management neigen. Ein wichtiges Schlagwort ist sicher auch Absicherungsdenken, also die Angst, etwas falsch zu machen. Daraus folgende Absicherungsschleifen gehen zulasten der Agilität. Aber gerade in der Verwaltung spielt die Einhaltung von Gesetzen eine zentrale Rolle – da müssen gewisse Absicherungsmechanismen greifen. Bürokratie soll, das ist zumindest ein Ideal, auch Verlässlichkeit schaffen und so vor Willkür schützen. Klar ist natürlich, dass Recht und Gesetz jederzeit eingehalten werden müssen. Und klar ist auch, dass agile Arbeitsweisen sich nicht für alle Bereiche eignen. Es gibt immer – in Unternehmen, Behörden und Organisationen – Prozesse, die über längere Zeit gewachsen sind, gut und verlässlich funktionieren und ihre Berechtigung haben. Aber es gibt eben auch Bereiche, in denen es sich lohnt, die besagten alten Wege zu verlassen – vor allem, wenn es darum geht, Neues zu entwickeln, zum Beispiel einen neuen Service. Welche Rolle spielen Führungskräfte, wenn es darum geht, agile Arbeitsweisen zu etablieren? Sie spielen die entscheidende Rolle, weil sie es sind, die hinter den neuen Arbeitsweisen stehen müssen und neue Herangehensweisen vorleben. Und das bestenfalls, indem sie die Beschäftigten mitnehmen, neue Wege aufzeigen, in nachvollziehbaren Schritten vorgehen und Feedback einholen. Agilität lässt sich also idealerweise mit Agilität umsetzen? Sozusagen! Es ist wirklich wichtig, dass sich auch Top-Level-Führungskräfte mit dem Konzept befassen. Sonst funktioniert es nicht oder wird falsch verstanden. Führungskräfte müssen innerhalb der Sprints loslassen können und die Teams arbeiten lassen. In den Besprechungen am Ende eines jeden Sprints ist es wiederum ihre Aufgabe, ausdrücklich auch kritische Fragen zu stellen: Funktioniert es wirklich? Haben wir den Fokus noch im Blick? Oder müssen wir umdenken? Ob agiles Arbeiten gelingt, ist vor allem eine Frage der Haltung! Die Haltung ist nicht: „Seht zu, dass ihr auch ja alles richtig macht!“ Sondern vielmehr: „Hey, wie läuft es gerade? Habt ihr alles, was ihr braucht?“ Führungskräfte haben die Aufgabe, den Beschäftigten Orientierung und Rückenwind zu geben. Nehmen wir an, eine Führungskraft steht agilem Arbeiten abweisend gegenüber, aus Sorge davor, dass die Disziplin abhandenkommt. Was entgegnen Sie? In meine Seminare kommen die Teilnehmenden oft mit der Erwartungshaltung: „Wir sind hier jetzt mal total kreativ, wie cool, alles ganz agil …“ Da muss ich korrigieren: Ja, Kreativität und Freiheit haben durchaus ihren Platz, aber immer innerhalb eines bestimmten Rahmens. Fakt ist: Agiles Arbeiten ist sehr strukturiert und erfordert sogar sehr viel Disziplin! Vor allem mit Blick auf die Erledigung der Aufgaben innerhalb eines Sprints. Oder wenn es darum geht, die eigenen Fortschritte transparent zu machen … … dabei haben die meisten wahrscheinlich Flipcharts mit bunten Klebezetteln vor Augen, die ein Projekt abbilden. Wie können digitale Tools helfen, agiles Arbeiten umzusetzen? Für die Kommunikation von Beschäftigten untereinander haben sich Tools wie Teams und Slack inzwischen flächendeckend etabliert, für das Projektmanagement gibt es beispielsweise Trello und Jira. Alle Tools lassen sich nutzen, um Aufgaben zu verteilen, Fortschritte abzubilden, Prioritäten zu verschieben und Informationen zu teilen – kurzum: alles, was agilen Arbeitsweisen entgegenkommt. Außerdem tragen die Tools auch dem Bedürfnis nach mobilem Arbeiten Rechnung. Trotzdem ist es meiner Erfahrung nach wichtig, dass Teams auch zu Treffen in Präsenz zusammenkommen – dann auch gerne mit den klassischen Flipcharts und bunten Klebezetteln! Der persönliche Kontakt stärkt den Zusammenhalt. Und was man nicht vergessen darf: Alle Tools haben nur einen Mehrwert, wenn agiles Arbeiten und Denken schon in den Köpfen verankert ist. Heißt: Die Beschäftigten müssen sie pflegen, regelmäßig ihre Fortschritte eintragen und somit die Transparenz schaffen, die das agile Arbeiten ausmacht. Die Devise lautet also: erst das Mindset, dann das Tool! Genau. Agiles Arbeiten ist eine Haltungsfrage. Wie schnell sich neue Arbeitsweisen umsetzen lassen, hängt von vielen Faktoren ab – zum Beispiel vom Status quo der Arbeitskultur in einem Unternehmen, einer Behörde, einer Organisation. Gibt es Erfahrungswerte, die Sie teilen können? Wie lange dauert die Umstellung? Meine Erfahrung ist, dass ein tiefgreifender Kulturwandel Zeit braucht, da sprechen wir nicht von Monaten, eher von Jahren. Eingespielte Denk- und Arbeitsweisen zu verändern, neue zu etablieren, diese einzuüben und vor allem dranzubleiben – das dauert. Aber meine Erfahrung ist auch: Veränderungen lassen sich oft schneller umsetzen als man denkt! Mitunter stellen sich erste Erfolge innerhalb von Wochen ein. Und aus diesen Erfolgen entstehen nicht selten Dynamiken, aus denen sich schnell weitere Schritte ergeben. Interview: Christoph Dierking Der Beitrag erschien zuerst auf staatklar.org. Führungskräfte haben die Aufgabe, den Beschäftigten Orientierung und Rückenwind zu geben. Kerstin Sarah von Appen ist Expertin für ChangeManagement und berät Führungskräfte in Unternehmen und Verbänden. © Henrik Andree FOKUS 11 dbb magazin | November 2025
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