FRAUEN dbb frauen Lücken bei Elterngeld und Teilzeit schließen 12, 29, 32, 48: Diese vier Zahlen hat das Statistische Bundesamt (destatis) Anfang Juni zur Geschlechterungleichheit in Deutschland veröffentlicht. Für die dbb bundesfrauenvertretung sind sie ein Grund zur Sorge. 12 und 32: Das Statistische Bundesamt hatte die Ausschüttung des Elterngeldes im Jahr 2024 ausgewertet. Dabei kam heraus, dass 32 Prozent der Väter, aber nur 12 Prozent der Mütter im ersten Bezugsmonat den Elterngeld-Höchstbetrag von 1 800 Euro erhalten haben. Hinter diesem großen Unterschied stecke ein strukturelles Problem, erklärt Milanie Kreutz, Bundesvorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung und stellvertretende dbb Bundesvorsitzende: „Dass der Höchstbetrag gedeckelt ist, führt bei vielen Frauen zu einem Teufelskreis: Sie nehmen häufiger Elternzeit als Männer, unterbrechen ihre Erwerbsbiografien und steigen seltener in Führungspositionen auf.“ Deshalb verdienen sie dauerhaft weniger und können schlechter fürs Alter vorsorgen. „Solange der Höchstbetrag gedeckelt ist, zahlen vor allem Frauen den Preis – mit Karriere, Einkommen und Rente“, kritisiert Kreutz und fordert die Politik auf, diese Spirale zu durchbrechen: „Der Treibsand aus Gender Pay Gap, unbezahlter Sorgearbeit und Karrierenachteilen muss aufgehalten werden. Wir können diese Entwicklung am besten mit echten Reformen beim Elterngeld sowie der Einführung der Familienstartzeit aufhalten.“ Nur so lassen sich die strukturellen Anreize verändern, um Sorgearbeit gerechter unter Frauen und Männern aufzuteilen. Gedeckelte Gleichstellung Tatsächlich würden viele Väter mehr Elternzeit übernehmen, wenn der finanzielle Einbruch nicht so stark wäre. Das zeigen unter anderem Studien des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB): In Ländern wie Schweden oder Island, die gut ausgestaltete Partnerschaftsboni haben, ist eine deutlich höhere Väterbeteiligung bei der Elternzeit zu verzeichnen. „Es ist eben unter anderem die Deckelung des Elterngelds, die eine faire Aufteilung der Care-Arbeit verhindert, gerade in Haushalten mit Einkommensunterschieden“, erklärt die dbb frauen Chefin. „Mit der derzeitigen Regelung deckeln wir nicht nur Höchstbeträge, sondern auch die Gleichstellung. Viele Väter wollen mehr Verantwortung und Sorgearbeit in den Jahren der Familiengründung übernehmen, aber das aktuelle System stellt ein Finanzrisiko für viele Familien dar.“ Die Erwerbstätigenquote von Frauen in Deutschland lag im Jahr 2024 bei 74 Prozent. Allerdings betrug die Teilzeitquote 29 Prozent – ein Anstieg von 27 Prozent aus dem Jahr 2014. Damit steuert Deutschland dem europaweiten Trend entgegen: Im EU-Durchschnitt ist die Teilzeitquote im selben Zeitraum von 19 auf 18 Prozent gesunken. Auch der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist gravierend: Der Statistik zufolge liegt die Teilzeitquote bei Frauen bei 48 Prozent – bei Männern hingegen bei lediglich 12 Prozent. „Eine höhere Erwerbstätigenquote von Frauen entfaltet keine gleichstellungspolitische Wirkung, wenn nahezu die Hälfte dieser Beschäftigungsverhältnisse auf Teilzeit basiert“, hebt Kreutz hervor. Es handle sich um einen „statistischen Fortschritt ohne strukturellen Wandel“. Denn: „Solange hoch qualifizierte Frauen in beruflichen Sackgassen landen, weil sie den Großteil unbezahlter Sorgearbeit leisten und der Arbeitsmarkt keine tragfähigen Modelle partnerschaftlicher Vereinbarkeit anbietet, bleibt Gleichstellung ein unerfülltes Versprechen“, so Kreutz. Überfällige Reformen Nötig seien verlässliche Rahmenbedingungen für vollzeitnahe Erwerbsbeteiligung – für Frauen und Männer, sagt Kreutz. „Dazu gehören flexible Arbeitszeitmodelle, flächendeckende Kinderbetreuung und eine Arbeits- und Führungskultur, die Verantwortung und Arbeitszeit geschlechtergerecht verteilt. Wir müssen weg von starrer Präsenzkultur und hin zu einer ergebnisorientierten, lebensphasenfreundlichen Arbeitswelt.“ Entsprechende Reformen sind längst überfällig, vor allem mit Blick auf den Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst: „Es fehlen 570 000 Beschäftigte, um allen Aufgaben gerecht zu werden. Da ist es volkswirtschaftlich doch vollkommen irrational, qualifizierte Frauen durch fehlende Arbeitszeitmodelle und mangelnde Vereinbarkeit auszubremsen.“ _ © Unsplash.com/Andrej Lisakov 30 INTERN dbb magazin | Juli/August 2025
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==