sei auch der Neuzuschnitt des Ministeriums entstanden, erklärte der Staatssekretär mit Blick auf die Entscheidung der neuen Bundesregierung, die Zuständigkeit für Jugend, Senioren und Bildung zusammenzulegen: „Frühkindliche Bildung hat Auswirkungen auf das ganze Leben. Und das lebenslange Lernen ist ein zentrales Thema für alle.“ Prof. Dr. Eva-Marie Kessler, Prorektorin und Professorin für Gerontopsychologie an der MSB Medical School Berlin, unterstrich in ihrem Referat mit dem Titel „Ageismus – ein häufiges, wenig erkanntes und oft unwidersprochenes Phänomen“ zunächst, wie viel gesünder, zufriedener und produktiver ältere Menschen heute im Vergleich zu den Vorgängergenerationen seien. „75 ist das neue 60“, brachte sie das Phänomen auf den Punkt. Dennoch verhindere latent vorhandener Ageismus, „dass wir unsere Potenziale entfalten können“. Anders als andere Diskriminierungsformen wie Rassismus betreffe der irgendwann alle, wenn sie alt genug würden. Sie nannte zahlreiche Beispiele für Altersstereotypen: im Vorgehen von Behörden und Organisationen, am Arbeitsplatz, in den Medien oder im Gesundheitswesen. Auch hinter einer weitverbreiteten Haltung des Mitleids mit Alten, im Absprechen von Kompetenz und in der Erwartung, die Älteren sollten nicht zur Last fallen, zeigt sich Ageismus. Alter werde als defizitär und weniger wert wahrgenommen, und die schwerwiegendsten Folgen des Ageismus würden durch Altersstereotype verursacht. Dr. Stephan Gerbig, Richter am Arbeitsgericht Nürnberg und Lehrbeauftragter für Verfassungsrecht und Menschenrechte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat in seinem Vortrag eine pointierte Spurensuche unternommen: Warum schützt das Grundgesetz zwar vor Diskriminierung wegen Geschlecht, Herkunft oder Behinderung, nicht aber ausdrücklich wegen des Alters? Seine Antwort fiel deutlich aus: „Beim Schutz vor Altersdiskriminierung gibt es im Grundgesetz und im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz noch viel Luft nach oben. Man muss sich nur trauen.“ Gerbig plädierte für die Aufnahme des Alters in den Katalog der Diskriminierungsmerkmale des Grundgesetzes. Eine solche Änderung hätte weitreichende Konsequenzen: Alle Altersgrenzen im einfachen Recht – von Berufsverboten bis zu Rentenregelungen – müssten künftig auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden. Altersgrenzen wären nicht automatisch verfassungswidrig, müssten aber „zwingend begründet“ sein. Damit würde, so Gerbig, eine gesellschaftliche Debatte über den Sinn und Unsinn von Altersgrenzen jenseits von Symbolpolitik angestoßen. Negative Altersbilder prägen die Gesellschaft tief und bedrohen die Menschenrechte Älterer. Darauf wies Dr. Claudia Mahler, unabhängige Expertin der Vereinten Nationen für die Rechte Älterer und Teamleiterin am Deutschen Institut für Menschenrechte, in ihrem Impuls hin. Ihr zentrales Anliegen: Altersdiskriminierung nicht nur als gesellschaftliches, sondern als menschenrechtliches Problem betrachten. Von Kindheit an verinnerlichen Menschen stereotype Vorstellungen über das Alter, sagte Mahler und erinnerte daran, dass Menschenrechte „kein Ablaufdatum“ haben. Die Expertin rief zu einem neuen Verständnis des Lebenslaufs auf: Lernen, Arbeiten und Ruhestand sollten nicht als starre Lebensphasen verstanden werden. Ein solidarischer Dialog der Generationen könne helfen, Vorurteile abzubauen, denn Ageismus wirke „in beide Richtungen“, gegen Jung und Alt gleichermaßen. Seh- und Hörleistung lassen nach, die gesellschaftliche Rolle ist eine andere als früher, für den einen oder anderen ist auch Einsamkeit ein Thema: Menschen, die altern, denken häufig zuerst an die Schattenseiten. „Das alles darf man nicht kleinreden, es ist Teil der Realität“, sagte Dr. Eva Wlodarek, die einen YouTube-Kanal mit 270 000 Abonnentinnen und Abonnenten betreibt. „Aber man darf auch nicht die Gewinne des Alters aus den Augen verlieren, die es zweifelsohne ebenfalls gibt!“ Über die informierte die Diplom-Psychologin in ihrem Vortrag „Die sieben Gewinne des Alters – eine Ermutigung, die besonderen Möglichkeiten des Alters wahrzunehmen, zu schätzen und zu entwickeln“. Norbert Lütke, Zweiter Vorsitzender der dbb bundesseniorenvertretung, erinnerte in seinem Schlusswort an die Unverhandelbarkeit der Rechte Älterer und versprach, dass sich die dbb Bundessenioren konsequent dafür einsetzen werden, Älteren echte Perspektiven zu verschaffen: „Wer sich nicht bewegt, kann Politikern nicht auf die Füße treten.“ Mehr zur Fachtagung: dbb-senioren.de. ada, br, cdi, ef Horst Günther Klitzing, Staatssekretär Michael Brandt, Volker Geyer und Norbert Lütke auf der Fachtagung (von links). INTERN 31 dbb magazin | November 2025
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