Leitungskompetenz in der öffentlichen Verwaltung Starke Paragrafen, schwache Führung? In der öffentlichen Verwaltung sind schwierige oder ungeeignete Führungsstile ein oft verdrängtes Thema. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das fatal. Öffentliche Verwaltungen sind geprägt von Stabilität, Rechtsbindung und Hierarchie – Qualitäten, die Sicherheit bieten, aber Veränderung erschweren. Führungskräfte, die Teams unwirksam leiten, bleiben häufig im Amt. Der Grund liegt selten in mangelnder Einsicht, sondern ist systembedingt: Abberufungen sind rechtlich komplex, politisch sensibel und organisatorisch unbeliebt. Oft fehlt es an klaren Bewertungsmaßstäben für Führungsverhalten, während Fachwissen überproportional gewichtet wird. Hinzu kommt eine Kultur der Zurückhaltung: Mitarbeitende scheuen Feedback aus Angst vor Konsequenzen, Personalräte sind rechtlich eingebunden, aber oft machtlos. Viele Verwaltungen verfügen inzwischen über moderne Führungsleitlinien, die Werte wie Vertrauen, Kommunikation und Beteiligung betonen. Um zu wirken, müssen Leitlinien gelebter Maßstab sein. Werden sie ignoriert, entsteht ein Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Folgen sind sinkende Motivation, steigende Fehlzeiten, innere Kündigung und Fluktuation. In einer Zeit, in der qualifizierte Fachkräfte zunehmend Optionen haben, drohen betroffene Dienststellen nicht nur Personal zu verlieren, sondern auch ihre Reputation als Arbeitgeber. Führungsleitlinien müssen deshalb in der Praxis umgesetzt werden und Maßstab für Bewertungen sein, die insbesondere das Verhalten von Führungskräften in den Fokus nehmen. Führung ist eine lernbare Kompetenz. Um Führungskräfte zur Reflexion ihres Stils zu bewegen, bedarf es einer Kombination aus Anreiz, Unterstützung und Verbindlichkeit. Ein zentrales Instrument ist Feedback, welches nach einheitlichen Vorgaben regelmäßig stattfinden und auch schriftlich dokumentiert werden sollte. 360°-Feedbacks, Mitarbeiterbefragungen und regelmäßige Entwicklungsgespräche fördern Selbstreflexion und machen Führungsqualität messbar. Gleichzeitig gilt es, Veränderung nicht nur einzufordern, sondern auch zu fördern: durch Coaching, Mentoring und verpflichtende Fortbildungen zu Kommunikation, Konfliktmanagement oder psychologischer Sicherheit. Positive Vorbilder und Beispiele gelebter Wertschätzung auf Leitungsebene können das gewünschte Führungsverhalten praxisnah vermitteln. Verwaltungen können auf mehreren Ebenen dazu beitragen, eine verantwortungsvolle und wirksame Führungskultur zu etablieren. Zunächst gilt es, Verbindlichkeit zu schaffen. Führungsleitlinien mit verhaltensrelevantem Bezug sollten fester Bestandteil von Zielvereinbarungen und Personalbeurteilungen sein. Verstöße dagegen müssen klare Konsequenzen nach sich ziehen. Ebenso wichtig ist es, Feedback zu institutionalisieren. Anonyme Formate ermöglichen Beschäftigten, offen Rückmeldung zu geben, schaffen Transparenz und mindern Ängste. Regelmäßige Mitarbeiterbefragungen liefern zudem wertvolle Hinweise auf mögliche Führungsdefizite. Leitungsfunktionen sollten nur an Personen vergeben werden, die über nachweisbare Führungskompetenz verfügen. Dienstalter und fachliche Expertise dürfen nicht die allein ausschlaggebenden Kriterien sein. Führungserfahrung oder -qualifikation sollten im Bewerbungsverfahren Berücksichtigung finden. Ebenso muss sich Führungskräfteentwicklung als verpflichtender Bestandteil des beruflichen Werdegangs etablieren. Schließlich ist konsequentes Handeln entscheidend: Fehlverhalten oder destruktive Führung darf nicht folgenlos bleiben, da sonst auch engagierte und integre Führungskräfte das Vertrauen verlieren. In solchen Fällen sind arbeits- oder disziplinarrechtliche Maßnahmen möglich – von der Abmahnung über die Versetzung bis hin zur Kündigung –, sofern das Fehlverhalten sorgfältig dokumentiert wird. Ignoriert eine Verwaltung schwierige Führung dauerhaft, entsteht ein Teufelskreis aus Demotivation, Ineffizienz und Vertrauensverlust. Mitarbeitende ziehen sich zurück, Innovationen bleiben aus und die Bürgerorientierung leidet. Langfristig droht der Verlust von Fachwissen und Engagement mit spürbaren Folgen für Leistungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der öffentlichen Verwaltung insgesamt. Schwierige Führung ist kein individuelles Versagen, sondern ein strukturelles Problem, das systematisch bearbeitet werden muss. Daniela Kuzu FÜHRUNGSFOKUS Foto: Sira Anamwong/Colourbox.de FOKUS 27 dbb magazin | November 2025
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==