dbb magazin Zivile Wehrverwaltung | Dienstleister für die Truppe Interview | Thomas Röwekamp, Vorsitzender Verteidigungsausschuss des Bundestages Einkommensrunde für die Beschäftigten der Länder | Der Staat muss attraktiver werden 12 | 2025 Zeitschrift für den öffentlichen Dienst
Rückhalt für das Rückgrat der Zeitenwende Wer Wehrdienst sagt, muss die zivile Wehrverwaltung mitdenken. Die neue Bedrohungslage verlangt nicht nur mehr Soldatinnen und Soldaten, sondern auch eine leistungsfähige Verwaltung, die Fragebögen verschickt, Musterungen organisiert und Verfahren digital abwickelt – ohne dafür militärische Dienstposten zweckzuentfremden. Darauf pocht der VerteidigungsausschussVorsitzende Thomas Röwekamp im Interview: Die Truppe konzentriert sich auf Landes- und Bündnisverteidigung, den Rest muss ein robustes ziviles Rückgrat leisten. Ohne das hebt kein Transportflugzeug ab, sticht keine Fregatte in See. Der geplante Neue Wehrdienst macht die Dimension sichtbar: Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr muss wieder ganze Jahrgänge mustern, Karrierecenter ausbauen und spezialisierte Musterungszentren aufbauen. Parallel soll der Personalkörper der Bundeswehr auf insgesamt rund 460 000 Männer und Frauen anwachsen. Das gelingt nur mit zusätzlichem Zivilpersonal, moderner IT, verlässlicher Finanzierung und schneller Flächenbereitstellung. Beschaffung und Digitalisierung zeigen, wie die Verwaltung dabei Tempo machen kann und muss. Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr hat zum Beispiel Verfahren verkürzt, Regeln entrümpelt und Rahmenverträge ausgebaut. Die Politik muss jetzt schnell für attraktive Bedingungen, effiziente Verfahren und klare Zuständigkeiten sorgen. Nicht zuletzt entscheidet sichtbarer politischer Rückhalt für die Beschäftigten darüber, ob die zivile Wehrverwaltung den wachsenden Aufgaben gerecht werden kann. br 12 4 16 TOPTHEMA Zivile Wehrverwaltung AKTUELL TARIFPOLITIK Einkommensrunde für die Beschäftigten der Länder: Der Arbeitgeber Staat muss attraktiver werden und besser bezahlen 4 NACHRICHTEN Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Besoldung: Warnsignal für alle Dienstherren 6 Innenausschuss des Deutschen Bundestages: Schnelle Beihilfebearbeitung für Bundesbeamte 7 Bürokratieabbau: Bessere Gesetze für weniger Bürokratie 8 FINANZPOLITIK Wirtschaftliche Entwicklung: Spielräume für Investitionen nutzen 10 FOKUS INTERVIEW Thomas Röwekamp, Vorsitzender Verteidigungsausschuss des Bundestages: Der Bedarf wird deutlich steigen 12 DOSSIER ZIVILE WEHRVERWALTUNG Zivile Berufe bei Bundeswehr und Wehrverwaltung: Karriere mit Sicherheit für Deutschland 14 Nachgefragt bei BAAINBw-Präsidentin Annette Lehnigk-Emden 15 Neuer Wehrdienst: Zivile Grundlagen militärischer Stärke 16 Streitgespräch zur allgemeinen Dienstpflicht: Deutschland braucht dich! 18 Job-Portrait Studium der Wehrtechnik: Für die Sicherheit der Bundesrepublik sorgen 20 Cyber Innovation Hub der Bundeswehr: Pioniergeist am Tal des Todes 22 INTERN 67. Jahrestagung in Köln: Starker Staat – Krisenfest und Bürgernah. 28 JUGEND, FRAUEN, SENIOREN UND EUROPA Kampf gegen Extremismus: Prävention statt Wegsehen 30 Gewalt gegen Frauen: Keine Toleranz 31 Hauptversammlung: Für ein Miteinander aller Generationen 32 Andrea Wechsler, Präsidentin der Europa- Union Deutschland: „Mein Ziel ist ein Europa, das Chancen schafft“ 33 SERVICE Impressum 41 KOMPAKT GEWERKSCHAFTEN 42 STARTER © Unsplash/Jack Stapleton 28 AKTUELL 3 dbb magazin | Dezember 2025
TARIFPOLITIK Einkommensrunde für die Beschäftigten der Länder Der Arbeitgeber Staat muss attraktiver werden und besser bezahlen 7 Prozent, mindestens 300 Euro mehr Entgelt: Das ist die Kernforderung der Gewerkschaften für die Einkommensrunde mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), die am 3. Dezember 2025 in Berlin startet. Der dbb Bundesvorsitzende Volker Geyer erläuterte die Forderung am 17. November 2025 vor der Presse in Berlin: „Der öffentliche Dienst ist die Lösung für viele der Probleme, die unser Land derzeit und in Zukunft in ihrem Bann halten”, sagte er. „Man muss ihn nur lassen und man darf ihn nicht länger beschneiden. Die Menschen zweifeln zumeist nicht an Demokratie und Pluralismus, sie misstrauen aber einem Staat, der die Basics nicht geregelt bekommt.“ 73 Prozent der Bürgerinnen und Bürger hielten den Staat inzwischen für überfordert. Vernachlässigte Straßen, Pflegenotstand, Unterrichtsausfall und das generell schwindende Sicherheitsgefühl der Bevölkerung haben eine gemeinsame Ursache, betonte Geyer: „fehlendes Personal. Um am Arbeitsmarkt nicht immer weiter hinter der Privatwirtschaft zurückzufallen, muss der öffentliche Dienst dringend attraktiver werden und besser bezahlen. Genau darüber verhandeln wir ab 3. Dezember mit den Ländern.“ Zukunftsfähigkeit steht auf dem Spiel Wer Deutschland fit für die Zukunft machen wolle, sei auf einen starken öffentlichen Dienst angewiesen. Es gelte, die Infrastruktur zu verbessern und die Digitalisierung voranzutreiben: „All diese Dinge brauchen gutes Personal“, so der dbb-Chef. „Die Länder argumentieren dann gerne mit den sicheren Arbeitsplätzen. Aber sie wissen auch: Sichere Arbeitsplätze gleichen keine Inflation aus und zahlen keine Mietsteigerung. Die Beschäftigten haben ein Recht auf faire und leistungsgerechte Bezahlung.“ Geyer kritisierte erneut die Ankündigung der Bayerischen Landesregierung, das zu erzielende Tarifergebnis nur nach sechsmonatiger Verzögerung auf die Landesbeamtinnen und -beamten übertragen zu wollen: „Das ist kontraproduktiv, unfair und demotivierend. Um das klar zu sagen: Wir fordern von allen Ländern die zeitgleiche und systemgerechte Übertragung des Verhandlungsergebnisses auf den Beamtenbereich. Erst dann wird diese Einkommensrunde abgeschlossen sein.“ Übertragung kein Selbstläufer Andreas Hemsing, Zweiter Bundesvorsitzender des dbb und Fachvorstand Tarifpolitik, hatte zuvor vor der dbb Bundestarifkommission (BTK) deutlich gemacht, dass Konflikt und Kompromiss natürlich auch zu dieser Einkommensrunde gehören werden. „Und zu beidem sind wir in der Lage. Aber es geht angesichts der angespannten gesellschaftlichen Situation auch um etwas anderes: Die Position der am Potsdamer Verhandlungstisch sitzenden Arbeitgebervertreter, sich nur als Abgesandte ihrer Finanzministerien zu verstehen, würde der allgemeinen Situation nicht gerecht.“ Dieser Blickwinkel allein sei nie hilfreich gewesen. Jetzt sei es angesichts der für jedermann sichtbaren Defizite in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes nicht länger akzeptabel, diese Probleme bei den Pressekonferenz zur Einkommensforderung am 17. November 2025 in Berlin: dbb-Vize Andreas Hemsing und dbb Bundesvorsitzender Volker Geyer (von links). Abstimmung in der dbb Bundestarifkommission. © Marco Urban © Friedhelm Windmüller 4 AKTUELL dbb magazin | Dezember 2025
Verhandlungen einfach auszuklammern. „Das werden wir nicht zulassen“, so Hemsing. Geyer und Hemsing stellten aber auch klar, dass der dbb „mit seinen Forderungen und mit seiner Kritik keine offenen Türen einrennen wird. Und deshalb brauchen wir nicht nur motivierende Forderungen und gute Argumente, sondern auch Geschlossenheit und Aktionsfähigkeit, um unsere berechtigten Anliegen durchzusetzen.“ Roland Staude, Landesvorsitzender des DBB NRW, hatte vor der BTK darauf hingewiesen, dass die „zeit- und wirkungsgleiche Übertragung des zu erzielenden Tarifergebnisses zum Lackmustest für die Landesregierungen wird, ob sie es mit ihrer Wertschätzung für den öffentlichen Dienst tatsächlich ernst meinen“. Die Übertragung auf die Landes- und Kommunalbeamtinnen und -beamten sowie die Versorgungsempfängerinnen und -empfänger werde in nahezu allen Bundesländern kein Selbstläufer. 7 % auch für Hessen gefordert „Wir sehen unsere Tarifforderungen als Beitrag zur ‚Investitionsoffensive für Hessen‘“, sagte dbb-Tarifchef Andreas Hemsing am 24. November 2025 in Berlin nach der Forderungsfindung. Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein hatte bereits im Juni von einer entsprechenden Offensive gesprochen. Hemsing: „Ein starkes Hessen braucht einen starken Landesdienst. Wenn der Ministerpräsident und Innenminister Roman Poseck es ernst damit meinen, dürfen sie unsere Forderung nicht wie üblich als unrealistisch abtun, sondern müssen sie als Chance begreifen, in die Beschäftigten und die Zukunft Hessens zu investieren. Es geht hier um nicht weniger als die Frage, was Hessen sein will: Vorbild oder Mittelmaß.“ Heini Schmitt, Vorsitzender des dbb Hessen, sagte: „Die ausgehandelten Ergebnisse der Tarifeinigung müssen selbstverständlich zeitgleich und systemkonform auf die Beamtinnen und Beamten sowie die Versorgungsempfängerinnen und -empfänger übertragen werden. Nach jahrelang andauernder verfassungswidriger Unteralimentation darf etwas Anderes erst gar nicht in Erwägung gezogen werden.“ Der dbb fordert das Land auf, direkt zur ersten Verhandlungsrunde klarzustellen, die Beamtinnen und Beamten des Landes und der Kommunen nicht im Regen stehen zu lassen. _ > Erhöhung der Tabellenentgelte um 7 Prozent, mindestens 300 Euro bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. > Erhöhung der Zeitzuschläge gemäß § 8 Abs. 1 TV-L um jeweils 20 Prozentpunkte und Errechnung auf der Basis der individuellen Stufe, mindestens jedoch der Stufe 3. > Erhöhung der Entgelte der Auszubildenden, Studierenden, Praktikantinnen und Praktikanten um 200 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. > Übernahme der Auszubildenden und dual Studierenden nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung unbefristet und in Vollzeit im erlernten Beruf. > Tarifierung der Arbeitsbedingungen der studentischen Beschäftigten, insbesondere: einheitliches Mindeststundenentgelt von 17 Euro im ersten Beschäftigungsjahr, 18 Euro im zweiten Beschäftigungsjahr und 19 Euro ab dem dritten Beschäftigungsjahr (Beginn ab dem ersten Arbeitsvertrag) bei einer Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten für jeden einzelnen Vertrag; Mindeststundenumfang von 40 Stunden pro Monat. Von den Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sind etwa 3,5 Millionen Beschäftigte betroffen: direkt rund 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte der Bundesländer (außer Hessen), indirekt rund 1,4 Millionen Beamtinnen und Beamte der entsprechenden Länder und Kommunen sowie rund eine Million Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger. Es sind drei Verhandlungsrunden für den 3. Dezember 2025, den 15./16. Januar sowie den 11. bis 13. Februar 2026 vereinbart. Alle Informationen zur Einkommensrunde gibt es unter dbb.de/einkommensrunde. Das fordern die Gewerkschaften dbb-Tarifchef Andreas Hemsing. Das Tarifergebnis für die Beschäftigten von Bund und Kommunen – hier Kolleginnen und Kollegen am 13. März 2025 in Bochum – gilt als Messlatte für die Länderrunde. © Friedhelm Windmüller © Friedhelm Windmüller AKTUELL 5 dbb magazin | Dezember 2025
Einkommensrunde 2025/2026 Lineare Erhöhung steht im Vordergrund Im Interview mit der Rheinpfalz spricht dbb-Chef Geyer über die anstehende Einkommensrunde mit den Ländern und kritisiert die Bayerische Landesregierung scharf. Die Forderungen werden widerspiegeln, dass die Einkommen im öffentlichen Dienst immer noch hinter denen in der Privatwirtschaft herhinken“, erklärte der dbb Bundesvorsitzende Volker Geyer bereits im Vorfeld der Bundestarifkommission (BTK) im Interview mit der Rheinpfalz vom 14. November 2025. „Die Länder stehen in Konkurrenz mit dem Bund und den Kommunen, die besser zahlen. Außerdem haben auch die Beschäftigten bei den Ländern steigende Lebenshaltungskosten.“ Der öffentliche Dienst biete zwar sichere Arbeitsplätze, aber „ein sicherer Arbeitsplatz zahlt weder die Miete noch die Stromrechnung“. Mit Bund und Kommunen wurde Anfang des Jahres eine Erhöhung der Einkommen um insgesamt 5,8 Prozent vereinbart. Das habe bei den Kolleginnen und Kollegen der Länder natürlich Erwartungen geweckt, so Geyer. „Unsere Regionalkonferenzen haben gezeigt, dass diesmal das Einkommen im Vordergrund steht – insbesondere in Form einer linearen Erhöhung.“ Fehlsignal aus Bayern Geyer sprach in dem Interview mahnende Worte in Richtung der Bayerischen Landesregierung. Der Freistaat hatte zuvor angekündigt, das Tarifergebnis erst sechs Monate später auf die Beamten zu übertragen. „Bayern sendet damit das komplett falsche Signal. Laut unserer Bürgerbefragung sagen 73 Prozent der Menschen, der Staat sei nicht mehr handlungsfähig. Da kann ich doch nicht hergehen und noch vor Beginn der Tarifverhandlungen so ein negatives Signal in die Beamtenschaft senden.“ Hinzu kommt: Dem öffentlichen Dienst fehlen schon heute 600 000 Beschäftigte. Geyer weiter: „Es gibt Überstunden ohne Ende. Nachwuchskräfte bekommen wir nur, wenn wir auch gut bezahlen. Wenn die Länder die Erhöhung für die Beamten tatsächlich verschieben wollen, wird das auf jeden Fall auf unseren Widerstand stoßen.“ Beschäftigte wollen weniger Bürokratie Auch der Bürokratieabbau war Gegenstand des Interviews. Der dbb unterstütze Karsten Wildberger, den neuen Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung, in seinem Tun: „Auch wir wollen weniger Bürokratie. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes leiden unter zu viel Bürokratie.“ Die vereinbarten Maßnahmen des sogenannten Entlastungskabinetts reichen allerdings nicht aus. „Die Bundesregierung kann nur einen Teil der Maßnahmen alleine umsetzen. Vieles davon muss vor Ort in den Kommunen oder in den Ländern umgesetzt werden.“ Die Beschäftigten müssen daher in die Entscheidungen eingebunden und umfassend fortgebildet werden. _ © Andreas Pein NACHRICHTEN Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Besoldung Warnsignal für alle Dienstherrn Die Besoldung der Beamtinnen und Beamten des Landes Berlin war in mehreren Jahren zu gering, hat das Bundesverfassungsgericht erneut geurteilt. Und setzt zugleich neue Maßstäbe. Die am 19. November 2025 veröffentlichte Entscheidung betrifft zunächst und unmittelbar die Besoldung der gesamten Besoldungsordnung A im Land Berlin in den Jahren 2008 bis 2020. Der dbb Bundesvorsitzende Volker Geyer sagte: „Erneut mussten Beamtinnen und Beamte bis vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe ziehen, um recht zu bekommen. Wertschätzung durch den Dienstherrn sieht anders aus.“ Gut und zwingend ist aus Sicht des dbb Chefs, dass die Entscheidung klare und zeitnahe Umsetzungspflichten enthält: Der Gesetzgeber des Landes Berlin muss bis zum 31. März 2027 verfassungskonforme Regelungen treffen. Geyer wies darauf hin, dass das Urteil unmittelbare Auswirkungen für Berlin habe und die entsprechenden Jahre betreffe. Bei 6 AKTUELL dbb magazin | Dezember 2025
Innenausschuss des Deutschen Bundestages Schnelle Beihilfebearbeitung für Bundesbeamte Bei einer Sitzung des Innenausschusses im Bundestag hat dbb-Vize Heiko Teggatz am 3. November 2025 als Sachverständiger für dringend notwendige Verbesserungen bei der Beihilfe geworben. Es kann nicht sein, dass die Beamtinnen und Beamten durch Krankheitskosten in existenzbedrohende Situationen kommen. Das kann aber im Extremfall passieren, wenn etwa Behandlungen unterbrochen werden müssen, weil die Kosten nicht bezahlt werden können. Um das zu vermeiden, braucht es die jetzt geplante Änderung des Bundesbeamtengesetzes. Wir setzen darauf, dass der Bundestag die Neuregelung zügig verabschiedet“, sagte Teggatz, der auch Bundesvorsitzender der DPolG Bundespolizeigewerkschaft ist, im Innenausschuss. Konkret sieht die geplante Änderung vor, dass künftig beantragte Erstattungen von Beihilfeaufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen ohne Prüfung als erstattungsfähig gelten, sofern die Beihilfefestsetzungsstelle nicht innerhalb von vier Wochen über den Beihilfeantrag entschieden hat. Diese sogenannte Fiktionsregelung soll bis zum Ablauf des Jahres 2031 befristet sein. Zugleich soll durch die gleichzeitige Etablierung eines Risikomanagementsystems eine Beschleunigung der Bearbeitung sichergestellt werden, damit die Anwendung der Fiktionsregel auf Ausnahmefälle begrenzt bleibt. Teggatz wies in diesem Zusammenhang auch auf die Situation des Personals hin, das in der Beihilfebearbeitung eingesetzt wird: „Die Zahl der Erstattungsanträge steigt, während wir auch in diesem Bereich des öffentlichen Dienstes den Fachkräftemangel spüren. Eine Entlastung durch entsprechende Möglichkeiten der Vereinfachung, Digitalisierung und auch der neuen Fiktionsregelung sollte unbedingt genutzt werden.“ _ Heiko Teggatz (Zweiter von rechts) im Innenausschuss des Deutschen Bundestages. © dbb Kompromissfähig auch in schwierigen Zeiten Vier Jahre lang war Karin Welge Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). Der Zweite Vorsitzende des dbb und Fachvorstand Tarifpolitik Andreas Hemsing würdigte ihren Einsatz für die Sozialpartnerschaft bei der Verabschiedung am 6. November 2025 in Frankfurt am Main: „Als Präsidentin der VKA haben Sie immer den Gedanken hochgehalten, gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen im öffentlichen Dienst zu finden.“ Welge war bei den Einkommensrunden von Bund und Kommunen 2023 und 2025 eine der beiden Verhandlungsführerinnen für die Arbeitgeberseite. Hemsing betonte, dass die Zusammenarbeit auch unter schwierigen Bedingungen funktioniert habe: „Die multiplen Krisen der letzten vier Jahre haben unsere Tarifpartnerschaft in vielerlei Hinsicht erschwert. Zuletzt brauchten wir zweimal eine Schlichtung. Aber wir haben auch in diesen schwierigen Zeiten am Ende stets einen Kompromiss hinbekommen. Wir waren gemeinsam handlungsfähig – und darauf kommt es an. All das gehört zu einer streitbaren, aber eben doch funktionierenden Sozialpartnerschaft.“ Karin Welge verabschiedet weiteren Verfahren, die andere Länder und Jahre betreffen, stehen noch Urteile aus. Zur Beurteilung, ob Besoldungsregelungen verfassungskonform sind, hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Urteil seine eigenen Prüfkriterien aus dem Jahr 2020 konkretisiert. Geyer: „Angesichts der Vielzahl an Klagen gegen die Besoldung ist dieser Schritt nachvollziehbar – und ein weiteres Warnsignal für alle Dienstherrn. Welche Konsequenzen sich aus diesen neuen Maßstäben ergeben, werden wir nun intensiv prüfen.“ Der dbb Chef machte aber mit Blick auf die anstehende Einkommensrunde mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder deutlich: „Karlsruhe betont im heutigen Urteil wie bereits in der Vergangenheit: Die Gesetzgeber haben eine Pflicht zur kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldung. Das ist ein weiteres Warnsignal für die Dienstherrn, insbesondere für die Landesregierungen mit Blick auf die Einkommensrunde: Die Besoldung der Beamtinnen und Beamten ist kein Selbstbedienungsladen für Politikerinnen und Politiker mit Haushaltsproblemen. Alle Dienstherrn müssen in ihrem eigenen Interesse eine amtsangemessene Alimentation sicherstellen. Dazu gehört für uns auch eine zeit- und wirkungsgleiche Übertragung der Tarifergebnisse auf die Besoldung und Versorgung.“ _ Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. © Bundesverfassungsgericht/lorenz.fotodesign AKTUELL 7 dbb magazin | Dezember 2025
Bürokratieabbau Bessere Gesetze für weniger Bürokratie Die Bundesregierung hat am 5. November 2025 ein Entlastungspaket für langfristigen Bürokratieabbau beschlossen. Auf der Agenda des sogenannten Entlastungskabinetts stehen rund 50 Eckpunkte, die eine Grundlage für konkrete Gesetzesvorhaben für die kommenden Monate bilden sollen. Karsten Wildberger (CDU), Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung, sagte dazu: „Die Regierung hat nun einen konkreten Plan für langfristigen Bürokratierückbau. Damit schalten wir das Entlastungspaket scharf – in Umfang, Struktur und Konsequenz ist das ein Ergebnis, wie Deutschland es seit vielen Jahren nicht erlebt hat.“ Viele der 50 Eckpunkte sollen demnach zu substanziellen Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft führen und zügig in Gesetzesform gebracht werden. Unter anderem will sich die Bundesregierung für weniger Akten, bessere Straßen, Schienen und Brücken starkmachen sowie Genehmigungsverfahren über das Infrastruktur-Zukunftsgesetz beschleunigen, bündeln, verschlanken und digitalisieren. Die Novelle des Energieeffizienzgesetzes beinhaltet eine 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinie, inklusive eines Praxischecks mit Fokus auf Rechenzentren, was Pflichten präziser und den Aufwand geringer machen soll. Weiterhin sieht die Initiative Anpassungen des Bauvertragsrechts vor, um Bauen einfacher, günstiger und schneller zu machen. Beim Arbeitsschutz soll die Anhebung der Schwelle für Sicherheitsbeauftragte in Betrieben rund 123 000 Beauftragte entfallen lassen, zudem sollen Formvorgaben modernisiert werden. Nicht zuletzt will die Bundesregierung den Ausbau von Mobilfunk- und Glasfasernetzen durch eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes beschleunigen und Ausbauhindernisse beseitigen. Ebenso hat das Entlastungskabinett acht konkrete Maßnahmen beschlossen, die unmittelbar umgesetzt werden und mindestens 100 Millionen Euro an Entlastung bringen sollen. Das umfasst unter anderem die Vereinfachung der Gewerbeordnung und die Aufhebung von Berichtspflichten für verschiedene Bereiche, die Digitalisierung des Vollzugs von Immobilienverträgen und zielgerichtete Erleichterungen hinsichtlich steuerlicher Verordnungen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Zusammenarbeit mit der EU. Die Bundesregierung will sich auch in Brüssel aktiv für den Abbau überflüssiger Bürokratie einsetzen und darauf hinwirken, dass neue EU-Vorgaben einfacher und schlanker ausgestaltet werden. „Wir wollen kein deutsches Gold-Plating mehr – stattdessen setzen wir auf 1:1-Umsetzung und klare Vereinfachung“, betonte Wildberger. Geyer: aufwärmen für den Marathon Der dbb setzt sich seit Langem für Bürokratieabbau ein und setzt darauf, dass die Bundesregierung auf diesem Weg nicht das Wesentliche aus den Augen verliert. „Die beschlossenen Maßnahmen sind ein gutes Aufwärmprogramm, aber der Marathon geht gerade erst los“, sagte der dbb Bundesvorsitzende Volker Geyer mit Blick auf die Beschlüsse. „Dass Digital- und Staatsmodernisierungsminister Karsten Wildberger diese Projekte entschlossen vorantreibt, begrüßen wir. Die größte Aufgabe wird sein, die Prozesse in den Verwaltungen zu vereinfachen – und damit endlich die dringend benötigte Entlastung der Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst zu ermöglichen.“ Kurzfristige Kosteneinsparungen für Unternehmen durch den Abbau von Schutzstandards dürfen dabei aber nicht das primäre Ziel sein, sondern Verfahrensvereinfachung. „Die Bundesregierung hat angedacht, die Zahl der Sicherheitsbeauftragten in Unternehmen zu reduzieren. Wenn dadurch mehr Arbeitsunfälle passieren und die entsprechenden Folgekosten steigen, ist nichts gewonnen – im Gegenteil“, so Geyer, der betont, dass das entscheidende Instrument für Bürokratieabbau eine bessere Gesetzgebung sei. Denn die Verwaltung ist an Recht und Gesetz gebunden. Wer ihre Arbeit vereinfachen will, müsse hier ansetzen: „Bei der Qualität und der Quantität der Gesetze. Mit Blick auf den Personalmangel im öffentlichen Dienst sind eine konsequente Aufgabenkritik, bessere Prozesse, mehr Digitalisierung und KI-Einsatz nötig.“ Hemsing: Entlastung statt Belastung Auch dbb-Vize Andreas Hemsing sieht den Schlüssel für erfolgreichen Bürokratieabbau in Entlastung statt Belastung. Auf dem Bundeskongress Bürokratieabbau des „Behörden Spiegel“ sagte er © Unsplash.com/Getty Images 8 AKTUELL dbb magazin | Dezember 2025
am 5. November 2025 in Berlin: „Wenn unnötige Bürokratie viel Arbeitskraft bindet, die an anderer Stelle dringend benötigt wird, steht die Handlungsfähigkeit des Staates auf dem Spiel.“ Bürokratieabbau werde nur erfolgreich sein, wenn es Verbesserungen bei der Rechtsetzung gibt. „Bessere Gesetze bedeuten weniger Bürokratie“, erklärte Hemsing. „Am Ende sind Verständlichkeit und Praxistauglichkeit entscheidend. Und wer wissen will, ob ein Gesetz funktioniert, muss diejenigen fragen, die es am Ende umsetzen müssen. Gerade die Kommunen und ihre Mitarbeitenden müssen viel stärker in den Gesetzgebungsprozess eingebunden werden.“ Bürokratieabbau gelinge nicht durch noch mehr Berichte über Bürokratieabbau, sondern durch Mut zur Vereinfachung. Mittlerweile gebe es in Deutschland über 12 000 Gesetze, 20 000 Verordnungen und 200 000 Verwaltungsvorschriften. „Das ist zu viel und einiges davon ist nicht zielführend“, kritisierte der Zweite Vorsitzende und Fachvorstand Tarifpolitik des dbb. Gespräch mit Rainer Dulger Bereits am 22. Oktober 2025 hatte dbb-Chef Volker Geyer mit dem Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, über die Faktoren für die Verwaltung der Zukunft gesprochen. „Bürokratie ist eine notwendige Organisation des Staatsapparates. Im Überfluss belastet sie jedoch Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und die Verwaltung. Deswegen ist es an der Zeit, den Hebel in die Hand zu nehmen und unsere Verwaltungen durch Digitalisierung leistungsfähiger und effizienter zu gestalten.“ Dabei gehe es auch um die Senkung von Bürokratiekosten durch Digitalisierung. Ein wichtiger Bestandteil sei dabei das Once-Only-Prinzip, bei dem Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen ihre Daten nur einmalig eingeben müssen, um sie allen relevanten Behörden zur Verfügung zu stellen. Beim Bürokratieabbau sind aber in erster Linie die Gesetzgeber gefragt. „Die Flut an Gesetzen, Verordnungen und Regularien, die von der Politik verabschiedet werden, sorgt für Überlastung der Beschäftigten in den Verwaltungen“, kritisierte Geyer. „Der Vollzug der Gesetze muss daher bereits im Gesetzgebungsverfahren beachtet und geprüft werden.“ Letztlich könne nur eine leistungsfähige und gut ausgestattete Verwaltung öffentliche Sicherheit, sozialen Frieden und Rechtsstaatlichkeit aufrechterhalten. _ Die komplette Liste aller Entlastungsvorhaben: t1p.de/buerokratierueckbau Webtipp BDA-Präsident Rainer Dulger (links) und Volker Geyer Andreas Hemsing auf dem Bundeskongress Bürokratieabbau des „Behörden Spiegel“. © BDA © Boris Trenkel Einheitsversicherung löst keine Probleme Im Gespräch mit Tino Sorge, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, hat dbb-Vize Maik Wagner vor der sogenannten Bürgerversicherung gewarnt. Das Kostenproblem im Gesundheitssystem sei unbestritten, die vermeintliche Lösung durch eine angeblich solidarische Bürgerversicherung jedoch sachlich falsch, machte Wagner am 11. November 2025 deutlich. „Fakt ist: Im nächsten Jahr ist mit deutlich steigenden Beiträgen auch in der privaten Krankenversicherung (PKV) zu rechnen. Die eigentlichen Probleme treffen die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und PKV gleichermaßen: stark steigende Arzneimittelpreise, teilweise organisierter Leistungsmissbrauch im Bereich der Verhinderungspflege oder auch die Überversorgung im Bereich der bildgebenden Medizin.“ Eine grundlegende Reform der Pflege sei notwendig, aufgrund der Fragilität des Systems gehe dabei jedoch Gründlichkeit vor Schnelligkeit. „Sonst ist die flächendeckende ambulante und stationäre Versorgung besonders in ländlichen Regionen in Gefahr. Wenn die Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Zukunft der Pflege vorliegen, bringen wir uns gerne in einen konstruktiven Dialog ein. Populistische Schnellschüsse lehnen wir aber entschieden ab.“ Gesundheitssystem AKTUELL 9 dbb magazin | Dezember 2025
Wirtschaftliche Entwicklung Spielräume für Investitionen nutzen Der öffentliche Dienst in Deutschland zeichnet sich durch eine enorme berufliche Vielfalt aus. Wie breit die Palette ist, spiegeln die unter dem Dach des dbb organisierten 41 Fachgewerkschaften und 16 Landesbünde wider. Unter den mehr als 1,3 Millionen Mitgliedern finden sich alle Tätigkeitsfelder im öffentlichen Dienst. Die Beschäftigten leisten einen unverzichtbaren Beitrag für das Funktionieren unserer Gesellschaft. Doch die Kolleginnen und Kollegen stehen zunehmend unter Druck und verlangen zu Recht Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen. Sie garantieren die öffentliche Sicherheit, sorgen für Bildung und helfen, die Infrastruktur zu erhalten. Die wertvolle Arbeit wird oft nicht ausreichend gewürdigt und in vielen Fällen als selbstverständlich angesehen. Ebenso geraten viele von ihnen zunehmend unter wirtschaftlichen Druck. In den vergangenen Jahren hat die Inflation in Verbindung mit steigenden Mieten und höheren Sozialabgaben das Leben vieler Menschen im öffentlichen Dienst erschwert, die Gehälter sind nicht in der Lage, die steigenden Lebenshaltungskosten auszugleichen. Ein Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt: Im September 2025 lag die Inflationsrate bei 2,4 Prozent, der höchste Wert des Jahres. Die Kerninflation, die ohne Energie und Lebensmittel berechnet wird, lag bei 2,8 Prozent. Für viele Beschäftigte bedeutet dies, dass ihr Gehalt nicht mehr ausreicht, um die alltäglichen Ausgaben zu decken. Das hat nicht nur Auswirkungen auf den öffentlichen Dienst, sondern auf die gesamte Gesellschaft, denn ein stabiler öffentlicher Dienst trägt auch zur Stabilität der Wirtschaft bei. Wirtschaftliche Unsicherheit Die allgemeine Wirtschaftslage ist ebenfalls von Unsicherheit geprägt. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren für 2025 ein minimales Wirtschaftswachstum von nur 0,2 Prozent. Für das kommende Jahr erwartet die Bundesregierung ein Wachstum von 1,3 Prozent, doch dieses Wachstum hängt maßgeblich von der Stärkung der Binnenkaufkraft ab. In einer globalisierten Weltwirtschaft, die von internationalen Krisen und Unsicherheiten geprägt ist, wird Deutschlands Exportwirtschaft zunehmend unter Druck gesetzt. Eine starke Binnenwirtschaft kann helfen, diese Herausforderungen zu meistern. Lohnerhöhungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wirken sich positiv auf die Binnenkonjunktur aus. Der öffentliche Dienst ist nicht nur von den prominenten Berufsgruppen wie Lehrkräften, Polizisten und Feuerwehrleuten geprägt, sondern auch von den zahlreichen Fachkräften in der Verwaltung, © Unsplash.com/Frank van Hulst FINANZPOLITIK 10 AKTUELL dbb magazin | Dezember 2025
den Technikerinnen und Technikern, den Laborangestellten und vielen anderen. Diese weniger sichtbaren, aber ebenso wichtigen Berufsgruppen sorgen dafür, dass das System insgesamt funktioniert. Besonders die Beschäftigten, die nur über durchschnittliche Einkommen verfügen, sind von der Inflation stark betroffen und sollten daher stärker in den Fokus gerückt werden. Deutschland ist ein föderales System, in dem jedes Bundesland eigene Gestaltungsspielräume genießt. Dennoch ist es von entscheidender Bedeutung, den öffentlichen Dienst in allen Bundesländern auf einem angemessenen und vor allem vergleichbaren Niveau zu halten. Wenn die Beschäftigten in einem Bundesland unter den gegebenen Bedingungen leiden, hat dies Auswirkungen auf das gesamte System. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) trägt damit als Arbeitgeberseite eine große Verantwortung, die leider nicht immer wahrgenommen wird: Statt gemeinsam Lösungen zu finden, verweist die TdL gerne auf die finanziellen Schwierigkeiten einzelner Länder. Der Föderalismus darf jedoch nicht dazu führen, das System des öffentlichen Dienstes auseinanderdriften zu lassen. Alle Beschäftigten müssen faire Löhne erhalten, um die Stabilität und Leistungsfähigkeit des gesamten Landes zu sichern. Fiskalische Spielräume nutzen Die Einkommensrunde im öffentlichen Dienst 2025/2026 stellt eine entscheidende Weichenstellung dar. Die dbb-Forderung von 7 Prozent, mindestens aber 300 Euro mehr Entgelt, entspricht einem angemessenen Anteil an der Wirtschaftsleistung. Es geht nicht um überzogene Forderungen, sondern um die Sicherstellung eines gerechten Ausgleichs für die wichtigen Leistungen, die die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes erbringen. Die steigenden Lebenshaltungskosten und die Inflation machen es notwendig, die Gehälter anzupassen, um die Kaufkraft zu erhalten. Die in den kommenden Jahren erwarteten Steuereinnahmen zeigen, dass es Spielräume für Einkommenssteigerungen gibt, denn um die öffentlichen Finanzen steht es nicht so schlecht, wie oft behauptet wird. In der 169. Steuerschätzung vom 23. Oktober 2025 wird prognostiziert, dass der Staat im Jahr 2030 insgesamt über 1,15 Billionen oder 1 150 Milliarden Euro an Einnahmen zu verzeichnen haben wird. Davon werden allein die Länder knapp 480 Milliarden Euro einnehmen. Das wäre eine Steigerung gegenüber dem Jahr 2024 um 21,6 Prozent. Im Jahr 2025 werden sich die Gesamteinnahmen auf 990,7 Milliarden Euro belaufen – eine Steigerung gegenüber dem Jahr 2024 von 4,5 Prozent. Im Jahr 2026 wird erstmals die Billionengrenze mit 1 016,5 Milliarden Euro (Länder: 423,4 Milliarden Euro) erreicht. Zudem steigen die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen in den kommenden Jahren etwas stärker als bisher erwartet. Der Arbeitskreis Steuerschätzung geht in seiner Prognose für den Gesamtstaat bis 2029 von 33,6 Milliarden Euro Mehreinnahmen aus. Sollten diese Vorausberechnungen eintreffen, ist das auch ein Verdienst des öffentlichen Dienstes. Insofern ist die Forderung nach einer angemessenen Beteiligung am Erwirtschafteten legitim. Es gibt also Spielräume, die genutzt werden können. Dauerkrise ist keine Lösung Der öffentliche Dienst hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Krisen gemeistert, sei es die Pandemie, die Flüchtlingsbewegungen oder Naturkatastrophen. Doch wie jedes System benötigt auch der öffentliche Dienst Pflege und Unterstützung, um auf Dauer funktionsfähig zu bleiben. Wenn die Bedingungen für die Beschäftigten nicht verbessert werden, besteht die Gefahr eines Zusammenbruchs: überfüllte Klassenräume, stockende Verwaltungsprozesse und Sicherheitskräfte am Limit – Szenarien, die ohne die nötige Unterstützung wahrscheinlicher werden. Es ist an der Zeit, die notwendige Unterstützung für den öffentlichen Dienst bereitzustellen und vom Krisenmodus in den Zukunftsmodus zu schalten. Die Beschäftigten müssen die Wertschätzung und die Entlohnung erhalten, die sie verdienen. Eine gerechte Einkommensrunde ist eine notwendige Maßnahme, um den öffentlichen Dienst langfristig zu stabilisieren und das gesamte System zu sichern. Ein gut funktionierender öffentlicher Dienst ist für die Gesellschaft von entscheidender Bedeutung – sowohl für die Menschen, die direkt davon betroffen sind, als auch für die Wirtschaft. Es ist höchste Zeit zu handeln, bevor die Risse im System unüberwindbar werden. krz/rh © Unsplash.com/Getty Images © Unsplash.com/Natalia Blauth AKTUELL 11 dbb magazin | Dezember 2025
INTERVIEW Thomas Röwekamp, Vorsitzender Verteidigungsausschuss des Bundestages Der Bedarf wird deutlich steigen Herr Röwekamp, aufgrund der fundamental veränderten Bedrohungslage wird unter anderem über die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert. Für Fragebögen, Einladungen und Musterungen werden starke zivile Verwaltungsstrukturen gebraucht. Welche Kapazitäten müssen dafür aufgebaut werden und wie stellen Sie sicher, dass dafür keine militärischen Dienstposten zweckentfremdet werden? Die europäische Sicherheitsarchitektur hat sich durch russische Aggressionen, hybride Angriffe und gezielte Destabilisierung deutlich verschärft. Vor diesem Hintergrund ist es mehr denn je erforderlich, dass Deutschland seine Verteidigungsfähigkeit stärkt – nicht nur militärisch, sondern auch gesamtgesellschaftlich und administrativ. Wenn wir über eine mögliche Wiedereinführung der Dienstpflicht oder ein verpflichtendes Dienstjahr nachdenken, so gehört zu dieser Überlegung zwingend eine leistungsfähige zivile Verwaltungsstruktur: Fragebögen zur Erfassung, Einladungen zur Musterung, organisatorische Abläufe – dafür benötigen wir ein bundesweites, digital gestütztes Verfahren und regionale Kapazitäten, die heute nicht mehr existieren. Wir müssen daher Verwaltungsstandorte wieder aufbauen und gleichzeitig Prozesse modernisieren, damit ein Einsatz von militärischem Personal gar nicht erst in Betracht kommt. All das bedarf eines verlässlichen Rückgrats im zivilen Bereich. Zivile Verwaltungsaufgaben dürfen nicht zulasten der Einsatzbereitschaft unserer Soldatinnen und Soldaten gehen. Die Truppe muss sich auf ihre Kernaufgaben Landes- und Bündnisverteidigung konzentrieren. Die Bundesregierung muss eigenständige zivil-administrative Kapazitäten aufbauen oder reaktivieren – über bestehende Behörden oder neue Verwaltungsstellen – und dabei keine militärischen Dienstposten zweckentfremden. Die enge parlamentarische Begleitung durch den Verteidigungsausschuss wird hier eine zentrale Rolle spielen. Zivile Verwaltungsaufgaben dürfen nicht zulasten der Einsatzbereitschaft unserer Soldatinnen und Soldaten gehen. Thomas Röwekamp (CDU/CSU) © CDU Bremen/Karlis Behrens 12 FOKUS dbb magazin | Dezember 2025
Von den Verwaltungs- und Technikjobs bei der Bundeswehr sind derzeit nur 80 bis 90 Prozent besetzt, zudem scheiden in den nächsten zehn Jahren rund 20 000 Beschäftigte aus dem Dienst aus. Wie viele Zivilbeschäftigte werden gebraucht und mit welchen Maßnahmen können Abgänge zeit- und qualifikationsgerecht ersetzt werden? Der Personalbestand im zivilen Bereich der Bundeswehrverwaltung ist ein kritischer Faktor: Verwaltung, Technik, Beschaffung – ohne ausreichendes Fachpersonal können wir weder die Modernisierung noch den Ausbau leisten, den die Sicherheitslage erfordert. Die entsprechenden Planungen muss das Bundesministerium der Verteidigung jetzt erstellen. Aber unstrittig ist: Der Bedarf wird deutlich steigen. Deshalb muss es zwingend einen qualitativen und quantitativen Ausbau geben: mehr zivile Stellen, attraktive Einstiegs- und Karrierechancen, gezielte Qualifizierung. Dafür gibt es drei entscheidende Bausteine: erstens schnellere Einstellungsverfahren und bessere Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst im Verteidigungsbereich. Zweitens Förderprogramme für duale Studiengänge, IT-Fachkräfte, Technikexpertise, damit Abgänge nicht unersetzbar bleiben. Drittens frühzeitige Nachfolgeplanung – sowohl auf Leitungsebene als auch bei Fachkräften. Sicherheitspolitik erfordert eben auch die Sicherstellung der Verwaltungskräfte. Mit zusätzlichen Soldatinnen und Soldaten sowie mehr NATOTransit – Stichwort „Drehscheibe Deutschland“ – wächst auch die Arbeit für Zivilbeschäftigte in den Bereichen Infrastruktur, Logistik und Steuerung. Wie viele zusätzliche Vollzeitstellen im zivilen Bereich sind dort bis 2028 nötig? Wie sieht es mit der Finanzierung und der regionalen Verteilung aus? Deutschland wird in Zukunft noch stärker als zentrale logistische Drehscheibe innerhalb Europas gefordert sein und übernimmt in dieser Rolle eine erhebliche Verantwortung. Wenn wir mehr Soldaten haben, mehr Material bewegen und mehr Bündnislogistik stemmen, dann steigt auch der Bedarf an zivilem Personal in Infrastruktur, Logistik, Steuerung. Die notwendigen Vollzeitstellen wird das Bundesverteidigungsministerium jetzt ausplanen. Aber wir haben im Ausschuss klare Erwartungen: Die Zivilstellen müssen entsprechend dem logistischen Mehrbedarf skaliert werden. Finanzierung und regionale Verteilung sind dabei keine Nebensache. Die Mittel müssen verantwortungsvoll, das heißt sach- und bedarfsgerecht, aus dem Haushalt bereitgestellt werden. Dabei ist auch darauf zu achten, dass der Aufbau nicht nur in einzelnen Regionen erfolgt, sondern dort, wo die logistischen Knotenpunkte liegen: etwa im Norden und Osten Deutschlands, an Transitachsen und Materialdepots. Regionale Gerechtigkeit und Bündnisverantwortung dürfen sich nicht ausschließen. Digitalisierung und KI können die Verwaltung im zivilen Bereich der Bundeswehr entlasten, doch auch diese Systeme brauchen Menschen, die sie installieren, trainieren und überwachen. Welche Regeln und Mindestbesetzungen sind für diese Prüf- und Aufsichtsaufgaben geplant und wie werden die Beschäftigten in Zeiten des Fachkräftemangels qualifiziert? Eine ganzheitliche Digitalisierung muss die Prozesse effizienter, aber auch agiler und sicherer machen. KI-Systeme brauchen nicht nur eine sorgfältige Einführung, sondern auch eine verantwortliche personelle Kontrolle. Dabei bestehen drei zentrale Herausforderungen: Erstens brauchen wir verbindliche Regeln dafür, wie KI bei der Bundeswehr eingesetzt wird – geprüft, nachvollziehbar, sicher. Zweitens brauchen wir Mindestbesetzungen für Prüf- und Aufsichtsaufgaben: Menschen, die die Systeme installieren, trainieren, überwachen – diese Fachkräfte müssen vorhanden sein. Drittens müssen angesichts des Fachkräftemangels entsprechende Qualifikationen gesichert werden, zum Beispiel durch Kooperation mit Hochschulen und Industrie, durch Fort- und Weiterbildung, durch gezielte Anwerbung. Technische und KI-bezogene Kompetenzen müssen zu echten Karrierevorteilen führen. So können wir trotz Fachkräftemangels ausreichend qualifiziertes Personal binden und gewinnen. Neben Personal benötigt die „Zeitenwende“ viel neues ziviles und militärisches Material. Die Finanzierung durch Sondervermögen und neue Schulden ist eine Seite der Medaille. Die andere ist die Geschwindigkeit, mit der Ausrüstung beschafft werden kann. Sind die bis 2028 gesteckten Beschaffungsziele überhaupt erreichbar? Wir haben mit dem Sondervermögen und der Bereichsausnahme die nötige Voraussetzung geschaffen – doch das Geld allein reicht nicht. Die Zeitenwende ist nicht nur eine Frage der Finanzierung, sondern vor allem der Geschwindigkeit. Die Bundeswehr braucht moderne Ausrüstung in kurzer Zeit, und dafür muss die Beschaffung weiter beschleunigt werden. Wir haben bereits wichtige Schritte unternommen: schnellere Vergabeverfahren, mehr Standardisierung, stärkere industriepolitische Kooperationen und Rahmenverträge, die eine rasche Skalierung ermöglichen. Entscheidend ist, wie schnell wir die Verfahren effizienter, schlanker und verbindlicher gestalten. Wir brauchen weniger Bürokratie, klare Verantwortlichkeiten, europäische Kooperationsprojekte – gerade in der Beschaffung. Auch im Beamtenbereich gilt: Fachpersonal lässt sich nur mit attraktiven Beschäftigungsbedingungen gewinnen. Werden Sie sich dafür einsetzen, die 41-Stunden-Woche für Beamtinnen und Beamte des Bundes zurückzuführen? Gute Arbeitsbedingungen schaffen wir vor allem mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, sinkender Arbeitsbelastung durch mehr Digitalisierung, besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf und gezielten Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung. Wenn wir durch einen umfassenden Modernisierungsprozess erreichen, dass eine Anpassung der Wochenarbeitszeit finanzierbar und organisatorisch sowie personell leistbar ist, wäre eine Arbeitszeitreduzierung ein weiteres Instrument zur Attraktivitätssteigerung. _ Deutschland wird in Zukunft noch stärker als zentrale logistische Drehscheibe innerhalb Europas gefordert sein. FOKUS 13 dbb magazin | Dezember 2025
DOSSIER ZIVILE WEHRVERWALTUNG Zivile Berufe bei Bundeswehr und Wehrverwaltung Karriere mit Sicherheit für Deutschland Im zivilen Bereich der Bundeswehr arbeiten derzeit rund 81 000 Menschen. Überwiegend sind das Angestellte sowie Beamtinnen und Beamte, die vielfältige Aufgaben in Bereichen wie Verwaltung, Technik, Wissenschaft und Infrastruktur übernehmen. Bei der Bundeswehr kann man also auch Karriere machen, ohne Soldatin oder Soldat zu werden. Rund 40 000 der zivilen Beschäftigten der Bundeswehr arbeiten in der Bundeswehrverwaltung. Zum Beispiel als Anlagenmechanikerinnen, Elektroniker, Metallbauerinnen, Gärtner, Kaufleute für Büromanagement oder als Verwaltungsfachangestellte. Rund 30 000 Mitarbeitende sind direkt bei den Streitkräften, in der Rechtspflege und der Militärseelsorge tätig. Etwa 10 000 zivile Beschäftigte arbeiten in der Wehrtechnik und kümmern sich um die Entwicklung, Erprobung und Beschaffung von Wehrmaterial – von Kampfpanzern bis hin zur persönlichen Ausrüstung für die Soldatinnen und Soldaten. Bundesweit bietet der zivile Bereich der Bundeswehr rund 50 Berufe in 430 Ausbildungseinrichtungen, von der klassischen Berufsausbildung bis zum dualen Studium. Bei den Ausbildungsberufen ist die Bundeswehr seit den 1960er-Jahren aktiv und bildet unter anderem in ihren bundesweit 27 Ausbildungswerkstätten industrielle und handwerkliche Fachkräfte aus. Die Ausbildungseinrichtungen folgen den Vorgaben des Berufsbildungsgesetzes und garantieren eine staatlich anerkannte Berufsausbildung, die jeweils mit einer Abschlussprüfung vor einer Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer endet. In den technischen Bereichen sind das zum Beispiel Anlagenmechaniker/in, Elektroniker/in und Fachinformatiker/in. Weiterhin gibt es Ausbildungen im Kfz- und Fluggerätebereich sowie in der IT. Pro Jahr starten rund 1 400 junge Menschen ihre Karriere in der zivilen dualen Berufsausbildung in der Bundeswehr. Wer sich für eine Beamtenlaufbahn interessiert, findet bei der Bundeswehr ebenfalls gute Karrierechancen. Beamtinnen oder Beamte im mittleren Dienst arbeiten in technischen Bereichen oder in der Verwaltung, etwa als Elektromeisterin oder -meister, Kfz-Werkstattleiterin oder -leiter, technische Zeichnerin oder Zeichner. Zu den Jobs in der Verwaltung zählen unter anderem das Rechnungswesen und Büroleitungen. Für die Ausbildung im mittleren Dienst ist die Mittlere Reife oder ein Hauptschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung erforderlich. Der zweijährige Vorbereitungsdienst beinhaltet unter anderem ein neunmonatiges Praktikum in einer Bundesbehörde und die Fremdsprachenausbildung Englisch. Wer direkt einsteigen möchte, braucht neben der für die jeweilige Laufbahn gesuchten Berufsaus- oder Weiterbildung eine vergleichbare Berufserfahrung von mindestens eineinhalb Jahren. Beamtinnen und Beamte im gehobenen Dienst übernehmen Führungsverantwortung und die Facharbeit in technischen und nichttechnischen Bereichen der Bundeswehrverwaltung. Dazu zählen die Bereichs- und Teamleitung sowie die Sachbearbeitung im kaufmännischen Gebäudemanagement oder in der Karriereberatung. Im technischen Dienst können Interessierte beispielsweise als Flugversuchsingenieure oder als Erprobungsingenieure Karriere machen. Wer die (Fach-)Hochschulreife oder eine vergleichbare berufliche Qualifikation mitbringt, kann mit verschiedenen technischen und nichttechnischen dualen Studiengängen starten, die mit dem Bachelorabschluss der Laufbahnbefähigung für den gehobenen Dienst enden. Auch hier bietet die Bundeswehr in vielen Fällen die Möglichkeit des Direkteinstiegs an. Notwendig dafür sind der für die jeweilige Laufbahn gesuchte akademische Bachelor- oder Masterabschluss und eine vergleichbare berufliche Tätigkeit von mindestens eineinhalb Jahren. Wer bereits einen akademischen Bachelor- oder Masterabschluss besitzt, kann im gehobenen technischen Dienst auch ein Traineeprogramm ohne berufliche Vorerfahrung absolvieren. Beamtinnen und Beamte im höheren Dienst arbeiten auf der Managementebene. Als Führungskräfte besitzen sie bereits einen Masterabschluss oder die 1. und 2. juristische Staatsprüfung. In vielen Fällen wird eine vergleichbare berufliche Tätigkeit von mindestens zweieinhalb Jahren vorausgesetzt. Die Aufgaben im höheren Dienst sind besonders vielfältig: Je nach akademischer Ausrichtung erstrecken sie sich von technischen Ingenieursberufen über Rechtswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Meteorologie bis zu weiteren akademischen Fachbereichen. Auch hier können Quereinsteiger mit akademischem Masterabschluss in einem wehrtechnischen Fachgebiet wie Elektrotechnik oder Schiffsmaschinenbau ein Traineeprogramm im höheren technischen Dienst absolvieren. _ © Bundeswehr/Jonas Weber 14 FOKUS dbb magazin | Dezember 2025
Nachgefragt bei BAAINBw-Präsidentin Annette Lehnigk-Emden „Es kommt auf uns an, damit die Truppe schnell verteidigungsfähig wird“ Bis spätestens 2029 soll die Bundeswehr für die Landes- und Bündnisverteidigung voll ausgestattet sein. Am Geld mangelt es nicht, problematisch sind Lieferzeiten und bürokratische Vorgaben. Wie kann das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr den Wettlauf gegen die Zeit gewinnen? Wir haben als Beschaffungsamt bewiesen, dass wir schnell und flexibel auf die Forderungen der Zeitenwende reagieren können. Das wurde auch durch eine Untersuchung der Universität der Bundeswehr aufgezeigt, die über 40 000 Verfahren im Zeitraum von Januar 2018 bis Dezember 2024 ausgewertet hat. Danach hat sich die Dauer der Beschaffung der Bundeswehr in diesem Zeitraum um über 30 Prozent verkürzt. Allein im Jahr 2024 erzielten wir in der Beschaffung für die Bundeswehr erneut sehr gute und messbare Ergebnisse. In der letzten Legislaturperiode haben wir gut 180 sogenannte 25-Millionen-EuroVorlagen erfolgreich durch das Parlament gebracht und in Verträge mit einem Gesamtvolumen von knapp 150 Milliarden Euro umgesetzt. Aus dem Sondervermögen konnten wir im Jahr 2024 bereits erste Waffensysteme in die Bundeswehr einführen. Noch in diesem Jahr werden wir weitere Waffensysteme aus unseren Beschaffungen übernehmen können. Auch in diesem Jahr und 2026 werden wir das Tempo aufrechterhalten. Nicht zu vergessen ist auch, dass die gesamte Phase der Nutzung durch das BAAINBw sichergestellt wird. Wir betreuen also rund 2 200 Projekte über den gesamten Lebenszyklus in der Bundeswehr. Die Mitarbeitenden des BAAINBw beschaffen also nicht nur, sondern stellen auch sicher, dass gekaufte Systeme über Jahrzehnte in der Truppe sicher betrieben werden können. Die Zeitenwende musste aber auch in unseren Köpfen stattfinden, ein Kulturwandel in unserem Denken und Handeln. Hier im Amt hat jeder verstanden: Es kommt auf uns an, damit die Truppe schnell verteidigungsfähig wird. Die Mitarbeitenden sollten entscheidungsfreudiger und mutiger werden und offen für Neues sein – da haben sie meine volle Rückendeckung. Für mich war und ist wichtig, dass die Mitarbeitenden das richtige Mindset haben. Nur so können wir den notwendigen Wandel weiter vorantreiben und noch schneller werden. Und dass das bisher schon ganz gut funktioniert, das zeigen auch die Zahlen. Wo rechtlich möglich, öffnen und vereinfachen wir Prozesse und bauen bürokratische Hürden ab. Wir haben intern beispielsweise gut 80 von rund 160 Verfahrensregeln „über Bord geworfen“. Zeit ist nun der handlungsleitende Faktor. Wo möglich, kaufen wir marktverfügbar. Außerdem nutzen wir verstärkt Rahmenverträge für schnellere Abrufe oder funktionale Leistungsbeschreibungen für mehr Flexibilität auf beiden Seiten. Auch mithilfe des Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetzes (BwBBG) konnten wir Beschaffungszeiten deutlich verkürzen. Das neue Gesetz zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr (BwPBBG) soll weitere Vereinfachungen bringen, indem wir zum Beispiel in vielen Fällen auf Ausschreibungen ganz verzichten können – es ist eine konsequente Fortentwicklung. Letztlich kommt es aber darauf an, wie es implementiert und in konkrete Beschaffungen und schließlich Lieferungen umgesetzt wird. Dazu gehört auch und vor allem eine leistungsfähige Rüstungsindustrie, die in der Lage sein muss, ihre Kapazitäten massiv auszuweiten. Wir müssen unsere Bundeswehr bis 2029 für die Landes- und Bündnisverteidigung ausstatten. Die Produktionskapazitäten der Industrie sind aber noch nicht so hochgefahren, dass wir alles benötigte Gerät bis zu diesem kritischen Datum geliefert bekommen. Bisher haben die Unternehmen Manufaktur gemacht; wir brauchen jetzt aber den raschen Umstieg auf Serienproduktion. Das ist bei den Rüstungsfirmen angekommen und wir begleiten sie auf diesem Weg. Wir sind in einem engen Austausch und große Produzenten können in Erwartung unserer Aufträge bereits Rohstoffe oder andere Materialien vorbestellen. Unser Anspruch ist es, dass unsere Soldatinnen und Soldaten bestmöglich ausgerüstet sind und ihren Auftrag sicher erfüllen können. Dass wir das können, haben wir bereits deutlich gezeigt – und alle Mitarbeitenden im Amt sind bereit, diesen Schwung auch in die nächsten Jahre mitzunehmen. _ Annette Lehnigk-Emden, Präsidentin des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) © Bundeswehr/Dirk Bannert FOKUS 15 dbb magazin | Dezember 2025
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