wicklungsstand zu erheben und die anschließende passgenaue Förderung gewährleisten zu können“, warnt Fleischmann. Auch das geplante Ganztagsangebot bereitet ihr vor dem Hintergrund des Personalmangels große Sorgen: „Wir sehen die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter weiterhin sehr kritisch. Er bietet große Chancen für Bildungsgerechtigkeit, Chancengleichheit, Geschlechtergerechtigkeit und eine höhere Erwerbstätigkeit von Frauen, erfordert jedoch deutlich mehr Personal aus der frühkindlichen und allgemeinen Bildung, die schon heute stark unter Fachkräftemangel leiden“, so Fleischmann. Mit dem Vorhaben, messbare Bildungsziele zu vereinbaren und eine datengestützte Schulentwicklung und ein Bildungsverlaufsregister zu schaffen, möchte die Bundesregierung die bisher spärliche Datenlage verbessern. „Auch hier stellt sich die Frage nach den Ressourcen und der nötigen Präzisierung der Maßnahmen. Mehrarbeit der Schulverwaltung, der Schulleitung und der Lehrkräfte für eine datengestützte Schulentwicklung bedarf der Ressourcen, die von Anfang an mitgeplant werden müssen. Schul- und Unterrichtsentwicklung ist im Wesentlichen Sache der Länder. Stellt der Bund die notwendigen Ressourcen zur Verfügung? Für das Bildungsverlaufsregister verwehren wir uns nicht grundsätzlich der Datenerhebung, wenn sie den Schutz der Persönlichkeits- und Datenschutzrechte auf höchstem Niveau gewährleistet. Aber auch hier stellt sich die ernsthafte Frage, wer schlussendlich mit dieser Aufgabe betraut werden soll – und ob dies tatsächlich der passgenauen Förderung der Schulkinder dient“, kritisiert Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende der dbb Fachkommission Schule, Bildung und Wissenschaft. Klare Standards Qualitätssicherung ist der zweite entscheidende Faktor. „Wir bedauern, dass die Bundesregierung von verbindlichen Qualitätsstandards für die Ganztagsbetreuung im Grundschulalter absieht. Gleichermaßen erwarten wir mit großer Spannung die Qualitätsdimensionen des Qualitätsentwicklungsgesetzes für bessere Kitas, die zwingend wissenschaftlich begründet und bundesweit verbindlich sein müssen“, ergänzt Fleischmann. Die Qualität der Bildungsangebote hängt zudem maßgeblich von der Qualifikation, den Kompetenzen und der Haltung des pädagogischen Personals ab. „Mit großer Sorge beobachten wir seit Längerem mangelbedingte Qualitätsabsenkungen in der Ausbildung pädagogischer Fachkräfte in allen Bildungsbereichen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist jedoch eine erstklassige Ausbildung für alle pädagogisch Beschäftigten unverzichtbar“, fordert Lin-Klitzing. Auch zur geplanten dualen Ausbildung für Erzieherberufe gibt es Klärungsbedarf: Eine bundesweite Anerkennung ist sicherzustellen, während Abstriche bei Zugangsvoraussetzungen, Dauer und Inhalten unbedingt vermieden werden müssen. Lin-Klitzing begrüßt die Fortführung der Qualitätsoffensive Lehrerbildung und betont die Bedeutung der Zweiphasigkeit der Lehrkräftebildung, einer angemessenen Dauer des Vorbereitungsdienstes sowie des Zwei-Fach-Lehramtsstudiums. Verlässliche Rahmenbedingungen Der dritte Pfeiler erfolgreicher Bildungspolitik sind stabile Strukturen. Viele Vorhaben der Bundesregierung sind befristet. „Die Befristung von Bildungsinvestitionen und die damit verbundene Planungsunsicherheit verhindern eine nachhaltige Stärkung unseres Bildungssystems. Was es braucht, sind verbindliche Rahmenbedingungen und eine verlässliche Finanzierung. Wer Personal gewinnen und langfristig halten möchte, muss echte Perspektiven bieten können“, erläutert Lin-Klitzing. Die Hängepartie des Digitalpakts versinnbildlicht die Notwendigkeit langfristig angelegter Bildungsinvestitionen: Seit der DigitalPakt im Frühjahr 2024 ausgelaufen ist, klafft eine Förderlücke und noch immer ist unklar, wann der Digitalpakt 2.0 endlich startet. Chancengerechtigkeit Im Sinne der Bildungsgerechtigkeit und des grundgesetzlich verankerten Anspruchs auf gleichwertige Lebensverhältnisse muss das Ziel aller familien- und bildungspolitischen Vorhaben sein, die Chancengerechtigkeit voranzutreiben. Dafür sind bundesweit vergleichbare Standards auf hohem Niveau notwendig, damit nicht die Herkunft eines Kindes seine Chancen bestimmt. Die Ausweitung des Startchancen-Programms sowie die Wiederaufnahme des Bundesprogramms der Sprach-Kitas sind wichtige Schritte in diese Richtung, weil sie gezielt Einrichtungen mit besonderen Herausforderungen unterstützen. Gleichzeitig muss vermieden werden, dass Einrichtungen außerhalb dieser Programme benachteiligt werden. Auch bei der Finanzierung großer Vorhaben wie des Digitalpakts 2.0 muss sichergestellt werden, dass inhaltlich sinnvolle bildungspolitische Maßnahmen keine Ungleichheiten zwischen finanzstarken und finanzschwachen Regionen verfestigen. Die aktuell vorgesehene hälftige Finanzierung durch die Länder birgt genau dieses Risiko. Alle Bildungswege stärken Der dbb betont seit Langem die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Vor diesem Hintergrund werden die geplanten Bestrebungen der Bundesregierung zur Verrechtlichung des Verhältnisses begrüßt. Mit Blick auf die Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen wird eine zeitnahe Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes mit besonderem Augenmerk auf der Post-Doc-Phase gefordert. „Nur wenn frühkindliche Bildung, Schule, berufliche und akademische Ausbildung gemeinsam gestärkt werden, entstehen tragfähige Strukturen, die dem gesamten Bildungssystem langfristig Stabilität geben“, so Lin-Klitzing. jos Model Foto: Colourbox.de/Peopleimages.com (2) FOKUS 27 dbb magazin | September 2025
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