dbb magazin 10/2025

gleichermaßen. Mögliche Gegenmaßnahmen wären, die Position der gesetzlichen Krankenkassen und der öffentlichen Hand in Preisverhandlungen zu stärken, die Nutzenbewertung neuer Therapien und Technologien konsequent mit Wirtschaftlichkeitskriterien zu verknüpfen, Einkaufsvolumina zu bündeln, europaweite Vergabeprozesse zu etablieren und Lieferketten konsequent zu digitalisieren. Digitalisierung wird als eine der Schlüsseltechnologien gehandelt, um dem Kostendruck im Gesundheitswesen zu begegnen. Ausgerechnet in dieser Disziplin können deutsche Krankenhäuser im internationalen Vergleich bislang kaum punkten. Eine neue Studie der Hochschule Osnabrück im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zu den IT-Ausgaben in Krankenhäusern in Deutschland, Dänemark und den Niederlanden zeigt deutlich, dass in Deutschland weniger in digitale Infrastruktur und IT-Personal investiert wird. Im internationalen Vergleich sind die IT-Ausgaben in deutschen Krankenhäusern sogar besonders niedrig. Die Studie legt eindrücklich nahe, dass eine hohe digitale Reife nur mit einer adäquaten und dauerhaft gesicherten Finanzierung möglich ist – insbesondere bei den laufenden Betriebskosten der Krankenhäuser. Die Digitalisierung lahmt „Unsere Krankenhäuser digitalisieren derzeit mit besonders geringem Ressourceneinsatz“, erklärt der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß. „Das spricht einerseits für eine hohe Effizienz. Andererseits lässt es aber auch erwarten, dass ohne eine verlässliche Finanzierungsperspektive für die Zeit nach dem Auslaufen der Förderung nach dem Krankenhauszukunftsgesetz die Digitalisierung in Krankenhäusern nicht nachhaltig gesichert und verbessert werden kann.“ Dänemark und die Niederlande gelten seit Jahren als Vorbilder bei der Digitalisierung des Krankenhauswesens. Während Krankenhäuser in Deutschland – bereinigt um temporäre Investitionsmittel aus dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) – der Studie zufolge nur 3 Prozent ihres Budgets für IT ausgeben, sind es in Dänemark 3,9 und in den Niederlanden 5,2 Prozent. Besonders deutlich fällt der Rückstand bei den laufenden Ausgaben für ITBetrieb und Personal aus: 2,1 Prozent in Deutschland gegenüber 3,6 Prozent in Dänemark und 4 Prozent in den Niederlanden. Noch deutlicher werden die Unterschiede im internationalen Vergleich im Licht der bereits im Februar 2025 veröffentlichten Studie des Deutschen Krankenhausinstituts über die Gesamtkosten der Krankenhäuser: Krankenhäuser in Deutschland verursachen im europäischen Vergleich besonders niedrige Kosten pro Behandlungsfall – im Durchschnitt rund 6 000 Euro –, während es in Dänemark mehr als 7 000 und in den Niederlanden mehr als 8 000 Euro sind. Das bedeutet: Der ohnehin geringe IT-Anteil bezieht sich in Deutschland auch noch auf ein deutlich niedrigeres Gesamtkostenniveau. Die reale IT-Finanzierungslücke zu den internationalen Vorreitern fällt also noch größer aus, als es der bloße Prozentvergleich nahelegt. „Wer Digitalisierung wirklich will, muss sie dauerhaft finanzieren“, argumentiert Gaß. Während Länder wie Dänemark und die Niederlande strukturell in ihre digitale Infrastruktur investierten, fehlten in Deutschland die Mittel für Personal, Betrieb und Weiterentwicklung. Das sei nicht zukunftsfähig. Ein weiterer Punkt der Studie: Angesichts der anhaltenden Finanzierungskrise müssen die Krankenhäuser ihre knappen Mittel auf existenzielle Ausgabenposten wie die Bezahlung des Personals fokussieren, um das akute Insolvenzrisiko zu mindern. In dieser Situation bleibt wenig Platz für Digitalisierung, da diese in der Regel keine unmittelbar wirksamen Kosteneinsparungen mit sich bringt. So fallen auch die Unterschiede bei den Personalausgaben für IT-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter besonders gravierend aus: Deutsche Krankenhäuser können nur 0,8 Prozent ihres Budgets in IT-Personal investieren. In Dänemark sind es 1,9 Prozent, in den Niederlanden 1,5 Prozent. Daher fordert der DKG-Vorsitzende die Politik auf, sich nicht länger auf zeitlich befristeten und bürokratisch aufwendigen Programmen wie dem Krankenhauszukunftsgesetz auszuruhen, sondern Digitalisierung zum Teil der Regelversorgung zu machen. Es kommt darauf an, wen man fragt Im Gegensatz dazu sieht der Zwischenbericht des DigitalRadarKrankenhaus-Konsortiums vom Juni 2025 den Weg zu einer umfassend digitalisierten Krankenhauslandschaft als geebnet an. Im Mai 2021 hatte das Bundesministerium für Gesundheit das Konsortium im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes mit der Evaluierung des Reifegrads deutscher Krankenhäuser hinsichtlich der Digitalisierung beauftragt. Es besteht aus dem privaten Institut für angewandte Versorgungsforschung inav, dem Fachverband HIMSS Europe GmbH, der Fachberatung Lohfert und Lohfert AG sowie den Projektpartnern Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Universität St. Gallen. Demnach habe sich die digitale Reife deutscher Krankenhäuser seit 2021 deutlich verbessert, der durchschnittliche DigitalRadar-Score der Kliniken sei seit 2021 um 9,1 auf 42,4 Punkte gestiegen. „Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Richtung stimmt und substanzielle Fortschritte gemessen werden konnten“, resümiert Prof. Volker Amelung, Konsortialsprecher des DigitalRadars und CEO des inav. „Für die Weiterentwicklung der Digitalisierung von Krankenhäusern ergeben sich klare Handlungsfelder – sei es in der weiteren Ausgestaltung von Fördermaßnahmen, der gezielten Unterstützung kleinerer Häuser oder im Abbau regionaler Ungleichheiten.“ Auch strukturell und bei der Patientenpartizipation gebe es Fortschritte, digitale Prozesse seien sowohl in der klinischen Organisation als auch in der Interaktion mit Patienten zunehmend verankert. „Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) und die Anstrengungen auf Bundes-, Landes- und Krankenhausebene haben der Digitalisierung deutscher Krankenhäuser einen messbaren Schub gegeben“, zeigt sich Thomas Renner, Unterabteilungsleiter für Digitalisierung und Innovation im Bundesministerium für Gesundheit, zufrieden. Die aktuelle Erhebung sieht eine klare Entwicklung bei Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft, die mit einem durchschnittlichen DigitalRadar-Score von 46,5 weiterhin die höchsten Werte unter den Trägerschaften aufweisen. Sie liegen damit vor Krankenhäusern freigemeinnütziger (40,8) und in privater Trägerschaft (39,7). Auch beim Zuwachs im Digitalisierungsgrad verzeichnen Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft mit einem Anstieg von 10,1 Punkten die stärkste Entwicklung. Krankenhäuser in freigemeinnütziger Trägerschaft verbesserten sich um 9,1 Punkte, Krankenhäuser in privater Trägerschaft um 7,8 Punkte – ein Unterschied, der unter anderem auf unterschiedliche Ausgangsniveaus zurückgeführt werden kann. br FOKUS 15 dbb magazin | Oktober 2025

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