Verfolgung auf der Ostsee, in der Kadetrinne, einem Seegebiet nordöstlich der Mecklenburger Bucht. Die Matrosen der Lübeck legen noch einmal Kohle nach, für ein paar zusätzliche Knoten. Dampf steigt aus dem Kessel. Sie kommen immer näher an das Postschiff Friedrich Franz II heran, einen Raddampfer, der Kaufleuten aus Wismar gehört und sich auf seiner ersten Fahrt nach Kopenhagen befindet. Die Kaufleute wollen langfristig eine Schiffsverbindung zwischen den beiden Städten etablieren. Das passt den Besitzern der Lübeck gar nicht, weil sie bereits eine Linie zwischen Travemünde und der dänischen Hauptstadt betreiben. Ihr Plan: die unliebsame Konkurrenz wegrammen. Der Plan geht auf. Die Friedrich Franz II sinkt. Zwei Menschen sterben. So hat es sich am 22. Juli 1849 zugetragen. Die Ereignisse sind gut dokumentiert, es gibt Berichte der Kapitäne, auch die sich anschließende Gerichtsverhandlung ist überliefert. „Das Wrack des Raddampfers hat man allerdings lange nicht gefunden“, sagt Andreas Thies. Das sollte sich im Jahr 2020 ändern. Doch der Reihe nach: Andreas Thies ist selbst Kapitän. Heute, mehr als 170 Jahre nach den Ereignissen in der Kadetrinne, gibt er Einblicke in seine Arbeit auf der Deneb. Das Schiff gehört zur Flotte des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und ist in der Ostsee im Einsatz. Die Crew, bestehend aus 16 Seeleuten, darunter Taucher und ein Koch, ist in der Regel zehn Tage am Stück auf See. Viele besitzen eine Doppelqualifikation, beispielsweise eine Ausbildung zum Seevermessungstechniker oder Tauchersignalmann. Je nach Bedarf können zusätzlich bis zu sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord kommen. Entsprechend wohnlich die Kapitänskajüte: Die Wände mit dunklem Holz verkleidet, es gibt einen Lesesessel, eine Sofaecke mit einem Tisch, ideal zum Kartenspielen. „Wir können ja nach Feierabend nicht einfach nach Hause gehen“, sagt der Kapitän. Das geht erst, wenn die Deneb nach zehn Tagen auf See wieder im Rostocker Hafen liegt, direkt neben dem Gebäude des BSH. Das ist an diesem Herbstmorgen im Oktober der Fall. Hightech auf See Wenn man so will, ist die Deneb eine schwimmende Messplattform, ausgestattet mit moderner Technik. Ohne die Arbeit der Crew wäre unklar, wo Schiffe ausreichend Wasser unter dem Kiel haben, um sicher über die Ostsee zu navigieren. Unklar wäre auch, wo am Meeresboden mögliche Gefahren lauern – etwa Wrackteile oder Steinblöcke. Und letztlich würde die Datengrundlage für Seekarten fehlen, die eben diese Erkenntnisse dokumentieren und für die Schifffahrt unverzichtbar sind. „Messen ist unsere Kernkompetenz“, berichtet Thies. Der 59-jährige Nautiker hat ebenfalls ein Studium zum Vermessungsingenieur absolviert. REPORTAGE Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Die Vermesser der See Ohne Seekarten, in denen sichere Korridore eingezeichnet sind, wäre Seeschifffahrt kaum möglich. Für die Ostsee liefert die Crew der Deneb die erforderlichen Daten. Das Schiff ist Teil der Flotte des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). In Ausnahmefällen können auch Rettungseinsätze dazugehören. 14 FOKUS dbb magazin | November 2025
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