FRAUEN Gesundheitspolitik Frauen nur mitzudenken, reicht nicht aus Jedes Jahr werden Milliarden in die Arzneimittelforschung investiert. Die Studien berücksichtigen jedoch nicht die spezifischen Gesundheitsbedürfnisse von Frauen. Das kann gravierende Folgen haben. Der Welttag der Sicherheit für Patientinnen und Patienten, der jedes Jahr am 17. September stattfindet, soll auf die Risiken, beispielsweise durch falsche oder fehlerhafte Behandlungen und Medikation, aufmerksam machen. Für Milanie Kreutz, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung und stellvertretende dbb Bundesvorsitzende, ist klar: Es braucht mehr Sensibilisierung für die spezifischen Risiken, denen Frauen ausgesetzt sind. Denn obwohl die Pharmaindustrie eines der größten Forschungsgebiete auf der Welt umfasst, beschäftige sich die medizinische Forschung leider immer noch ganz überwiegend allein mit dem Körper des Mannes, erklärt Kreutz. „Studienergebnisse, Dosierungsempfehlungen und Anwendungsgebiete wurden und werden 1:1 auf den Frauenkörper übertragen. Das Bewusstsein dafür, dass das Geschlecht große Auswirkungen auf die Gesundheit hat und unterschiedlich auf Therapien und Wirkstoffe reagiert, setzt sich erst langsam durch.“ Mehr Bewusstsein notwendig Falsche Behandlungen können gravierende gesundheitliche Folgen für die Frauen haben. „Es ist mehr Bewusstsein und Aufmerksamkeit für Frauengesundheit notwendig“, fordert Kreutz. Mehr Awareness sei nicht nur in der Pharmaindustrie vonnöten, sondern speziell auch bei Ärztinnen und Ärzten, denn bestimmte Erkrankungen äußern sich bei Frauen anders als bei Männern. „Es reicht nicht aus, Frauen nur ‚mitzudenken‘. Frauengesundheit muss sich als eigener Schwerpunkt etablieren.“ Außerdem gebe es Beschwerden und Erkrankungen, von denen Frauen nur oder deutlich häufiger betroffen sind. Dazu zählen zum Beispiel Brustkrebs, Gebärmutterhalskrebs und Endometriose. „Grade Letztere wird in der Öffentlichkeit vielfach noch nicht als schwere Erkrankung wahrgenommen, weshalb sich Betroffene häufig mit dem Unverständnis der Männerwelt auseinandersetzen müssen“, kritisiert Kreutz. Hier bedarf es nicht nur mehr Aufklärung. „Auch die Politik muss in ihren gesundheitspolitischen Gesetzen stärker frauenspezifische Gesundheit miteinbeziehen. Deshalb habe ich fest vor, das Thema Frauengesundheit bei einer unserer nächsten frauenpolitischen Fachtagungen zum Schwerpunkt zu machen“, so die dbb-Vize. Erste kleine Erfolge gibt es bereits: Zum 1. Juni 2025 wurde beispielsweise der Mutterschutz auch auf Fehlgeburten ausgeweitet. Die dbb frauen begrüßen die neue Regelung. „Das trägt einem geschlechtersensiblen Gesundheitsmanagement Rechnung“, betont Kreutz. „Für die dbb frauen ist das ein wichtiges Signal und zeigt, dass die neue Bundesfamilien- und Frauenministerin Karin Prien ihre Rolle ernst nimmt. Geschlechtersensibles Gesundheitsmanagement ist uns ein großes Anliegen, leider wurde es lange Zeit hintangestellt.“ Frauentypische Risiken Die Belastungen und gesundheitlichen Ressourcen von Frauen und Männern unterscheiden sich häufig durch die verschiedenen beruflichen Tätigkeiten und die zusätzlichen Arbeitsanforderungen aus dem privaten Umfeld. Die unterschiedlichen Tätigkeiten und Belastungen führen dazu, dass Stress bei Frauen und Männern verschiedene Ausprägungen hat. Aber auch das Risikoverhalten und die Bewältigungsstrategien sind geschlechterdifferenziert. Nicht nur Ärztinnen, Ärzte und Krankenhäuser können ihren Teil zur Frauengesundheit beitragen. Den Arbeitgebenden kommt die wichtige Rolle der geschlechtergerechten Prävention zu. Sie müssen regelmäßig die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen und deren Einhaltung an den Arbeits- und Betriebsstätten überprüfen. Vor allem müssen sie aus Sicht der dbb frauen aber ein gendergerechtes Gesundheitsmanagement etablieren. Kreutz weiter: „Es wird Zeit, dass wir den spezifischen Risiken und Symptomen bei Frauen mehr Aufmerksamkeit widmen. Über allem steht eine Gesundheitsversorgung, die nicht diskriminiert und auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern Rücksicht nimmt. Mehr Fokus auf die Gendermedizin als festen Bestandteil der medizinischen Ausbildung könnte die Gesundheitsversorgung von Frauen deutlich verbessern.“ dsc © Unsplash.com/Kateryna Hliznitsova 32 INTERN dbb magazin | Oktober 2025
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