Job-Portrait: Ausbildung in der Pflege Kein Beruf, sondern Berufung Dominik ist Gesundheits- und Krankenpfleger. An seinem Job schätzt er vor allem, dass er Menschen in schweren Lebenslagen unterstützen kann. Oft sind es Kleinigkeiten, die einen großen Unterschied machen. Nachtdienst im Krankenhaus, jemand hat den Knopf gedrückt. Dominik Eichel eilt über den Flur, um im Zimmer nach dem Rechten zu schauen. „Nanu, Herr P., sollen Sie nicht schlafen?“, fragt er den Patienten. Der antwortet: „Ja, Sie aber auch!“ – „Ich kann nicht schlafen, Sie haben ja geklingelt!“ – „Ach ja, das tut mir leid!“ – „Aber wenn wir schon einmal wach sind: Was kann ich Ihnen denn Gutes tun?“ – „Och, Herr Pfleger, mein linker Fuß, der juckt so schlimm und ich komme nicht ran!“ Dominik schlägt die Decke um und kratzt. Der Patient ist zufrieden: „Danke, Herr Pfleger. Jetzt kann ich endlich schlafen!“ Dabei hat Dominik nur auf der Matratze gekratzt. Denn der Mann hat keinen linken Fuß mehr, der wurde amputiert. „Jucken oder Phantomschmerzen sind in solchen Fällen nicht unüblich, das ist eine Reaktion des Nervensystems“, erklärt der Krankenpfleger, der gebürtig aus Arnoldshain im Hochtaunus kommt. Seine Ausbildung hat er in einer Klinik in der Nähe von Frankfurt gemacht. Gearbeitet hat er bislang unter anderem in der Kardiologie, Onkologie und in der Intermediate Care. Letzterer ist ein spezialisierter Bereich in der Pflege, der sich um Menschen kümmert, die auf der Intensivstation lagen und – im Idealfall – bald wieder auf die Normalstation sollen. „Langweilig wird es in der Pflege nie“, sagt der 29-Jährige. „Und das ist es, was ich an meinem Job besonders schätze.“ Ohne soziale Ader geht es nicht Als Schüler, der gerade seinen Realschulabschluss macht, weiß Dominik kaum etwas über die Gesundheits- und Krankenpflege. Warum er sich trotzdem für die Ausbildung entschieden hat? „Nun, ich stand eines Morgens zu Hause vor dem Spiegel und habe mich gefragt: Was zum Henker bekomme ich hin?“, erinnert er sich und lacht. Handwerk? Fällt aus, körperlich fühlt er sich dem Bau nicht gewachsen. Büro? Auf keinen Fall, den ganzen Tag vor dem Bildschirm zu sitzen, das ist nicht seins. „Da blieb nur noch die Pflege übrig, in der ich dann gelandet bin“ – auch wenn er die Entscheidung mehr aus dem Bauch heraus getroffen hat, die wichtigen Grundvoraussetzungen bringt er mit: eine soziale Veranlagung. Den Wunsch, etwas Gutes zu tun. Die Fähigkeit, im Team zu arbeiten. In der Ausbildung wächst Dominik immer mehr in den Beruf hinein. Er entdeckt seine Faszination für das Herz, das einzige Organ, über das er nach eigener Aussage „mitten in der Nacht aus dem Stegreif einen Vortrag halten könnte“. Er entwickelt Stressresilienz, die im Job von großer Bedeutung ist, und die Fähigkeit, die Bedürfnisse der Patient*innen wahrzunehmen. Und vor allem lernt er den Alltag im Krankenhausbetrieb kennen. Morgens schaut er zunächst in jedes Zimmer, um sich einen Überblick zu verschaffen. Es folgen die Medikamentenausgabe und das Frühstück, bei dem der eine oder andere Unterstützung braucht. Schließlich starten die Ärzt*innen mit der Visite. Mit Herzblut dabei So viel zu den Routinen – Pflege bedeutet aber auch, sich auf Unvorhergesehenes einzustellen und zu improvisieren. Kurzfristig muss das Team noch eine Patientin unterbringen. Einem Patienten ist plötzlich schwummrig. Und im Extremfall kommt es zu medizinischen Notfällen, in denen jede Sekunde zählt. „Mit der Zeit habe ich immer mehr verstanden, dass Pflege kein Beruf, sondern eine Berufung ist“, resümiert Dominik. „Das würden wahrscheinlich alle Kolleginnen und Kollegen so unterschreiben.“ Woran er das für sich persönlich festmacht? Einen Anteil daran zu haben, dass Menschen nach einer Krankheit oder einem Unfall wieder nach Hause zurückkehren und ihr Leben weiterleben können, das sei ein Gefühl, das kein Geld der Welt aufwiegen kann, sagt Dominik. „Man könnte mir einen Koffer mit einer Million vor die Füße stellen, das würde mich immer noch weniger befrieden als die Wertschätzung der Patientinnen und Patienten.“ Dabei ist es nicht zwingend, dass die Wertschätzung direkt kommuniziert wird – manchmal erfolgt sie auch im Stillen. So auch bei dem Patienten mit dem amputierten Fuß, der nach der Unterstützung beim Kratzen die ganze Nacht ruhig und zufrieden durchschläft. cdi Dominik Eichel ist Pflegefachkraft. © privat 22 FOKUS dbb magazin | Oktober 2025
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==