dbb magazin 11/2025

den chemischen Prozess der Entladung behindert. Außerdem steht der dabei verbrauchte Schwefel nicht mehr für die weitere Energiespeicherung zur Verfügung, die Batterieleistung verringert sich. Wie die Bildung von Lithiumsulfid verhindert werden kann, wird vom gesamten HZB-Forschungsteam untersucht. Etliche der Forschungslabore dürfen die Besucher nicht betreten; in den Gängen um den nun stillgelegten Forschungsreaktor des ehemaligen Hahn-Meitner-Instituts, das heute Teil des HZB ist, verbieten Warnschilder sogar das Anbohren der Wände. Die Beamlines, die Strahlrohre, die früher die Neutronen aus dem Kernreaktor zu Experimentaufbauten führten, können wir nur im Modell betrachten. Nun, da der Reaktor wegen des Atomausstiegs Deutschlands rückgebaut wird, werden Einzelteile der funktionstüchtigen Anlagen in alle Welt verschickt. Risse bedauert, dass so bestimmte Untersuchungsmethoden wie etwa die Neutronen-KleinwinkelStreuung, mit der Nanometer-Strukturen untersucht werden können, am HZB nicht mehr möglich sein werden. „Wir vermissen den Forschungsreaktor jetzt schon“, sagt er. Aber auch in ganz kleinen Versuchsaufbauten wird geforscht: Die Multimodal-Operando-Messungen an einer Knopfzelle sehen zwar aus wie ein Experiment für Jugend forscht, sind aber Spitzenforschung. „Das ist eines unserer working horses. Damit machen wir die meisten Messungen“, erläutert Risse. Es scheint also doch ein wenig komplizierter zu sein. Die Bildung von Polysulfiden unter Last wird mit drei verschiedenen spektroskopischen Methoden gleichzeitig untersucht und somit aus verschiedenen Blickwinkeln über viele Batteriezyklen betrachtet. Strategische Forschung Auf dem Gang begegnen uns die Mitglieder von Risses Forschungsteam, das international besetzt ist. Die Institutsleiterin, Prof. Dr. Yan Lu, ist Chinesin. Die Arbeitssprache in den Teams ist überwiegend Englisch, ebenso wie auf den Fachsymposien und Kongressen, zu denen Risse mehrmals im Jahr reist. In den vergangenen zwölf Monaten war er unter anderem auf Hawaii, in Sydney und Seoul – Naturwissenschaften leben vom internationalen Austausch von Erfahrungen und Erkenntnissen. Nur so ist technischer Fortschritt, wie etwa die Entwicklung eines lebensrettenden Impfstoffs für Milliarden von Menschen in weniger als zwei Jahren und vielleicht auch die rasche Lösung des Speicherungsproblems von CO₂-neutral gewonnenem Strom, möglich. Das Helmholtz-Zentrum Berlin mit seinen 1 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Standorten Adlershof und Wannsee gehört zur Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, der, wie Risse betont, nach der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, zweitgrößten wissenschaftlichen Forschungsorganisation der Welt. Die HelmholtzGemeinschaft wird vom Bund finanziert und forscht zurzeit in Sieben-Jahres-Plänen. Das Forschungsprogramm orientiert sich an politischen Maßgaben: „Strategische Forschung für große Herausforderungen“, nennen sie das. Richtet eine neue Bundesregierung die strategischen Ziele anders aus, merken die Forscherinnen und Forscher dies sehr schnell: Für das HZB kommen 90 Prozent der Mittel vom Bund, zehn Prozent vom Land Berlin und es werden Drittmittel eingeworben. Die können etwa aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen. Wird ein solcher Fonds neu ausgerichtet oder gar gestrichen, können wichtige Projektgelder fehlen und Zeitverträge nicht bereitwillig verlängert werden. Von dem, was sie hier erforschen, ist Risse zutiefst überzeugt: „Batterien sind ein Hebel für eine grünere Lebensweise.“ Das Ziel ist die Kommerzialisierung von Batterien: „Wir müssen da europäisch denken. Das kann man nicht nur national stemmen“, sagt der Physiker. „Meine Vision ist, dass nachhaltige Batterietechnologie in Europa für Europa produziert wird.“ Was ihn antreibt, ist im Kern aber etwas anderes. Sebastian Risse sagt zum Abschied: „Neugier, wissenschaftliche Neugier.“ ada Dr. Liqiang Lu und Dr. Sebastian Risse an der Pouchzellen-Fertigungsstrecke. Dr. Sebastian Risse an der Glovebox (Handschuhkasten): Die Argonatmosphäre im Innern reagiert nicht mit Lithium und anderen Materialien. Alles, was vielleicht giftig ist, bleibt so in der Box. FOKUS 21 dbb magazin | November 2025

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