Spaltung – „die Sorgen der Generationen ähneln sich stark“, kommentiert der Studienleiter. „Die neue Bundesregierung sollte sich die Werte genau anschauen. Dann weiß sie, worauf sie sich konzentrieren muss.“ Die meisten Sorgen machen sich alle befragten Altersgruppen laut Studie um die Kriege in Europa und Nahost (im Durchschnitt 64 Prozent), die steigende Inflation (55 Prozent), die Spaltung der Gesellschaft (48 Prozent), teuren Wohnraum (43 Prozent) und den Klimawandel (42 Prozent). Jugend fühlt sich stärker belastet Anders als bei den gesellschaftlichen und politischen Sorgen zeigen die Studienergebnisse im Generationenvergleich ein differenzierteres Bild, was die gefühlte Belastung betrifft: Jugendliche fühlen sich stärker von Stress, Erschöpfung, Selbstzweifel und Antriebslosigkeit betroffen als Ältere. „Die Ergebnisse sind ernst zu nehmen; man darf allerdings nicht vergessen, dass Stress in der Jugendphase auch ein typisches Phänomen ist“, erklärt Schnetzer. Denn es handelt sich um eine Lebensphase, die mit vielen Fragen verbunden ist: Bin ich gut genug? Wo will ich hin? Was will ich einmal tun? Eng verknüpft mit dem psychischen Wohlbefinden ist die Nutzung von sozialen Medien: „Wer das Smartphone weniger nutzt, fühlt sich besser“, sagt Co-Autor Kilian Hampel. Bemerkenswert sei, dass junge Menschen sich der Gefahren bewusst sind, wie die Studienergebnisse zeigen: Der Aussage, die Nutzung von sozialen Medien trage zum Anstieg psychischer Belastungen bei, stimmen 55 Prozent zu. 45 Prozent teilen die Ansicht, dass ihr Wohlbefinden leide, wenn sie zu viel Zeit in den sozialen Medien verbringen. 35 Prozent geben an, dass man ihr Nutzungsverhalten des Smartphones als Sucht bezeichnen könne. Nina Kolleck, Professorin für Erziehungs- und Sozialisationstheorie an der Universität Potsdam, forscht zur Frage, wie junge Menschen soziale Medien nutzen. „Fakt ist, dass das Smartphone aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken ist“, sagt sie. Dabei handelt es sich um eine Realität, die auch die Politik anerkennen muss. „Um für die Gefahren von sozialen Medien zu sensibilisieren, brauchen wir mehr Medienbildung.“ Außerdem müsse die Politik digitale Plattformen stärker regulieren, damit junge Menschen weniger mit Hass, Fake News, Extremismus und Verschwörungstheorien konfrontiert werden. Politische Verunsicherung Über die Hälfte der Befragten informiert sich in sozialen Medien über politische Themen, wo auch Rechtsextreme den Ton angeben. Diese Tatsache ist eine von mehreren Ursachen dafür, dass junge Menschen politisch tief verunsichert sind, sagt Co-Studienautor Klaus Hurrelmann. „Es fällt auf, dass das Vertrauen ins politische System angekratzt ist; die Jugend ist enttäuscht von der Regierungspolitik.“ Der Wissenschaftler verweist darauf, dass junge Menschen bei der vergangenen Bundestagswahl vor allem die Parteien der Extreme gewählt und die Ampelparteien besonders schlecht abgeschnitten haben. Die aktuelle Trendstudie zeigt mit Blick auf die 14- bis 29-Jährigen: 52 Prozent stimmen der Aussage zu, man dürfe in Deutschland nichts Schlechtes über Ausländer sagen, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden. 46 Prozent meinen, der Staat kümmere sich mehr um Geflüchtete als um hilfsbedürftige Deutsche. 26 Prozent sehen eine Unterwanderung der deutschen Gesellschaft durch den Islam. In den anderen Altersgruppen sind die Zustimmungswerte zu den Aussagen höher. „Es besteht eine Tendenz, die an der Substanz demokratischer Haltungen kratzt“, mahnt Hurrelmann. „Die junge Generation ist dabei nicht tonangebend, aber sie ist in den Strudel hineingeraten.“ Die Ursachen? „Krisen stören die Lebensgestaltung“, sagt der Professor, und die seien in Zeiten geopolitischer Spannungen und wirtschaftlicher Unsicherheit mehr als gegeben. Hinzu komme die psychische Belastung: „Stress geht mit Kontrollverlust einher, das ist keine gute Ausgangssituation, um sich auf demokratische Prozesse einzulassen.“ Nicht zuletzt spielt auch faktische oder gefühlte Benachteiligung eine Rolle: Ob die junge Generation den Wohlstand der älteren aufrechterhalten kann, sei fraglich. „Das führt zu Enttäuschung.“ Maja Zaubitzer, stellvertretende Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz, sieht das ähnlich: „Die Studienergebnisse zeigen ganz klar, was wir seit Jahren schon in der Schule beobachten“, resümiert sie. Ihr Handlungsauftrag an die Politik: „Zunächst gilt es, mehr in Schulsozialarbeit zu investieren, an die sich junge Menschen gezielt mit ihren Problemen wenden können. Stressprävention gehört ins Curriculum und in den Schulalltag.“ Weiterhin gelte es, Demokratie in der Schule erfahrbar zu machen: „Es ist nicht damit getan, dass wir einmal das Parlament durchnehmen“, betont die Schülerin. Gefragt seien Planspiele, bei denen sich junge Menschen in die Situation von Entscheidungsträger*innen hineinversetzen. Auch Mitbestimmung im Schulalltag müsse eine stärkere Rolle spielen, beispielsweise in drittelparitätischen Schulparlamenten, in denen Eltern, Lehrkräfte und Schüler gemeinsam entscheiden. Zaubitzer: „Und das nicht bloß über das Thema der nächsten Projektwoche, sondern auch ganz konkret über die Schulfinanzen. Wir wollen strukturell eingebunden werden und Selbstwirksamkeit erfahren.“ cdi Ein Interview mit Studienautor Dr. Kilian Hampel über die Ergebnisse der Trendstudie 2025 im dbb jugendmagazin #staatklar: t1p.de/trendstudie Webtipp Model Foto: Olena Latkun/Colourbox.de INTERN 33 dbb magazin | Juli/August 2025
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