MEINUNG Berufsbeamtentum Diese Keile haben die Beamten nicht verdient Bei aller Kritik an ihren Privilegien muss man bedenken, dass die Staatsdiener auch auf einiges verzichten. Darauf verweist Michael Schwarz in seinem Essay. Beamte brauchen derzeit vor allem eines: gute Nerven. Es begann mit der Aussage von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, die sich so deuten ließ, als brauche Deutschland keine beamteten Lehrer und Rathausmitarbeiter mehr. Es folgte der Chor derjenigen, die das immer schon sahen. Und die sich auch noch ganz andere Dinge vorstellen können, weil Beamte und ihre Privilegien ohnehin nicht mehr in die Zeit passten. Gerne wird in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die Verfassungsrichter, die die finanziellen Ansprüche der Beamten wiederholt bestätigt haben, ja auch so etwas wie Beamte seien, jedenfalls besoldungstechnisch. Und dass eine Krähe einer anderen kein Auge aushackt. Mal abgesehen davon, dass damit einem Gericht Kumpanei unterstellt wird, das gerade nicht im Ruf steht, nach anderen als juristischen Kriterien zu entscheiden, gibt es eine Reihe von Gründen, die es eigentlich verbieten sollten, dass diese Leier immer wieder ertönt. Zum einen sind da die Einschränkungen, die Beamte hinnehmen müssen: das Streikverbot, die Pflicht zur politischen Mäßigung. Zum anderen muss man doch, wenn man die Privilegien der einen aufzählt, auch die Privilegien der anderen nennen. Die fetten Prämien etwa, die bis vor Kurzem in der Automobilindustrie gezahlt wurden. Oder die Betriebsrenten, die zusammen mit der gesetzlichen Rente eine Altersversorgung ergeben, die sich mit einer Pension durchaus messen kann. Okay, diese Zeiten könnten bald vorbei sein. Wohin die Automobilindustrie steuert, weiß keiner. Und es ist alles andere als sicher, dass der Reichtum, den das Auto Baden-Württemberg bescherte, auf Dauer besteht. In der Not müssen alle zusammenstehen. Auch die Beamten. Andererseits brauchen sich die Staatsdiener in der Hinsicht nicht zu verstecken. Anders als ihre angestellten Kollegen verharren sie oft jahrelang in unteren Besoldungs- stufen, obwohl sie längst anspruchsvollere Tätigkeiten ausüben. Und sie geben sich mit Kompromissen zufrieden, die man durchaus als faul bezeichnen kann, etwa dem „Vier-Säulen-Modell“, mit dem Baden-Württemberg die Vorgaben des Verfassungsgerichts erfüllte, ohne auch nur einen Cent zu viel auszugeben. Das Vier-Säulen-Modell sieht unter anderem vor, dass Beamte für jedes Kind einen Familienzuschlag erhalten, der zusätzlich zum Kindergeld fließt. Und dass es ab dem dritten Kind für den Dienstherrn besonders teuer wird. Der Eindruck, der dabei entsteht, ist fatal: Dem Staat sind Beamtenkinder mehr wert als die Kinder von Arbeitern und Angestellten. Dabei ist die Schieflage vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Grundsicherung, früher „Hartz IV“, heute „Bürgergeld“ genannt, in den vergangenen Jahren um mehr als 25 Prozent gestiegen ist. Und dass demzufolge auch die Beamtenbesoldung in den unteren Einkommensstufen steigen musste, weil die Bezüge eines Beamten laut Verfassungsgericht 15 Prozent über dem eines Sozialhilfeempfängers liegen müssen. Dieses Problem ließe sich aus der Welt schaffen, wenn alle Beamten mehr Geld bekämen. Doch dann wird es richtig teuer. Die Rede ist von zwei bis drei Milliarden Euro pro Jahr. Also hat das Land die Zuschläge ab dem dritten Kind deutlich angehoben – auf inzwischen 987,17 Euro. Kostenpunkt: 200 Millionen Euro. Gleichzeitig versucht das Land mit einem weiteren Trick – der Annahme, dass jeder verheiratete Beamte einen Ehepartner hat, der dazuverdient – den Alimentationsgrundsatz neu zu interpretieren. Nun muss der Beamte einen Antrag stellen, wenn er tatsächlich Alleinverdiener ist. All dies ist ziemlich kompliziert. Komplizierter jedenfalls, als mit erhobenem Zeigefinger auf die Beamten und ihre Privilegien zu deuten. Im Übrigen spricht jedoch nichts dagegen, über die Unterschiede, die Beamte von Normalsterblichen trennen, zu diskutieren. Zumal es sich beim Beamtenstatus um einen deutschen Sonderweg handelt: Österreich und die Schweiz haben sich davon weitgehend verabschiedet. Und niemand wird wohl behaupten, dass die Alpenrepubliken darniederlägen, weil sie ihre Staatsdiener wie normale Beschäftigte behandeln. Wichtig ist jedoch, nicht einseitig zu argumentieren. Zumal alle Frontalangriffe dem deutschen Berufsbeamtentum nichts anhaben konnten. Denn dann schließen sich die Reihen. Vorne kämpft der Beamtenbund, dahinter steht die Politik, die weiß, was sie an ihrer Beamtenschaft hat. Sofern man sie einigermaßen anständig behandelt. _ Michael Schwarz betreut beim Staatsanzeiger – Wochenzeitung für Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg – das Ressort Politik und Verwaltung. Der Beitrag erschien zuerst im Staatsanzeiger vom 2. Oktober 2025. Der Autor Model Foto: Thai Noipho/Colourbox.de 8 AKTUELL dbb magazin | November 2025
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