Respekts vor unseren demokratisch legitimierten staatlichen Institutionen ist. Das dürfen wir nicht dulden. Sonst finden wir bald niemanden mehr, der im öffentlichen Dienst arbeiten oder für öffentliche Ämter kandidieren möchte. Haben Sie den Eindruck, dass etwa in der Bundespolitik allen der Ernst der Lage bewusst ist? Ich halte nicht viel von pauschalen Vorwürfen. Das hängt immer von den konkreten Personen ab. In meinen Gesprächen mit Bundesinnenminister Alexander Dobrindt in den vergangenen Tagen habe ich aber beispielsweise schon den Eindruck, dass ihm der Handlungsdruck bewusst ist. Gerade beim Bund haben wir ja ganz konkrete offenen Baustellen, die zügig geschlossen werden müssen: die Übertragung des Tarifergebnisses aus dem April auf die Bundesbeamtinnen und -beamten, die Rückführung ihrer Wochenarbeitszeit und nicht zuletzt die Umsetzung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur amtsangemessenen Alimentation. Die Kolleginnen und Kollegen sind an das Gesetz gebunden, fühlen sich dem Recht verpflichtet. Da ist es schwer erträglich, wenn der eigene Dienstherr höchstrichterliche Urteile ignoriert oder deren Umsetzung verschleppt. Auch das ist nicht gesund für eine Demokratie. Sie haben das Thema Digitalisierung angesprochen, einen echten Dauerbrenner. Welche digitale Dienstleistung haben Sie privat zuletzt in Anspruch genommen? Tatsächlich bevorzuge ich immer noch den analogen Weg, wenn es um die Verwaltung geht. In meiner Heimat in Franken ist es allerdings auch deutlich leichter, an einen Termin beim Bürgeramt zu kommen, als beispielsweise in Berlin. Ich schätze den persönlichen Kontakt und nutze ohnehin jede Gelegenheit, um die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu erleben. Ein großes Problem im Verhältnis zwischen Politik und öffentlichem Dienst ist meines Erachtens, dass zu wenige Entscheider echte Einblicke in die alltägliche Verwaltungsarbeit haben. Welche Schlüsse ziehen Sie aus dieser Erfahrung? Erstens: Eine konsequente Digitalisierung der Verwaltung ist essenziell. Allerdings darf diese nicht dazu führen, dass der analoge Zugang vor Ort für die Bürgerinnen und Bürger schrittweise abgeschafft wird. Wir brauchen vielmehr beides: digitale Dienstleistungen einerseits, die Möglichkeit, alle Angelegenheiten auf dem Amt zu erledigen, andererseits. Übrigens: Beide Wege bedingen einander. Je verfügbarer und unkomplizierter der digitale Behördengang ist und damit Beschäftigte entlastet werden, desto mehr Kapazitäten gibt es für die persönliche Beratung, gerade in komplexen Angelegenheiten. Zweitens: Die Digitalisierung von staatlichen Dienstleistungen muss konsequent aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger gedacht werden. Das bedeutet, dass die Vernetzung staatlicher Stellen untereinander deutlich verbessert werden muss. Aus Sicht der Bevölkerung ist es doch überhaupt nicht nachvollziehbar, warum man gegenüber der Verwaltung immer wieder die gleichen Daten angeben muss, obwohl diese eigentlich bei anderen Behörden bereits vorliegen. Drittens: Es darf nicht länger eine Schaufensterpolitik in diesem Bereich geben. Ein ausfüllbares PDF ist keine gelungene Digitalisierung, wenn es danach in der Dienststelle wieder ausgedruckt und abgeheftet wird. Stattdessen sollten wir die Chance nutzen und jeden einzelnen Verwaltungsprozess unter die Lupe nehmen: Brauchen wir das noch? Oder kann das weg? Die neue Bundesregierung hat erstmals ein eigenes Ministerium für Staatsmodernisierung und Digitalisierung. Macht Ihnen das Hoffnung? Wir stehen auf jeden Fall bereit! Die Kolleginnen und Kollegen aus der Praxis, ihre gewählten Personalvertretungen, ihre Fachgewerkschaften und natürlich auch wir als Dachverband brennen darauf, dass wir endlich Fortschritte erzielen. Uns allen ist klar: Es wird eine Herkulesaufgabe, zukünftige Stellen zu besetzen, denn selbst mit optimalen Beschäftigungsbedingungen wird es auf dem Arbeitsmarkt aufgrund des demografischen Wandels eng. Ohne mehr Effektivität und Effizienz droht also die Belastung für die Beschäftigten immer größer und der Staat schlussendlich handlungsunfähig zu werden. Wir werden mit aller Macht dafür kämpfen, dass es nicht so weit kommt. Stichwort „kämpfen“: Schon Ende des Jahres steht die nächste Einkommensrunde mit den Ländern an – ohne Arbeitskampf wird es auch da wieder nicht gehen, oder? Jede Einkommensrunde der letzten Jahre war hart, weil die Verteilungskämpfe schärfer werden. Aber jetzt ist nicht die Zeit für Streikaufrufe. Noch nicht. Ab September starten wieder die Regionalkonferenzen, um mit den Kolleginnen und Kollegen über mögliche Themen zu diskutieren. Dann wird die Bundestarifkommission die Forderung am 17. November beschließen und am 3. Dezember starten die Verhandlungen. Die Länder wissen aber um die Notwendigkeit, in die Daseinsfürsorge zu investieren. Wir sind ja auch abseits der Einkommensrunden immer in Gesprächen. Also gehen Sie mit Zuversicht in die Verhandlungen? Ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch und gehe in jede Verhandlung mit Zuversicht. Ich bin mit 27 Jahren erstmals Personalratsvorsitzender bei der damaligen Deutschen Bundespost geworden. Das war genau in der Zeit, in der die Post in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ich damit vom Personal- zum Betriebsrat wurde. Da ging es für viele Kolleginnen und Kollegen um existenzielle Fragen. Damals habe ich vor allem zwei Dinge gelernt: dass Angst ein ganz schlechter Ratgeber für einen Gewerkschafter ist. Und dass Solidarität unter den Beschäftigten unglaublich viel bewegen kann. Und genauso möchte ich auch den dbb sehen und so will ich ihn führen: mutig vorangehen und mit großer Geschlossenheit für einen starken öffentlichen Dienst in Deutschland kämpfen. _ Die Digitalisierung von staatlichen Dienstleistungen muss konsequent aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger gedacht werden. AKTUELL 9 dbb magazin | Juli/August 2025
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==