STANDPUNKT Claudia Plattner, Präsidentin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Digitale Souveränität in Zeiten von Cyber Dominance In Deutschland besteht ein immenser Digitalisierungsdruck in Unternehmen und insbesondere in der Verwaltung. Nur ein digitalisierter Staat ist handlungsfähig, und hier ist nicht nur eine Evolution nötig: Es braucht nicht weniger als eine Revolution, um im internationalen Vergleich einen der Spitzenplätze einnehmen zu können. Für den so dringend benötigten Fortschritt ist von entscheidender Bedeutung, dass digitale Werkzeuge und Lösungen schnell und von Beginn an in hoher Qualität und Reife zur Verfügung stehen. Dabei ist klar: Für eine sichere Digitalisierung benötigen wir digitale Souveränität. Das Thema hat nicht erst seit Trump 2.0 massiv an Bedeutung gewonnen: Wir sind mit einer anhaltend hohen Bedrohungslage im Cyberraum konfrontiert, die sich qualitativ verändert hat: Neben den Gefahren durch Cybercrime (Straftaten im digitalen Raum aus finanziellen Motiven) und Cyber Conflict (staatlich gelenkte Angriffe mit politischem oder militärischem Hintergrund) wird zunehmend der Bereich Cyber Dominance relevant. Darunter verstehen wir Abhängigkeiten und Interventionsmöglichkeiten durch digitale Produkte, die Herstellern Zugriff auf Informationen und Kontrolle über Systeme ermöglichen. Cyber Dominance entsteht insbesondere durch digitale Alltagsprodukte, die jeden Tag milliardenfach verwendet werden. Mobile Devices, PC-Betriebssysteme oder Smarthome-Lösungen: Hersteller können beispielsweise erheben, wo sich Nutzende zu welchem Zeitpunkt aufhalten und welche Apps zu welchem Zeitpunkt genutzt werden. Moderne Autos mit integrierten Kameras und einer Erhebung von Standortdaten bedeuten weitreichende Überwachungsmöglichkeiten; und spätestens mit dem autonomen Fahren wird auch eine Kontrolle über Fahrtwege möglich. Vernetzte Solarpanels und Wechselrichter können unter Umständen Rückschlüsse auf die Gewohnheiten Nutzender zulassen; und bei weitreichender Kontrolle einer Vielzahl solcher Systeme sind auch Auswirkungen auf die angeschlossenen Stromnetze nicht auszuschließen. Auch Dienste, die direkt beim Hersteller genutzt werden und nicht in den Besitz des Kunden übergehen, zum Beispiel Einkaufsportale oder Cloud-Services, bergen Risiken – wie etwa das Abgreifen von Daten. Aus Sicht des BSI müssen Staaten dafür Sorge tragen, dass alle diese Technologien zur Verfügung stehen und sicher nutzbar sind. Der auf den ersten Blick offensichtlichste Ansatz wäre hier, ausschließlich auf Lösungen zu setzen, die national oder in der EU entwickelt, angeboten und betrieben werden. Das ist aber in vielen Fällen schlichtweg nicht möglich, da viele der notwendigen technischen Services und Innovationen bisher außerhalb der EU entstehen. Es wäre für Wirtschaft und Verwaltung in Deutschland folgenschwer, sich von globaler Innovation abrupt und unvorbereitet abzuwenden. Die gute Nachricht: Souveränität ist nicht gleich Autarkie. Aus Sicht des BSI gilt es, eine Doppelstrategie zu verfolgen: Zum einen müssen der EU-Markt und die eigene Digitalindustrie gestärkt und konkurrenzfähig werden, zum anderen müssen internationale Produkte technisch so angepasst oder eingebettet werden, dass ein sicherer und selbstbestimmter Einsatz möglich wird. Ziel ist es, eine unkontrollierte technische Steuerung durch Akteure außerhalb der EU sowie Datenabfluss technisch unmöglich zu © Erdacht mit Sora KI (Open AI) 22 FOKUS dbb magazin | Juli/August 2025
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