dbb magazin 6/2025

Nachgefragt bei Prof. Dr. Christian Böttger, HTW Berlin, zur Zukunft der Bahn Es fehlt eine systematische Fehleranalyse Was muss passieren, um den DB-Konzern wieder auf Kurs zu bringen? Die DB AG befindet sich wirtschaftlich und betrieblich in einer desolaten Lage. Die Pünktlichkeit sinkt seit Jahren, Baustellen und Personalmangel lassen die Zahl der Zugausfälle ansteigen. Die internationale Expansion hat zu Milliardenverlusten geführt, während das Kerngeschäft, die Eisenbahn in Deutschland, in die Verlustzone gerutscht ist. In der letzten Legislaturperiode gab es kaum Reformen bei der Bahn. Zwar gab es zusätzliche Mittel für die „Generalsanierung“. Auch wurde der lange geplante Verkauf der großen Auslandsgesellschaften umgesetzt, Netz und Bahnhöfe wur- den zur neuen „InfraGo AG“ verschmolzen. Allerdings gab es keine Strukturreformen, das angekündigte neue Steuerungskonzept für die InfraGo liegt nur als Entwurf vor. Die neue Bundesregierung wird erneut mehr Geld für die Eisenbahninfrastruktur bereitstellen, es gibt im Koalitionsvertrag wieder nur vage Aussagen zu Strukturreformen. Dabei besteht in vielen Bereichen Reformbedarf. Dies betrifft die Finanzierung, die Marktordnung und die technischen Regelwerke. Vor allem sind aber Reformen der Steuerung des Konzerns und im DB-Konzern selbst erforderlich. Darüber hinaus sind kurzfristig wirkende Maßnahmen umzusetzen. Die Finanzierung des Ausbaus und der Sanierung von Schienenwegen scheint mit dem Sondervermögen für die kommende Dekade gesichert. Allerdings führten die steigenden Investitionen in den vergangenen Jahren zu einem massiven Preisanstieg. Eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung wird es sein, durch eine effiziente Projektauswahl, neue Ausschreibungsstrategien und vor allem den zügigen Ausbau der Planungs- und Baukapazitäten sicherzustellen, dass die verfügbaren Mittel tatsächlich zu mehr Schienenbau führen und nicht lediglich zu steigenden Preisen. In vielen Segmenten bedarf die Marktordnung der Reform. Die Logik der Trassenpreisermittlung droht den Fern- und Güterverkehr abzuwürgen. Im Regionalverkehr passt die Risikoverteilung zwischen Ländern, Betreibern und Infrastruktur nicht mehr. Im Güterverkehr benötigt der defizitäre Einzelwagenverkehr Subventionen, diese sollten aber wettbewerbsoffen ausgestaltet werden. Ein weiteres Problem sind die technisch-betrieblichen Regelwerke. Sie sind strenger als in den Nachbarländern und strenger als in anderen Branchen, zudem werden sie stetig weiter verschärft. Eine kritische Prüfung scheint geboten; dadurch ließe sich die Kapazität der Schiene erhöhen und die Kosten senken. Das bisherige System zur Steuerung der DB AG durch die Politik ist gescheitert. Der Bund steuert bislang zum einen als Eigentümer über den Aufsichtsrat und zum anderen über vertragliche Leistungsbeziehungen mit Qualitätskennzahlen. Beides hat in den vergangenen Jahren nicht funktioniert. Es fehlt bis heute eine systematische Fehleranalyse. Derzeit stehen zwei Reformideen im Raum: Ein Konzept besteht darin, die DB AG künftig direkter aus der Rolle des Eigentümers heraus zu steuern. Dazu müsste der Bund entsprechende Ressourcen und Kompetenzen zur Steuerung aufbauen. Sinnvoll könnte es dabei sein, die DB AG in eine GmbH umzuwandeln, deren Aufsichtsrat besser steuerbar wäre als der einer Aktiengesellschaft. Das zweite Konzept besteht darin, die DB AG im Kern über Leistungsverträge und das Management über einen Aufsichtsrat zu steuern, der politikfern und fachkundig besetzt werden könnte. Wie zuvor erwähnt, war die bisherige Steuerung – eine Mischung aus beiden Ansätzen – nicht besonders erfolgreich. Die DB AG bedarf der Sanierung. Die Overheadkosten steigen seit Jahren, Entscheidungen werden zentralisiert und zugleich parzelliert; so entstand eine Kultur der Verantwortungslosigkeit. Ein Beispiel ist das jahrelange Versäumnis, hinreichend Stellwerker auszubilden. Auch wurde es offenbar jahrelang versäumt, Abnahmeprüfer zu qualifizieren. Durch eine Verschlankung der Overheadstrukturen könnten einerseits Kosten eingespart werden, andererseits könnten auch Prozesse verbessert werden. Die DB AG erklärt die aktuelle betriebliche Krise mit dem überraschend aufgetretenen schlechten Infrastrukturzustand. Die Behauptung ist nicht ganz falsch, es gibt aber viele weitere Probleme. Insbesondere ist das Netz durch zu viele Fahrten überlastet, auch die Managementprobleme tragen zur geringen Betriebsstabilität bei. Während die bestehenden Infrastrukturdefizite nicht kurzfristig beseitigt werden können, könnte durch die Ausdünnung der Fahrpläne und durch Managementreformen ein Teil der betrieblichen Probleme kurzfristig gelindert werden. Daneben dürfen aber die zuvor geschilderten großen Reformen nicht auf die lange Bank geschoben werden. _ Prof. Dr. Christian Böttger lehrt Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. © HTW/Nikolas Fahlbusch 22 FOKUS dbb magazin | Juni 2025

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