dbb magazin 7-8 | 2025 Zeitschrift für den öffentlichen Dienst Trauer um Ulrich Silberbach
STARTER Trauer um Ulrich Silberbach Dies ist nicht das übliche Editorial des dbb magazins. Die Trauer um den am 25. Juni 2025 nach schwerer Krankheit verstorbenen dbb Bundesvorsitzenden Ulrich Silberbach trifft auch das Redaktionsteam. Uli Silberbach war in seiner Funktion als dbb Bundesvorsitzender – stellvertretend für die dbb Bundesleitung – Herausgeber des dbb magazins. Seit seinem Amtsantritt im November 2017 hat Ulrich Silberbach die Publikation konstruktiv und fair begleitet; das dbb Mitgliedermagazin war ihm als politisches und fachliches Sprachrohr des gewerkschaftlichen Dachverbandes sehr wichtig. Sein Augenmerk galt vor allem der Intention des Heftes, die Vielfalt der Berufe des öffentlichen Dienstes zu spiegeln und die Aufgaben des öffentlichen Sektors und seiner Beschäftigten auch über Fachkreise hinaus bekannter zu machen. Dabei war ihm stets daran gelegen, berufspolitische Probleme im Sinne der Kolleginnen und Kollegen offen sowie gegenüber den politisch Verantwortlichen kritisch zu thematisieren, damit der öffentliche Dienst in Deutschland fit für die Zukunft wird. Das dbb magazin verliert mit Ulrich Silberbach einen konstruktiven Mitstreiter für die Modernisierung des öffentlichen Dienstes. In stillem Gedenken Die Redaktion 8 4 16 TOPTHEMA Daseinsvorsorge für den Krisenfall 24 AKTUELL Die dbb Familie trauert um Ulrich Silberbach 4 DBB BUNDESHAUPTVORSTAND Neue dbb Spitze gewählt: Volker Geyer ist neuer Bundesvorsitzender 6 INTERVIEW Volker Geyer, Bundesvorsitzender des dbb beamtenbund und tarifunion: „Unsere Geschlossenheit macht uns stark!“ 8 NACHRICHTEN Achter Versorgungsbericht der Bundesregierung: Die Alterssicherung ist zukunftssicher 10 Gesundheitsfürsorge für Bundesbeamte: Beihilfebearbeitung soll schneller werden 13 FOKUS DASEINSVORSORGE Zivil- und Katastrophenschutz: Damit noch was geht, wenn nichts mehr geht 15 REPORTAGE Technisches Hilfswerk: Ein Zahnrad im Getriebe des Zivilschutzes 16 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ Zivil- und Katastrophenschutz: Gelebte Solidarität 20 STANDPUNKT Claudia Plattner, Präsidentin des Bundes- amtes für Sicherheit in der Informations- technik (BSI): Digitale Souveränität in Zeiten von Cyber Dominance 22 ONLINE Cyberangriffe: Kritische Infrastruktur im Fadenkreuz 24 INTERN INFRASTRUKTUR dbb Verkehrstag 2025: Grünes Licht für die Verkehrsinfrastruktur 26 JUGEND Trendstudie Jugend in Deutschland 2025: Jugendliche stark belastet, aber optimistisch 32 EUROPA 35. Europäischer Abend: Demokratie muss wehrhaft bleiben 34 SERVICE Impressum 41 KOMPAKT Gewerkschaften 42 AKTUELL 3 dbb magazin | Juli/August 2025
Die dbb Familie trauert um Ulrich Silberbach Nach schwerer Krankheit ist der ehemalige dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach am 25. Juni 2025 im Alter von 63 Jahren verstorben. Der neu gewählte dbb Bundesvorsitzende Volker Geyer würdigt Ulrich Silberbach im Namen des dbb: „Als dbb beamtenbund und tarifunion verlieren wir mit Uli Silberbach einen Bundesvorsitzenden, der sich mit Leib und Seele für den dbb und vor allem für die Kolleginnen und Kollegen eingesetzt hat. Er konnte auf die Menschen zugehen, ihnen zuhören sowie Sorgen und Wünsche aufnehmen. Seine freundliche rheinische Art hat ihm dabei viele Türen geöffnet. Uli Silberbach war ein aufrechter streitbarer Gewerkschafter, der keinen Konflikt scheute und für die gewerkschaftspolitischen Themen des dbb brannte: sei es in Tarifverhandlungen oder in Gesprächen mit der Politik — das Eintreten für einen starken und gut aufgestellten öffentlichen Dienst und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, sein Streben nach mehr Miteinander und einem fairen Ausgleich der Interessen – das waren für Uli nicht nur Floskeln in Sonntagsreden. Dafür hat er ehrlich und überzeugt gestritten. Dieses Feuer, diese Leidenschaft werden uns allen fehlen. Die gesamte dbb Familie trauert mit seinen Angehörigen.“ Auf dem Gewerkschaftstag gratulierte Amtsvorgänger Klaus Dauderstädt Ulrich Silberbach am 20. November 2017 zur Wahl zum dbb Bundesvorsitzenden. Engagement im Zeichen von Vielfalt und Gemeinschaft: Ulrich Silberbach war ein fairer Ausgleich der Interessen besonders wichtig. © Andreas Pein © Marco Urban (6) 4 AKTUELL dbb magazin | Juli/August 2025
Ulrich Silberbach wurde am 27. August 1961 in Köln geboren. Nach der Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt Köln war er dort im Ordnungswesen tätig. Seiner umfänglichen gewerkschaftlichen Laufbahn widmete er sich zunächst in der komba gewerkschaft nrw, wo er später zum Landesvorsitzenden gewählt wurde. Von 2011 bis 2017 war Ulrich Silberbach Bundesvorsitzender der komba. Von 2001 bis 2014 war er darüber hinaus Vorstandsmitglied im DBB NRW. Ulrich Silberbach war seit 2003 im dbb Bundeshauptvorstand und seit 2006 im dbb Bundesvorstand vertreten. 2011 wurde er stellvertretender Bundesvorsitzender des dbb. Die Delegierten des dbb Gewerkschaftstages wählten ihn im November 2017 zum dbb Bundesvorsitzenden und bestätigten ihn 2022 für eine weitere Amtszeit. So lange es seine Kräfte zuließen, hat er das Amt kompetent, entschlossen und zugewandt ausgeübt. Durch seine schwere Erkrankung war er schließlich gezwungen, es mit Wirkung zum 23. Juni 2025 niederzulegen. Er hinterlässt seine Ehefrau, drei Kinder und zwei Enkel. „Ulrich Silberbach hinterlässt eine große Lücke: als streitbarer Gewerkschafter, überzeugter Demokrat und freundlich verbindender Mensch. Unser ganzes Mitgefühl gilt seiner Familie, der seine Liebe und Zuwendung galt, sowie seinen Freunden und Weggefährten, die Uli begleitet haben. Der dbb wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.“ Am 16. Juli 2025 verabschiedeten sich Kolleginnen und Kollegen, Weggefährten und Freunde im Rahmen einer Gedenkfeier im dbb forum berlin von Ulrich Silberbach. Ne- ben Volker Geyer sprachen der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern Bernd Krösser und der Intendant der Deutschen Welle Peter Limbourg. Eine Audiobotschaft von Ulrich Silberbachs Tochter Katharina Bayer bewegte die Trauernden. Trauerfeier für Ulrich Silberbach Besonders aktiv setzte sich Ulrich Silberbach bei Tarifverhandlungen für die Interessen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ein. Als kompetenter Ansprechpartner für die Presse stritt Ulrich Silberbach für die Belange des öffentlichen Dienstes in Deutschland. Am 29. November 2022 begrüßte Ulrich Silberbach den damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem dbb Gewerkschaftstag in Berlin. Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am 1. Juni 2018. Auf der Festveranstaltung zum 100-jährigen Bestehen des dbb am 29. November 2018 mit Bundespräsident Frank- Walter Steinmeier in Berlin. © Friedhelm Windmüller © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung AKTUELL 5 dbb magazin | Juli/August 2025
DBB BUNDESHAUPTVORSTAND Neue dbb Spitze gewählt Volker Geyer ist neuer Bundesvorsitzender Der dbb Bundeshauptvorstand hat Volker Geyer am 23. Juni 2025 in Berlin zum neuen Bundesvorsitzenden des gewerkschaftlichen Dachverbands gewählt. Die Nachwahlen waren notwendig geworden, nachdem der bisherige dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt erklärt hatte. Der Bundeshauptvorstand ist das höchste Entscheidungsgremium des dbb beamtenbund und tarifunion zwischen den Gewerkschaftstagen. 138 der 139 der wahlberechtigten Delegierten stimmten bei einer Enthaltung für den bisherigen stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Fachvorstand Tarifpolitik. Zu Geyers Nachfolger in dieser Position sowie zum zweiten Vorsitzenden des dbb wählten die Delegierten Andreas Hemsing, bisher ebenfalls stellvertretender dbb Chef und Bundesvorsitzender der komba gewerkschaft. Auf den dadurch frei werdenden Stellvertreterposten in der dbb Bundesleitung wählte das Gremium Florian Köbler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG). Die nächsten ordentlichen Wahlen finden auf dem dbb Gewerkschaftstag im November 2027 statt. Würdigung für Ulrich Silberbach Volker Geyer würdigte die herausragenden Verdienste und die beeindruckende Persönlichkeit seines Vorgängers: „Ulrich Silberbach war in den vergangenen sieben Jahren nicht nur unser Chef und Leitwolf. Er ist unser Freund und Rückhalt in der gewerkschaftlichen Arbeit und weit darüber hinaus. Wer die Gelegenheit hatte, mit Uli Silberbach zusammenzuarbeiten, konnte sich nicht nur auf seine Fachkompetenz und politisches Fingerspitzengefühl verlassen, sondern auch auf seine menschliche Zugewandtheit und Loyalität.“ Silberbach habe den dbb in schwierigen Zeiten zusammengehalten und sich enorme Verdienste in der Beamten- und Tarifpolitik, in der Diskussion um die Modernisierung und Digitalisierung des öffentlichen Dienstes und in der Stärkung der Personal- und Betriebsratsarbeit erworben. „Es ging Uli immer um die Kolleginnen und Kollegen, um ihre Interessen, den Respekt vor ihrer täglichen Leistung und den fairen Umgang der öffentlichen Arbeitgeber mit ihren Beschäftigten.“ An die Bundesregierung richtete der neue dbb Chef die Forderung, umgehend in die Sacharbeit einzusteigen. Geyer: „Wir haben einiges zu tun: Der Bund schuldet seinen Beamtinnen und Beamten weiter die zeitgleiche und systemgerechte Übernahme des Tarifergebnisses vom Frühjahr, die lange überfällige Rücknahme der Arbeitszeitverlängerung bei den Bundesbeamten auf 41 Stunden und die Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils zur amtsangemessenen Alimentation, um nur drei zentrale Themen zu nennen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf und wir werden nicht lockerlassen, bis wir zufriedenstellende Lösungen erreichen.“ Pressekonferenz zur Zukunft des öffentlichen Dienstes: Volker Geyer (rechts) erläuterte am 24. Juni 2025 die Erwartungen des dbb an die Bundespolitik. Die Mitglieder des dbb Bundeshauptvorstandes würdigten die Verdienste von Ulrich Silberbach, der den dbb seit November 2017 geführt hat. © Marco Urban © Kerstin Seipt (6) 6 AKTUELL dbb magazin | Juli/August 2025
Der Bundesminister des Innern, Alexander Dobrindt (CSU), der auf dem Bundeshauptvorstand zu Gast war, unterstrich in seiner Rede: „Die Übertragung ist auch unser Ziel.“ Mit Blick auf die amtsangemessene Alimentation signalisierte Dobrindt, eher nicht auf den bisherigen Entwurf der Bundesregierung zurückgreifen zu wollen, das Thema jedoch bald „erfolgreich und im Sinne der Beschäftigten“ zu erledigen. „Die Attraktivität des öffentlichen Dienstes ist entscheidend für die Leistungsfähigkeit des Staates in den kommenden Jahrzehnten“, so Dobrindt. Dialog mit Innenminister Auch ein vertiefendes Gespräch mit Dobrindt nutzte Geyer, um die für den dbb dringendsten Themen zu erörtern. Im Fokus standen dabei die amtsangemessene Alimentation, die zeit- und wirkungsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses für die Beschäftigten von Bund und Kommunen auf Bundesbeamte sowie die überfällige Reduktion der Wochenarbeitszeit für Bundesbeamte. Geyer bot darüber hinaus die Expertise des gewerkschaftlichen Dachverbands an, um beim Thema Bürokratieabbau endlich einen entscheidenden Schritt voranzukommen: „Pauschale Stelleneinsparungen lehnen wir weiterhin klar ab. Wir fordern aber seit Jahren eine ehrliche Aufgabenkritik. Politik muss den Bürgerinnen und Bürgern sagen, welche Aufgaben der Staat noch übernehmen soll und kann – und welche eben nicht. Wir sind da ganz klar: Lieber ein gutes Gesetz, das dann auch wirklich umgesetzt wird, als zehn gut gemeinte Gesetze, deren Einhaltung ohnehin niemand kontrolliert. Wenn Recht und Gesetz nicht durchgesetzt werden, ist das Gift für eine demokratische Gesellschaft.“ Mit Blick auf den Tag des öffentlichen Dienstes, der jedes Jahr am 23. Juni stattfindet, betonte Geyer: „Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen für ihren unermüdlichen Einsatz. Leider erfahren viele Beschäftigte statt Respekt für ihre wichtige Arbeit inzwischen verbale und physische Gewalt.“ Auch das sei eine Folge des Vertrauensverlusts der Bürgerinnen und Bürger in den Staat. „Diesen Trend umzukehren, ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft“, so Geyer. _ Bundesinnenminister Alexander Dobrindt trat für die Attraktivität des öffentlichen Dienstes ein. Die Delegierten wählten Andreas Hemsing zum Zweiten Vorsitzenden und Fachvorstand Tarifpolitik des dbb. Florian Köbler rückt als stellvertretender Bundesvorsitzender in die Bundesleitung des dbb auf. Die Abstimmungen fanden in geheimer Wahl statt. Volker Geyer im Gespräch mit Alexander Dobrindt. AKTUELL 7 dbb magazin | Juli/August 2025
INTERVIEW Volker Geyer, Bundesvorsitzender des dbb beamtenbund und tarifunion „Unsere Geschlossenheit macht uns stark!“ Seit dem 23. Juni, passenderweise der internationale Tag des öffentlichen Dienstes, ist Volker Geyer der neue dbb Bundesvorsitzende. Im großen Interview zum Amtsantritt spricht er über die Trauer um Uli Silberbach, die Pläne für seine Amtszeit und wie er früh gelernt hat, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist. Wir müssen unsere Demokratie offensiv verteidigen. Der öffentliche Dienst und insbesondere das Berufsbeamtentum spielen dabei eine entscheidende Rolle. Herr Geyer, hinter Ihnen liegen aufreibende Wochen. Seit drei Wochen sind Sie nun Bundesvorsitzender. Wie geht es Ihnen heute? Mir geht es gut, danke. Nicht nur die vergangenen Wochen waren aufreibend, sondern sogar die vergangenen Monate. Uli Silberbach und Waldemar Dombrowski waren beide lange erkrankt, und ich habe als verbliebenes hauptamtliches Mitglied der Bundesleitung so gut es geht versucht, diese Lücken zu füllen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Alleine hätte ich das nicht geschafft. Es sind ja nicht ohne Grund drei Ämter. Aber der gesamte dbb und insbesondere die Mitglieder der Bundesleitung arbeiten zum Glück sehr kollegial zusammen. Gemeinsam haben wir unser Bestes gegeben und ich denke, unter den gegebenen Umständen ist es uns gut gelungen – auch wenn gerade Uli natürlich große Fußspuren hinterlassen hat. Mit Uli Silberbach haben Sie schon lange zusammengearbeitet. Ja. Mit dem Tod von Uli habe ich nicht nur einen Kollegen verloren, sondern einen Freund. Gerade deshalb finde ich es wichtig – und ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin –, dass wir Ulis Arbeit bewahren und fortführen. Gleich zu seinem Amtsantritt hat er klargemacht: Wer nicht mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes steht, hat bei uns nichts zu suchen – weder im öffentlichen Dienst noch im dbb. Diese klare Haltung war vorbildlich, gerade weil Extremisten und Populisten weltweit auf dem Vormarsch sind. Wir müssen unsere Demokratie offensiv verteidigen. Der öffentliche Dienst und insbesondere das Berufsbeamtentum spielen dabei eine entscheidende Rolle. Und es ist unsere Aufgabe als gewerkschaftlicher Dachverband, den Kolleginnen und Kollegen den Rücken zu stärken. Inwiefern? Erstens: Das beste Bollwerk gegen Extremismus und Vertrauensverlust bei der Bevölkerung in die Demokratie ist ein handlungsfähiger Staat. Hier gilt unsere Agenda: Wir brauchen eine konsequente Aufgabenkritik, daraus folgend eine sachgerechte Personalausstattung und eine umfassende Digitalisierung. Zweitens: besserer Schutz für die Beschäftigten. Wenn Übergriffe gegen Amtsträger aller Art, gegen unsere Kolleginnen und Kollegen, zunehmen, dann muss der Staat sich vor seine Leute stellen. Nicht nur aus Fürsorgepflicht, die selbstverständlich sein sollte, sondern weil mangelnder Respekt gegenüber den Beschäftigten immer auch Ausdruck mangelnden © Andreas Pein 8 AKTUELL dbb magazin | Juli/August 2025
Respekts vor unseren demokratisch legitimierten staatlichen Institutionen ist. Das dürfen wir nicht dulden. Sonst finden wir bald niemanden mehr, der im öffentlichen Dienst arbeiten oder für öffentliche Ämter kandidieren möchte. Haben Sie den Eindruck, dass etwa in der Bundespolitik allen der Ernst der Lage bewusst ist? Ich halte nicht viel von pauschalen Vorwürfen. Das hängt immer von den konkreten Personen ab. In meinen Gesprächen mit Bundesinnenminister Alexander Dobrindt in den vergangenen Tagen habe ich aber beispielsweise schon den Eindruck, dass ihm der Handlungsdruck bewusst ist. Gerade beim Bund haben wir ja ganz konkrete offenen Baustellen, die zügig geschlossen werden müssen: die Übertragung des Tarifergebnisses aus dem April auf die Bundesbeamtinnen und -beamten, die Rückführung ihrer Wochenarbeitszeit und nicht zuletzt die Umsetzung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur amtsangemessenen Alimentation. Die Kolleginnen und Kollegen sind an das Gesetz gebunden, fühlen sich dem Recht verpflichtet. Da ist es schwer erträglich, wenn der eigene Dienstherr höchstrichterliche Urteile ignoriert oder deren Umsetzung verschleppt. Auch das ist nicht gesund für eine Demokratie. Sie haben das Thema Digitalisierung angesprochen, einen echten Dauerbrenner. Welche digitale Dienstleistung haben Sie privat zuletzt in Anspruch genommen? Tatsächlich bevorzuge ich immer noch den analogen Weg, wenn es um die Verwaltung geht. In meiner Heimat in Franken ist es allerdings auch deutlich leichter, an einen Termin beim Bürgeramt zu kommen, als beispielsweise in Berlin. Ich schätze den persönlichen Kontakt und nutze ohnehin jede Gelegenheit, um die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu erleben. Ein großes Problem im Verhältnis zwischen Politik und öffentlichem Dienst ist meines Erachtens, dass zu wenige Entscheider echte Einblicke in die alltägliche Verwaltungsarbeit haben. Welche Schlüsse ziehen Sie aus dieser Erfahrung? Erstens: Eine konsequente Digitalisierung der Verwaltung ist essenziell. Allerdings darf diese nicht dazu führen, dass der analoge Zugang vor Ort für die Bürgerinnen und Bürger schrittweise abgeschafft wird. Wir brauchen vielmehr beides: digitale Dienstleistungen einerseits, die Möglichkeit, alle Angelegenheiten auf dem Amt zu erledigen, andererseits. Übrigens: Beide Wege bedingen einander. Je verfügbarer und unkomplizierter der digitale Behördengang ist und damit Beschäftigte entlastet werden, desto mehr Kapazitäten gibt es für die persönliche Beratung, gerade in komplexen Angelegenheiten. Zweitens: Die Digitalisierung von staatlichen Dienstleistungen muss konsequent aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger gedacht werden. Das bedeutet, dass die Vernetzung staatlicher Stellen untereinander deutlich verbessert werden muss. Aus Sicht der Bevölkerung ist es doch überhaupt nicht nachvollziehbar, warum man gegenüber der Verwaltung immer wieder die gleichen Daten angeben muss, obwohl diese eigentlich bei anderen Behörden bereits vorliegen. Drittens: Es darf nicht länger eine Schaufensterpolitik in diesem Bereich geben. Ein ausfüllbares PDF ist keine gelungene Digitalisierung, wenn es danach in der Dienststelle wieder ausgedruckt und abgeheftet wird. Stattdessen sollten wir die Chance nutzen und jeden einzelnen Verwaltungsprozess unter die Lupe nehmen: Brauchen wir das noch? Oder kann das weg? Die neue Bundesregierung hat erstmals ein eigenes Ministerium für Staatsmodernisierung und Digitalisierung. Macht Ihnen das Hoffnung? Wir stehen auf jeden Fall bereit! Die Kolleginnen und Kollegen aus der Praxis, ihre gewählten Personalvertretungen, ihre Fachgewerkschaften und natürlich auch wir als Dachverband brennen darauf, dass wir endlich Fortschritte erzielen. Uns allen ist klar: Es wird eine Herkulesaufgabe, zukünftige Stellen zu besetzen, denn selbst mit optimalen Beschäftigungsbedingungen wird es auf dem Arbeitsmarkt aufgrund des demografischen Wandels eng. Ohne mehr Effektivität und Effizienz droht also die Belastung für die Beschäftigten immer größer und der Staat schlussendlich handlungsunfähig zu werden. Wir werden mit aller Macht dafür kämpfen, dass es nicht so weit kommt. Stichwort „kämpfen“: Schon Ende des Jahres steht die nächste Einkommensrunde mit den Ländern an – ohne Arbeitskampf wird es auch da wieder nicht gehen, oder? Jede Einkommensrunde der letzten Jahre war hart, weil die Verteilungskämpfe schärfer werden. Aber jetzt ist nicht die Zeit für Streikaufrufe. Noch nicht. Ab September starten wieder die Regionalkonferenzen, um mit den Kolleginnen und Kollegen über mögliche Themen zu diskutieren. Dann wird die Bundestarifkommission die Forderung am 17. November beschließen und am 3. Dezember starten die Verhandlungen. Die Länder wissen aber um die Notwendigkeit, in die Daseinsfürsorge zu investieren. Wir sind ja auch abseits der Einkommensrunden immer in Gesprächen. Also gehen Sie mit Zuversicht in die Verhandlungen? Ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch und gehe in jede Verhandlung mit Zuversicht. Ich bin mit 27 Jahren erstmals Personalratsvorsitzender bei der damaligen Deutschen Bundespost geworden. Das war genau in der Zeit, in der die Post in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ich damit vom Personal- zum Betriebsrat wurde. Da ging es für viele Kolleginnen und Kollegen um existenzielle Fragen. Damals habe ich vor allem zwei Dinge gelernt: dass Angst ein ganz schlechter Ratgeber für einen Gewerkschafter ist. Und dass Solidarität unter den Beschäftigten unglaublich viel bewegen kann. Und genauso möchte ich auch den dbb sehen und so will ich ihn führen: mutig vorangehen und mit großer Geschlossenheit für einen starken öffentlichen Dienst in Deutschland kämpfen. _ Die Digitalisierung von staatlichen Dienstleistungen muss konsequent aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger gedacht werden. AKTUELL 9 dbb magazin | Juli/August 2025
NACHRICHTEN Achter Versorgungsbericht der Bundesregierung Die Alterssicherung ist zukunftssicher Der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Heiko Teggatz hat der Alterssicherung der Beamtinnen und Beamten des Bundes ein solides Fundament attestiert. Der Versorgungsbericht beinhaltet Berechnungen der in den nächsten 30 Jahren zu erwartenden Versorgungsleistungen. Bei einem Erörterungsgespräch im Bundesministerium des Innern sagte Teggatz am 19. Juni 2025: „Die Tragfähigkeit der Alterssicherungssysteme für die Beamtinnen und Beamten des Bundes ist gesichert – trotz der jüngst angestiegenen Zahl der Bediensteten.“ Mit dem Versorgungsbericht gebe es wieder ein verlässliches und seriöses Arbeitsmittel, um einen umfassenden und sachlichen Blick auf den Bestand und die Prognosen zur Alterssicherung zu erhalten. Die weitere demografische Entwicklung und die damit verbundenen längeren Versorgungslaufzeiten stellen das Alterssicherungssystem der Beamtenversorgung des Bundes zwar weiterhin vor Herausforderungen. Mit Blick auf die Zukunft blieb Teggatz dennoch optimistisch: „Diese Herausforderungen sind zu bewältigen. Der Bericht verdeutlicht und belegt, dass die Finanzierung aufgrund vieler getroffener Maßnahmen stabilen Parametern unterliegt und dabei zunehmend nachhaltig gesichert ist.“ Beispielsweise seien die Versorgungsausgaben des Bundes mit Versorgungsrücklage und Versorgungsfonds zu einem laufend ansteigenden Anteil teilkapitalgedeckt und generationengerecht veranschlagt. Teggatz weiter: „Die Erkenntnisse des Berichts sollten dazu beitragen, die jüngsten undifferenzierten und neidgetragenen Diskussionen über die eigenständige Alterssicherung der Beamtinnen und Beamten gegenüber der Rente zu versachlichen.“ Alle Alterssicherungssysteme in Deutschland müssten für die Zukunft auf eine solide und leistungsgerechte Basis gestellt werden. „Diese Basis soll die Verlässlichkeit für die Anspruchsberechtigten und die Finanzierbarkeit des Systems in ein ausgewogenes und gerechtes Verhältnis bringen“, forderte der dbb Vize. Grundlegende statusbedingte und systematische Unterschiede müssten dabei jedoch stets berücksichtigt werden. Die Bundesregierung erstellt seit 1996 in jeder Legislaturperiode einen Bericht, um über die wichtigsten Bestandsaufnahmen und Herausforderungen des eigenständigen Alterssicherungssystems der Beamtinnen und Beamten zu informieren. Der Bericht beinhaltet detaillierte Berechnungen der voraussichtlich in den nächsten 30 Jahren zu erwartenden Versorgungsleistungen. Der Achte Versorgungsbericht ist derzeit in der Abstimmung und wird dem Deutschen Bundestag vermutlich nach der parlamentarischen Sommerpause vorgelegt. _ Heiko Teggatz im BMI mit Referatsleiter D4 Lorenz Prell und Sally Paulisch, Referat D4. © dbb Mindestlohnerhöhung erzeugt Druck Die unabhängige Mindestlohnkommission empfiehlt, den Mindestlohn in zwei Schritten auf 14,60 Euro zu erhöhen. Das hat auch Folgen für den öffentlichen Dienst. „Der öffentliche Dienst leidet unter Personalmangel. Durch die Empfehlung der Mindestlohnkommission wird der Wettbewerb um Beschäftigte gerade in den unteren Einkommensgruppen noch einmal verschärft. Darauf werden die öffentlichen Arbeitgeber in den kommenden Einkommensrunden reagieren müssen. Ende des Jahres stehen Tarifverhandlungen mit den Ländern an und wir werden diese Entwicklung bei unserer Forderungsfindung berücksichtigen“, sagt dbb Tarifchef Andreas Hemsing am 27. Juni 2025. Kritik übte Hemsing an der Art und Weise, wie die Debatte über den Mindestlohn zuletzt geführt wurde: „Durch das Gezerre im Vorfeld ist die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission zumindest nicht gestärkt worden. Die Koalitionspartner der Bundesregierung haben hier sicherlich keinen vertrauensbildenden Beitrag geleistet.“ Aus seiner Sicht ist es wichtig, dass der Streit nicht den Blick darauf verdeckt, dass der Mindestlohn nur ein Instrument von mehreren ist, um faire Löhne sicherzustellen. Hemsing: „Deshalb erwarten wir, dass die Bundesregierung das geplante Bundestariftreuegesetz zeitnah realisiert. Davon würden zahlreiche Arbeitnehmende profitieren.“ Öffentliche Arbeitgeber 10 AKTUELL dbb magazin | Juli/August 2025
Zukunftskongress Geyer fordert Investitionsoffensive Kein Vertrauen in den Staat bedeutet kein Vertrauen in die Demokratie – darauf hat der dbb Bundesvorsitzende Volker Geyer beim Zukunftskongress „Staat & Verwaltung“ am 25. Juni 2025 in Berlin hingewiesen. „Investitionen in den öffentlichen Dienst sind Investitionen in die Demokratie“, erklärte Geyer. Lange Wartezeiten in Behörden, fehlende Kitaplätze, Unterrichtsausfall, marode Straßen und eine schleppende Digitalisierung schadeten dem Vertrauen in staatliche Institutionen. „Es besteht die Gefahr, dass die Menschen über kurz oder lang auch an der Demokratie und unserem politischen System zweifeln. Deshalb müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen, um das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates wiederherzustellen“, forderte Geyer. Wie groß der Handlungsbedarf ist, zeigt eine aktuelle Bürgerbefragung des dbb: 70 Prozent der Befragten halten den Staat für überfordert. Geyer betonte, dass bestimmte Aufgaben ganz oben auf der politischen Agenda stehen müssten. So erwarte man vom neu geschaffenen Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung eine Trendwende bei der Digitalisierung der Verwaltung. „Schnelle und sichtbare Erfolge sind das Gebot der Stunde – im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, der Beschäftigten und nicht zuletzt im Sinne der Demokratie.“ _ Volker Geyer (Mitte) diskutierte mit Dörte Schall, Ministerin für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz; Prof. Dr. Peter Thuy, Präsident GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.; Prof. Dr. Mario Voigt, Ministerpräsident des Freistaats Thüringen; Sandro Kirchner, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, und Marc Reinhardt, Präsident der Initiative D21 und Executive Vice President Capgemini. © dbb eGovernment MONITOR 2025 Mehr digitale Verwaltung gefragt Vorabergebnisse des eGovernment MONITOR der Initiative D21 zeigen, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger eine rein digitale Verwaltung mit Unterstützungsangeboten wünschen. Als Rahmenbedingungen sind einfache Sprache und menschliche Unterstützung besonders gefragt. Papierformulare ausfüllen, anstehen, warten – 2030 könnte damit Schluss sein. Zwei von drei Deutschen können sich gut vorstellen, bis dahin sämtliche Behördenanliegen nur noch digital zu erledigen. Dies zeigt eine Vorabauswertung des eGovernment MONITOR 2025, der von der Initiative D21 und der Technischen Universität München herausgegeben wird. Die Ergeb © BMI/Bundesdruckerei 12 AKTUELL dbb magazin | Juli/August 2025
Gesundheitsfürsorge für Bundesbeamte Beihilfebearbeitung soll schneller werden Die Erstattung der Beihilfe muss schneller gehen – diese Forderung hat der dbb bei einem Beteiligungsgespräch am 11. Juni 2025 im Bundesministerium des Innern unterstrichen. Die vorgeschlagenen Änderungen stellen einen Schritt in die richtige Richtung dar, weil damit die Fürsorgepflicht des Dienstherrn wieder in den Mittelpunkt rückt“, sagte Thomas Liebel, Vertreter der Bundesbeamtengewerkschaften im dbb und Bundesvorsitzender der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ). Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat einen ersten Entwurf zur Änderung von § 80 Bundesbeamtengesetz vorgelegt, das die Beihilfebearbeitung im Bereich des Bundes erleichtern und beschleunigen soll. „Somit besteht berechtigte Hoffnung, dass die Beihilfebearbeitungen mit Umsetzung der Neuregelungen schneller erfolgen können“, so Liebel nach dem Beteiligungsgespräch im BMI. Zuerst ist eine Fiktionsregelung vorgesehen, die Entscheidungen zur Erstattungsfähigkeit von geltend gemachten Aufwendungen beschleunigen und unzumutbare Bearbeitungszeiten vermeiden soll. Dabei soll eine maximale Bearbeitungsdauer von vier Wochen zuzüglich von fünf Tagen für die Festsetzung gelten. Erklärtes Ziel bleibt, durch die normalen Arbeitsprozesse eine unterhalb dieser maximalen Bearbeitungsdauer liegende zeitnahe Bearbeitung zu realisieren. Ein zweiter Teil sieht eine Rechtsgrundlage dafür vor, dass bei automatisierter Antragsbearbeitung Risikomanagementsysteme eingesetzt werden können. Das soll eine effizientere und schnellere Bearbeitung ermöglichen. Zudem sind begleitende Instrumente zur Missbrauchsverhinderung vorgesehen. „Die Maßnahmen werden die Kolleginnen und Kollegen in der Beihilfebearbeitung spürbar entlasten“, resümierte Liebel. „Außerdem bin ich zuversichtlich, dass sie das Beschwerde- und Klageaufkommen aufgrund überlanger Verfahrensdauer verringern werden. Jetzt kommt es darauf an, für eine zeitgemäße Personal- und Technikausstattung zu sorgen, um die Beihilfebearbeitung wieder in normales Fahrwasser zu führen.“ Die Bearbeitung der Beihilfeanträge im Bund ist dezentral organisiert. In vielen Abrechnungsstellen kommt es zu überlangen Bearbeitungszeiten. Beamtinnen und Beamte sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger müssen die Rechnungen gegenüber den Leistungserbringern in der gesetzlich vorgesehenen Frist begleichen. Die Erstattung durch die Beihilfe dauert dabei vielfach deutlich länger. Gerade bei großen Beträgen führt dies zu nicht hinnehmbaren Belastungen. Dies hatte der dbb wiederholt kritisiert. _ Model Foto: Colourbox.de nisse basieren auf einer repräsentativen Umfrage unter über 8 000 Internetnutzenden, die im April 2025 durchgeführt wurde. Die Kernfrage der Studie: Wie reagieren die Bürgerinnen und Bürger auf die Vorstellung, dass alle Verwaltungsleistungen bis 2030 ausschließlich digital verfügbar sind – ohne Papierformulare? Das Ergebnis: 34 Prozent begrüßen dies ausdrücklich, weitere 34 Prozent können sich das prinzipiell gut vorstellen, haben aber noch Fragen oder Bedenken. 20 Prozent sind zwar kritisch eingestellt, können es sich aber unter bestimmten Voraussetzungen vorstellen. Nur 9 Prozent lehnen das klar ab und bestehen auf analoge Angebote. Besonders offen zeigen sich junge Menschen: 40 Prozent aus der Generation Z halten „Digital Only“ für selbstverständlich. Auch in den Stadtstaaten Berlin (41 Prozent), Bremen (40 Prozent) und Hamburg (38 Prozent) sind die Menschen überdurchschnittlich offen für eine rein digitale Verwaltung. So wünschen sich 47 Prozent der skeptischen Befragten den Vorteil, dass Anträge dadurch schneller bearbeitet werden. Ebenso wichtig ist Unterstützung: Telefonische Hilfe (42 Prozent), persönliche Anlaufstellen (40 Prozent) und einfache Sprache (39 Prozent) rangieren ganz oben. Auch ältere Menschen lehnen „Digital Only“ nicht grundsätzlich ab: Ihnen geht es vor allem um Verständlichkeit. 44 Prozent der Generation bis 1945 (80+ Jahre) wünschen sich vereinfachte Texte, fast 40 Prozent würden telefonische Unterstützung nutzen. _ AKTUELL 13 dbb magazin | Juli/August 2025
Personalzuwachs im öffentlichen Dienst Strukturelle Probleme ungelöst Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) arbeiten mehr Menschen im öffentlichen Dienst. Für den dbb ist das aber kein Grund für Entwarnung. Die prozentual höchsten Zuwächse sehen wir etwa im Bereich der Kitas. Die sind aber auch bitter nötig, weil durch politische Entscheidungen – wie die gesetzliche Verankerung des Anspruchs auf Ganztagsbetreuung – einfach mehr Aufgaben zu erledigen sind. Angesichts der ständig wachsenden Aufgaben ist das Plus nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die steigenden Zahlen können über die ungelösten strukturellen Probleme nicht hinwegtäuschen: In praktisch allen Teilen des öffentlichen Dienstes herrscht Personalmangel“, erklärte dbb Vize Volker Geyer am 17. Juni 2025 mit Blick auf entsprechende Erhebungen von Destatis. Geyer verwies außerdem erneut auf die problematische demografische Entwicklung: „Jetzt gehen die geburtenstarken Jahrgänge schrittweise in den Ruhestand. In den nächsten zehn Jahren verlassen über 1,4 Millionen Beschäftigte den öffentlichen Dienst. Wie diese Lücke geschlossen werden soll, ist nach wie vor ungeklärt. Vor diesem Hintergrund werden sich die aktuellen Zuwächse ganz schnell relativieren.“ _ Model Foto: Colourbox.de Pflegende Angehörige Neues Budgetmodell begrüßt Wer in den eigenen vier Wänden Angehörige pflegt, soll Pflegeleistungen möglichst unkompliziert in Anspruch nehmen können. Ab dem 1. Juli 2025 gilt für Pflegebedürftige ab Pflegegrad II der sogenannte gemeinsame Jahresbeitrag. Damit werden Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege zu einem jährlichen Budget zusammengefasst. Das bedeutet: Künftig ist es möglich, die beiden Leistungen zu kombinieren oder die Leistung vollständig für eine der beiden Pflegeformen zu verwenden. „Bisher war es kompliziert, zum Beispiel Leistungen der Kurzzeitpflege auf die Verhinderungspflege zu übertragen“, sagte dbb Chef Volker Geyer am 30. Juni 2025 in Berlin. „Deshalb ist das Inkrafttreten der Neuregelung ein großer Fortschritt, um pflegende Angehörige zu entlasten. Oft ist es so, dass Betroffene Leistungen nicht in Anspruch nehmen, weil ihnen die Inanspruchnahme zu kompliziert erscheint. Aber der Informationsstand darf nicht über die Versorgungsqualität entscheiden. Ich wünsche mir, dass das Budgetmodell Schule macht!“ Zum 1. Juli 2025 ist die Voraussetzung für die Inanspruchnahme entfallen, dass eine sechsmonatige Versorgung in den eigenen vier Wänden erfolgt sein muss. Kritikpunkt: Wenn ein pflegender Angehöriger ausfällt und ein anderer naher Angehöriger einspringt, wird der anteilige Betrag der Verhinderungspflege auf das Zweifache des Pflegegeldes im jeweiligen Pflegegrad gekürzt – wenn weiter entfernte Verwandte oder andere Personen einspringen, ist dies hingegen nicht der Fall. Geyer: „Die Ungleichbehandlung von nahen und entfernten Verwandten oder Bekannten ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar. Ganz im Gegenteil: Der weit überwiegende Teil der Pflegebedürftigen wird auch im Fall der Verhinderungspflege im engsten Familienkreis betreut. Das ist aller Ehren wert und gehört nicht aus Kostengründen sanktioniert!“ _ © Erdacht mit Sora KI (Open AI) 14 AKTUELL dbb magazin | Juli/August 2025
DASEINSVORSORGE Zivil- und Katastrophenschutz Damit noch was geht, wenn nichts mehr geht Der großflächige Stromausfall über 24 Stunden in Spanien vor wenigen Monaten hat gezeigt, wie sehr wir alle von Elektrizität abhängig sind. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gibt Tipps zur Vorsorge und zum individuellen Schutz. Und plötzlich ist der Strom weg – und kommt auch erst einmal nicht wieder. Am 28. April 2025 legten Komplikationen in einem Umspannwerk nahe Granada weite Teile Spaniens und Portugals lahm. Supermarktkassen und Bankautomaten, Tankstellen, Bahnen, Flughäfen, Mobilfunknetz und Internet – nichts funktionierte wie gewohnt. Wer vorgesorgt hatte, kam besser durch die herausfordernde Zeit. Das BBK empfiehlt grundsätzlich: > Trinkwasservorrat: Für zehn Tage anlegen. Erwachsene trinken am Tag 1,5 Liter Flüssigkeit, Ältere sogar 2 Liter; weiteres Wasser wird zum Kochen benötigt. Also 10 bis 25 Liter Wasser pro Person sowie H-Milch und Säfte. > Lebensmittelvorrat: Ohne Kühlung für zehn Tage. Zum Beispiel Pumpernickel, Zwieback, Knäckebrot, Trockenfrüchte, Nüsse, Kartoffeln, Eier (zumindest für die ersten Tage), zarte Haferflocken, Müsliriegel, Öl, Margarine oder Butter sowie Konserven wie gekochtes Fleisch, Fisch, Gemüse und Obst. Dosenöffner! Parboiled Reis und Sonnenweizen garen mit wenig Energie. Lebensmittel werden perfekt bevorratet, indem die älteren Chargen vorne im Regal liegen, um sie im Alltag zu verbrauchen, während nachgekaufte Produkte nach hinten gehören. Mehr Informationen: ernaehrungsvorsorge.de > Energieversorgung: Ein Campingkocher mit Brennstoff für mindestens zwölf Brennstunden gilt als Grundausstattung. Wer mehr investieren kann und noch keine Solaranlage auf Dach oder Balkon hat, kauft ein Solarpanel mit Akku. > Medikamentenvorrat: Für mindestens zehn Tage. Sobald der Vorrat an verschreibungspflichtigen Medikamenten weniger als zwei Wochen reicht, sollte nach Möglichkeit das Folgerezept eingelöst werden. Zudem sollte die Hausapotheke regelmäßig auf Ablaufdaten geprüft werden. > Vorräte: Batterien für Taschenlampen, Kerzen und Teelichter, Streichhölzer, Toilettenpapier, Hygieneartikel, Pflaster, ein Zehn-Liter-Eimer, Mülltüten und Bargeld, darunter auch Münzen, sollten immer im Haus sein. > Anschaffungen: Ein Batterie-, Solar- oder besser ein Kurbelradio zum Antennenempfang von Informationen, eine Dynamo- taschenlampe und einen warmer Schlafsack sollten zur Vorsorge vorhanden sein. > Grundsätzlich zu beachten: Telefon und Mobilfunknetz fallen nach etwa vier Stunden aus. Auch das Internet und damit die sozialen Netzwerke liefern dann keine Informationen mehr! Im Zweifelsfall gilt: zu Hause bleiben, um das Verkehrschaos nicht zu vergrößern und weder Kraftstoff noch Zeit zu verschwenden. Weitere Ratschläge gibt Albrecht Broemme, Ehrenpräsident des THW: Bürgerinnen und Bürger sollten sich gut informieren: Gibt es in der Kommune einen „Katastrophenschutz-Leuchtturm“? Wo befindet er sich? Dort gibt es im Notfall Hilfe (ohne Strom auch kein Notruf „112“/„110“!), Getränke, Informationen, gegebenenfalls sogar Strom zum Laden von Akkus. > Für Evakuierungen: Kleine Wertgegenstände, wichtige Dokumente wie Ausweise, Impfpässe, Zeugnisse und Medikationslisten, warme Kleidung, feste Schuhe, Taschenmesser, Besteck und Taschenlampe samt Ersatzbatterien sollten in einem Rucksack bereit sein. > Kühlschränke und Kühltruhen: Zunächst geschlossen lassen. Ab dem dritten Tag alle Lebensmittel ausräumen, verbrauchen oder gegebenenfalls entsorgen; dann die Kühl- und Gefrierschranktüren offen lassen, damit die Geräte keinen Schaden nehmen. Ein grundsätzlicher Rat Broemmes: Jeder kümmere sich um sich und seine Familie! Nachbarn helfen Nachbarn! Betreuungsbedürftige Menschen können sich freiwillig unter notfallregister.eu registrieren, damit Helfer sie im Ernstfall auch finden. Weitere Infos unter bbk.bund.de ada Foto: Colourbox.de FOKUS 15 dbb magazin | Juli/August 2025
Ortstermin in Charlottenburg. Neben dem S-Bahnhof kreuzt die Berliner Stadtautobahn A 100 den Spandauer Damm. Wir lassen den Straßenlärm hinter uns und biegen in die Soorstraße ein. Links und rechts der von Bäumen gesäumten Straße stehen Altbauten und Bürogebäude. Bald erhebt sich neben uns eine hohe Backsteinmauer. Wir gehen nach links durch das Tor und stehen auf einem asphaltierten Hof mit Grünstreifen am Rand. Hier dominiert die Farbe Blau. Über die gesamte asphaltierte Fläche verteilt, die sich hinter den alten Rotziegeln auf vielleicht 200 Metern Länge erstreckt, stehen vor ihren Garagen große blaue Lastkraftwagen, die das bekannte Logo tragen: ein Zahnrad mit zwölf Zähnen, darin übereinander und leicht ineinander geschoben drei Großbuchstaben „THW“. An diesem heißen Tag Ende Juni 2025 ist Tag der offenen Tür beim Technischen Hilfswerk Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf. Wo früher die Soldaten des „Königin Elisabeth Garde-GrenadierRegiments Nr. 3“ in der 1893 bis 1986 erbauten Westend-Kaserne stationiert waren, sitzt seit 1954 das THW, unten der Ortsverband, im ersten Obergeschoss der Landesverband Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt. Von hier aus werden die Kolleginnen und Kollegen bundesweit und teilweise auch aus dem Ausland zur Unterstützung der zivilen Rettungskräfte angefordert. Das THW hat Expertise und Ausrüstung, die etwa die Feuerwehr nicht hat. Auf die Funktion und Aufgaben weist das Logo hin. Das Zahnrad steht für Technik, also für die technische Unterstützung, die das THW in Katastrophen- und Schadensfällen leistet. Auf der Homepage des Ortsverbandes Frankenthal in der Pfalz heißt es unter der Überschrift „Das Zahnrad, welches verbindet“: Das Logo des THW verkörpert in höchster Weise die eigene Funktionsanschauung. Als deutschlandweit einheitlich aufgestellte ehrenamtliche Zivilschutzorganisation des Bundes „ist es unsere Aufgabe, wie ein Zahnrad im System Bevölkerungsschutz zu fungieren“. Wie genau das funktioniert, darin erhalten wir heute beim Tag der offenen Tür in Berlin-Charlottenburg einen Einblick. Doch eines nach dem anderen. Noch sind keine Interessierten da. Die letzten vor der Sonne schützenden Zelte werden aufgebaut, letzte Handgriffe an Ausrüstung und Bekleidung getätigt. Kurz bevor die ersten Gäste sich die Arbeit an den einzelnen Stationen erklären REPORTAGE Das Technische Hilfswerk unterstützt die Feuerwehr und arbeitet eng mit anderen Hilfsorganisationen in Deutschland und weltweit bei Katastrophenlagen zusammen. Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer schützen, bergen und retten seit 75 Jahren Menschen, Tiere und Sachgüter. Sie räumen und sprengen, bekämpfen Überschwemmungen, leuchten Einsatzstellen aus oder bekämpfen Ölschäden. Gruppenbild mit Drohne: bitte nach oben lächeln. © THW/Pablo Grimm © Jan Brenner (6) Technisches Hilfswerk Ein Zahnrad im Getriebe des Zivilschutzes 16 FOKUS dbb magazin | Juli/August 2025
lassen und die Verpflegungsstände erkunden, lässt Beate Handrick die rund 50 Männer und Frauen in der blauen Uniform oder in für die Küchenarbeit passender Arbeitskleidung mit blauer Schürze antreten. Sie schieben heute Dienst und sorgen für einen reibungslosen Ablauf des Tages. Handrick ist seit 21 Jahren als Helferin beim THW. Sie wünscht den Anwesenden einen erfolgreichen Tag, bittet sie, auf den korrekten Sitz der Kleidung zu achten – bei Publikumsverkehr will man einen guten Eindruck hinterlassen –, und am wichtigsten: Sie erinnert die Helfenden, dass sie bitte genug trinken und ab und an den Schatten aufsuchen sollen. Dass jemand heute umkippt, wolle sie nicht sehen. Das Antreten habe unter dem Motto Fürsorge gestanden, erzählt Handrick uns später. Zum Abschluss des Antretens wird der Trupp „Unbemannte Luftfahrtsysteme“ aktiv. Ein Pilot startet die Kameradrohne, selbstverständlich ist der Start- und Landebereich abgesperrt und mit einem Hinweis versehen. Eigensicherung ist heute ebenso wichtig wie im Einsatz. Schweres Gerät für Spezialaufgaben Dann geht es los. Die ersten Menschen schlendern über den Hof, fragen die Fahrzeugbesatzungen nach der Ausrüstung und was man damit macht. Zum Beispiel bei der Fachgruppe „Schwere Bergung“. Die habe auf ihrem mit „SB“ gekennzeichneten Fahrzeug unter anderem erschütterungsarme Betonsägen und Kernbohrer sowie große Hebekissen, erklärt uns eine Helferin, die seit etwa zwei Jahren dabei ist. Wenn ein Gebäude eingestürzt ist und Verschüttete oder Eingeschlossene bei der Bergung nicht durch grobes Räumgerät gefährdet werden sollen, kommt die Betonsäge zum Einsatz. Mit dem großen Kernbohrer kann die Fachgruppe SB schonend große Löcher in dicken Beton bohren. Damit kann die Feuerwehr etwa bei einem Großbrand, „bei dem ein Innenangriff nicht möglich ist“, einen Schlauch ins Gebäude bringen oder mit einer endoskopischen Kamera einen Blick ins Innere werfen. Andere Ortsverbände haben so große Bohrköpfe, dass durch die Löcher Verletzte auf einer Trage geborgen werden können, erzählt die Helferin. Ein wichtiges Utensil seien auch die großen Hebekissen, etwa wenn es darum geht, unter einem Auto Eingeklemmte zu bergen oder Gebäudeteile so vorsichtig zu heben, dass niemand darunter zu Schaden kommt. Die Rettungsdienste fordern die Fachgruppe SB immer dann an, wenn sie nicht über das benötigte Gerät verfügen. Auch wenn es darum geht, etwa eine einsturzgefährdete Fassade abzustützen, kommt das THW zum Einsatz. Feuerwehr und Polizei als Rettungskräfte sind nur so lange vor Ort, wie die unmittelbare Gefahr andauert. Von Zügen, Fachgruppen und Trupps Das THW Charlottenburg-Wilmersdorf verfügt über einen technischen Zug und den Fachzug Führung/Kommunikation (FZ FK). Die Züge sind in Gruppen unterteilt, diese wiederum in Trupps. Was an Militär erinnert, beschreibt letztlich die immer genauere Spezialisierung der Einheiten und dient der einfachen Organisation und Handlungsfähigkeit. Am Beispiel des Fachzuges Führung/ Kommunikation wird das schnell deutlich. Im Einsatz kann der FZ FK eine mobile oder stationäre Führungsstelle einrichten. Diese koordiniert und steuert den Einsatz der THW- und bei Bedarf auch anderer Einsatzkräfte. Hier läuft die Kommunikation in der Fernmeldezentrale zusammen und es werden einsatztaktische Entscheidungen in der Führungsstelle getroffen. Hier wird erfasst, wer sich gerade wo befindet und wer bei Bedarf schnell in den Einsatz geschickt werden kann. Letztlich ist es die Leitstelle des kompletten Einsatzes. Im Bedarfsfall helfen die bundesweit 66 FZ FK und die über 700 Zugtrupps des Technischen Zuges auch der Polizei oder Feuerwehr bei der Organisation und dem Einsatz von Kräften, erklärt uns Maximilian Krüger. Er arbeitet im Hauptberuf bei der Berliner Feuerwehr und im Ehrenamt beim THW. Der Technische Zug des THW Charlottenburg-Wilmersdorf wird im Einsatz vom Zugtrupp des Technischen Zuges (ZTr TZ) gesteuert. Hier läuft die Koordination des Technischen Fachzuges zusammen. Der Zugtrupp ist spezialisiert auf Erkundung und einsatztaktische Entscheidungen – in allen möglichen und unmöglichen Schadenslagen: Das Einsatzfahrzeug ist schneller und agiler als die großen Lkw der Fachgruppen und fährt den Kolonnen des THW oft voran. An Bord hat der Zugtrupp überdies ein robustes blaues Fahrrad, komplett ausgestattet mit Blaulicht und Funk. Neben dem Zugtrupp besteht der Technische Zug aus den Fachgruppen und Trupps. Beim hiesigen Ortsverband sind das die Bergungsgruppe mit ihrem Abstützsystem Holz, die Fachgruppe Schwere Bergung, die Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen, die Fachgruppe Notversorgung und Notinstandsetzung sowie der Trupp Unbemannte Luftfahrtsysteme. Insgesamt engagieren sich für das THW Charlottenburg-Wilmersdorf 130 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sowie 14 Jugendliche zwischen zehn und 17 Jahren. Viele der Ehrenamtlichen sind Überzeugungstäter. Fast alle, mit denen wir sprechen, sind deutlich über zehn Jahre aktiv. So auch David Iwanowitsch von der Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen. „Ich habe vor 20 Jahren bei der Jugendgruppe angefangen“, erzählt er. Neben ihm pumpt eine Pumpe unablässig Wasser in ein riesiges Becken und wieder hinaus. Rund 30 000 Liter fasst das faltbare Becken. „Wir sind bei Wasserschäden im Einsatz oder bei Bränden“, erklärt der Helfer. Die Hochleistungspumpen in dem mit WP gekennzeichneten Lkw transportieren beispielsweise bei Hochwasser oder Wasserschäden große Mengen Wasser. Bei Waldbränden in Gegenden, wo die nächste Wasserentnahmemöglichkeit weit entfernt ist, unterstützt die Fachgruppe WP die Feuerwehr, indem sie das Becken vor Ort mit Wasser füllt. „Wir haben auf dem Fahrzeug Schläuche und Pumpen, mit denen wir eine Strecke von einem bis zwei Kilometern überbrücken können“, erzählt Iwanowitsch. Fräst und bohrt leise und schmerzlos: die Fachgruppe Schwere Bergung. FOKUS 17 dbb magazin | Juli/August 2025
Doch heute ist keine Katastrophenlage. Es ist einfach nur heiß. Über dem roten Faltbecken erhebt sich eine drei Meter hohe Wasserfontäne, deren Sprühnebel zumindest ein bisschen Kühlung verschafft. In einem kleineren Becken daneben können Kinder Gummienten aus dem Wasser angeln. Wir entfliehen der Sonne kurz und treffen uns im Aufenthaltsraum der Helferinnen und Helfer im Erdgeschoss des Rotziegels mit Daniela Reiter. Sie arbeitet hauptamtlich beim THW und ist seit zweieinhalb Jahren zuständig für Veranstaltungen und Publikationen des Landesverbandes. „Fürs Ehrenamt habe ich leider nicht mehr so viel Zeit, seit ich beim THW hauptamtlich arbeite“, erzählt Reiter. Die 51-Jährige hatte vor fünf Jahren als Helferin in der Fachgruppe Bergung angefangen. Davor hat sie lange bei der Messe Berlin gearbeitet. In der Coronapandemie war die Messe als Veranstaltungsort dicht; viele der Beschäftigten waren in Kurzarbeit. „Ich hatte sehr viel Zeit und habe im Augenwinkel mitbekommen, wie das THW federführend das Corona-Behandlungszentrum auf dem Messegelände aufgebaut hat, das zum Glück nie in Betrieb genommen werden musste. Damals habe ich das erste Mal gedacht, was für eine coole Organisation“, erzählt Reiter. Sie habe sich dann dafür entschieden, beim THW aktiv zu werden. Doch einfach auf den Hof gehen und sagen: „Hier bin ich, was kann ich tun?“, geht selbstverständlich nicht. Vor dem ersten Einsatz als Helferin oder Helfer steht die rund sechsmonatige Grundausbildung, die mit einer theoretischen und einer praktischen Prüfung endet. „Man wird durch verschiedene Fachgruppen geleitet und lernt sehr, sehr viel“, sagt Reiter. „Ich habe Geräte, die ich noch nie vorher in meinem Leben in der Hand gehabt hatte, kennengelernt, wie den Aufbrechhammer oder den hydraulischen Spreizer. Und ich habe gelernt, dass die Arbeit mit diesen Geräten nicht nur mit Kraft zu tun hat, sondern in erster Linie mit Beherrschung der Technik. Dass Frauen das nicht lernen und keine Helferinnen im THW-Einsatz sein können, ist falsch.“ 75 Jahre unterstützen im Auftrag Das Technische Hilfswerk feierte im Mai 2025 sein 75-jähriges Bestehen. Gegründet wurde es 1950; drei Jahre später erhielt es seine bis heute gültige Rechtsform als nicht rechtsfähige Bundesanstalt des öffentlichen Rechts mit einem eigenen Verwaltungsbau. Die gesetzliche Grundlage ist das zuletzt 2020 novellierte „Gesetz über das Technische Hilfswerk (THW-Gesetz – THWG)“. Die ursprüngliche Idee der 1919 gegründeten Vorgängerorganisation „Technische Nothilfe“ war der nicht militärische Schutz der Zivilbevölkerung durch Kriegseinwirkungen und die Beseitigung von Kriegsschäden. Die Betonung liegt auf zivil: Das THW ist dem Bundesministerium des Innern (BMI) unterstellt, nicht dem Bundesverteidigungsministerium. Heute arbeiten insgesamt rund 88 000 Ehrenamtliche und 2 200 Hauptamtliche fürs THW. Dazu kommen regelmäßig rund 800 Personen im Bundesfreiwilligendienst. Gemäß § 1 THWG leistet das THW Unterstützung auf Anforderung des BMI oder anderer für die Gefahrenabwehr zuständiger Stellen. Das THW ist grundsätzlich in Ortsverbänden organisiert und steht weiter im Gesetz. Es unterstützt auf Anforderungen im Inland sowie bei Katastrophen im Ausland. Zu Letzterem gehören im Rahmen der humanitären Nothilfe Search- und Rescue-Missionen oder der Aufbau einer Trinkwasserversorgung. Spezielle Auslandseinheiten des THW wurden schon seit Mitte der 1980er- Jahre aufgebaut. Diese bestehen aus Fachleuten, die mit ihrer Ausrüstung schnell einsatzfähig sind. So kann die „Schnell-Einsatzeinheit für Bergung im Ausland (SEEBA)“ etwa nach Erdbeben mit bis zu 70 Einsatzkräften und gut 20 Tonnen Ausrüstung innerhalb von sechs Stunden nach Alarmierung per Flugzeug ausreisen. Für die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung für von Naturkatastrophen oder Bürgerkriegen betroffene Menschen gibt es die „SchnellEinsatzeinheit für Wasserversorgung im Ausland (SEEWA)“. Diese ist nach der Alarmierung mit zehn Kräften und 20 Tonnen nach zehn Stunden flugbereit. Nicht zuletzt gibt es die ab 2010 aufgebaute operative Einheit „Standing Engineering Capacity (SEC)“: Bis zu 30 Kräfte können binnen 72 Stunden ins Ausland aufbrechen. Die Fachleute unterstützen überwiegend den Auf- und Abbau von Camps für Hilfskräfte im Rahmen von UN-FrieDavid Iwanowitsch bedient die leistungsfähige Wasserpumpe. densmissionen sowie im KatastrophenNichts dem Zufall überlassen: Maximilian Krüger erklärt den Einsatzplan für den Tag der offenen Tür. 18 FOKUS dbb magazin | Juli/August 2025
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