ONLINE Rechenzentren und Netze Die stille Infrastruktur der KI-Revolution Sprachmodelle wie ChatGPT, Bildgeneratoren oder automatisierte Datenanalysen verändern Wirtschaft und Alltag rapide. Im Schatten dieser Softwarerevolution wächst eine gewaltige Hardwarearmee heran: neue Rechenzentren, die KI antreiben. Die digitale Infrastruktur in Deutschland droht jedoch zum Bremsklotz für technische und wirtschaftliche Innovationen zu werden. Um die steigende Rechenlast zu bewältigen, entstehen rund um den Globus gigantische Datenfabriken. Analysten wie Synergy Research und McKinsey gehen davon aus, dass bis 2030 zwischen 700 und 900 neue Großrechenzentren entstehen müssen. Diese sogenannten Hyperscaler sind die Kraftwerke des digitalen Zeitalters: Standorte von Tech-Giganten wie Amazon, Microsoft oder Google, deren Serverfarmen so viel Strom verbrauchen wie eine mittlere Stadt. McKinsey beziffert den weltweiten Ausbau auf rund 156 Gigawatt installierte Kapazität bis 2030, der Großteil davon noch im Bau oder in Planung. In der Branche spricht man von der „Pipeline“, also dem Gesamtvolumen an Rechenzentren, die derzeit geplant oder im Bau sind. Die Internationale Energieagentur (IEA) warnt bereits: Der Stromhunger der Datenverarbeitung könnte sich bis zum Ende des Jahrzehnts verdoppeln. Deutschland: Wachstum unter Auflagen Auch Deutschland steht am Beginn eines Ausbaubooms. Laut Bitkom und Borderstep-Institut steigt die hierzulande installierte Rechenzentrumsleistung von 2,7 Gigawatt auf rund 4,8 Gigawatt bis 2030. Immer mehr davon wird für KI-Anwendungen reserviert sein, deren Anteil voraussichtlich von etwa 15 auf 40 Prozent wachsen wird. Das bedeutet einen zusätzlichen Leistungsbedarf von rund 1,5 Gigawatt, den zehn bis 20 neue große Rechenzentrums-Campusse decken müssen. Die bevorzugten Standorte liegen dort, wo es Netzkapazität und Glasfaser gibt: im Frankfurter Raum, in Berlin-Brandenburg sowie in Teilen von NordrheinWestfalen und Hessen. So investiert etwa Microsoft über drei Milliarden Euro in neue Cloud- und KI-Zentren in Deutschland, während Amazon Web Services (AWS) in Brandenburg seine europäische „Sovereign Cloud“ aufbaut. Frankfurt bleibt dabei das Herz des Colocation-Markts, jener Branche, in der spezialisierte Betreiber ihre Rechenzentren an viele Kunden vermieten, vom Mittelständler bis zum globalen Cloud-Anbieter. Doch das Wachstum hat Grenzen. Der Energiebedarf, die Flächenkonkurrenz und der politische Druck zu mehr Nachhaltigkeit machen den Ausbau komplex. Die Herausforderung besteht darin, mehr Rechenleistung bei weniger Emissionen zu realisieren. Neue Kühltechnologien, grüne Stromverträge und Wärmerückgewinnung sollen helfen, den CO₂-Fußabdruck zu verringern. Das Rückgrat der digitalen Zukunft Rechenzentren sind die Fabriken der KI-Ära – unscheinbar, aber unverzichtbar. Ohne sie würde kein Sprachmodell trainiert, kein autonomes Fahrzeug lernen, keine Smart City funktionieren. Während die öffentliche Aufmerksamkeit auf den sichtbaren Anwendungen liegt, entsteht im Hintergrund eine neue kritische Infrastruktur, die so groß und energiehungrig ist wie kaum eine Industrie zuvor. Das illustriert auch die Wirtschaftskraft der Digitalbranche, die bislang zwar ein Wachstumstreiber ist, jedoch an politischen Versäumnissen zu scheitern droht. Laut einer aktuellen Studie von Arthur D. Little im Auftrag des eco – Verband der Internetwirtschaft steigt der Umsatz von 245 Milliarden Euro 2025 auf 389 Milliarden Euro im Jahr 2030 – ein jährliches Plus von fast zehn Prozent. Treiber sind digitale Plattform- und Transaktionsmodelle, die bereits heute knapp 40 Prozent der Erlöse ausmachen. Doch trotz dynamischer Entwicklung warnt eco vor strukturellen Defiziten: Fehlende Rechenzentrenkapazitäten und schlecht ausgebaute Telekommunikationsnetze könnten diesen Wachstumskurs einbrechen lassen. Das sieht auch der eco Vorstandsvorsitzende Oliver Süme so: „Ohne entschlossenes politisches Handeln könnte der WachsSchlüsseltechnologien für die KI-Revolution: Stromerzeugung … 24 FOKUS dbb magazin | November 2025
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