Work-and-Travel-Programms. Meine Wahrnehmung ist: All das erweitert den eigenen Horizont und ist auch für die Gesellschaft von großer Bedeutung. Die personelle Aufstockung der Bundeswehr soll über Freiwillige erfolgen. Erst wenn sich so nicht genügend von ihnen finden, würde die Wehrpflicht wiedereingeführt. Freiwilligkeit hier, der Bedarf, mit dem die Verteidigung steht und fällt, dort – wie denken Sie über diesen Zielkonflikt? Klitzing: Die Überlegung der „Freiwilligkeit“ entspringt dem Unwillen zu einer politischen Entscheidung gegen den Zeitgeist. Naturgemäß würde die bei Betroffenen immer auch auf Ablehnung stoßen. Zudem scheint die Presse mehrheitlich gegen eine neue Wehrpflicht zu sein. Deren Vertreter stammen aus einer Zeit bequemen Wohlstands und des Widerstands gegen die Atomkraft, die Stationierung von amerikanischen Raketen in Deutschland und die Ausbildung an Waffen zu Verteidigungszwecken. Fandrejewski: Den Zielkonflikt sehe ich auch. Natürlich erfordert die sicherheitspolitische Lage, dass wir ausreichend Soldatinnen und Soldaten haben. Andererseits hat das Grundgesetz vorgesehen, dass niemand zum Dienst an der Waffe gezwungen werden kann. Niemand soll, das steht für mich an oberster Stelle, gegen seinen Willen zur Bundeswehr müssen. Deshalb habe ich auch den Vorschlag mit dem Losverfahren, der anscheinend aber vom Tisch ist, sehr kritisch gesehen. Früher war ein Wehrdienst für Frauen nicht vorgesehen, weil die ja die Kinder bekamen. Ist dieses Argument veraltet? Klitzing: Grundsätzlich nicht, aber nach der Zulassung der Einstellung von Frauen in die Bundeswehr kann es nicht mehr als zeitgemäß angesehen werden. Horst Günther Klitzing © Andreas Pein 18 FOKUS dbb magazin | Dezember 2025

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